Nach neueren Untersuchungen lassen sich mittels Gamifizierung etwa Produktionssteigerungen erzielen, besser Mitarbeiter rekrutieren oder Kunden binden. Welche Potenziale sehen Sie durch Gaming-Elemente in der Wirtschaft?
Games zeichnen eine ganze Reihe von Eigenschaften aus, die gerade im Rahmen zunehmend digital gestalteter Arbeitsprozesse interessant für die Wirtschaft sind. Einerseits lebt ein gutes Spiel vom sogenannten „Flow“, gemeint ist damit ein Spielfluss, der die Spielenden weder unter- noch überfordert und so das Spielerlebnis maximal angenehm und motivierend gestaltet. Da Games über interaktive Feedback-Mechanismen, Einstellungsmöglichkeiten usw. verfügen, lässt sich dieses Ergebnis individuell steuern und anpassen. So eine Art von am Menschen orientierte Prozessoptimierung ist für die Arbeitswelt sehr interessant. Darüber hinaus liefern Games viele innovative Beispiele dafür, wie Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine intuitiv und nutzungsfreundlich gestaltet werden können. Deshalb sind Games auch bei Themen wie Bewegungssteuerung und Extended Reality (VR, AR usw.) ganz vorne mit dabei. Wichtig ist, dass sich Unternehmen im Vorhinein genau überlegen, in welchem Kontext sie auf Gaming-Elemente zurückgreifen wollen und was damit konkret erreicht werden soll. Dazu gehört auch die Überlegung, ob für das Einsatzfeld wirklich Gamification, also das Gestalten von Prozessen mit spielerischen Mitteln, oder ein Serious Game sinnvoller ist. Serious Games eigenen sich z.B. insbesondere zum Erlernen von Arbeitsprozessen, da man sich in ihnen ohne Angst vor realen Konsequenzen selbst ausprobieren kann.
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Insbesondere bei der Weiterbildung liegen Gaming-Elemente im Trend. Welche Potenziale sehen Sie in diesem Bereich?
Games können im Bereich der Aus- und Weiterbildung dazu dienen Konsequenzen nachzuvollziehen und aus Fehlern zu lernen. Oft wird beim Thema Lernspiele davon ausgegangen, dass man Menschen einfach ein Game spielen lässt und dann nehmen sie daraus genau das mit, was laut Lehrplan vermittelt werden soll. Aber das ist ein Trugschluss, denn Spiele leben ja von ihrem offenen Ausgang. Der Schlüssel liegt darin, die Spielerfahrungen im Anschluss im Rahmen der Lehrpläne oder -programme methodisch-didaktisch aufzubereiten. Diese Erfahrungen machen wir auch immer wieder bei den Bildungsprojekten der Stiftung Digitale Spielekultur. Unabhängig davon kann man natürlich auch das Lernen selbst gamifizieren, z.B. mit der Vergabe von Erfahrungspunkten oder mit Level-Aufstiegen für bzw. bei erfolgreich abgeschlossenen Aufgaben, um so die Lernenden zu besseren Leistungen zu motivieren. Bei solchen Ansätzen ist es allerdings wichtig ein System zu schaffen, das nicht nur die Besten belohnt, sondern alle motiviert, z.B. indem Punkte für Kooperation oder gegenseitige Hilfe zwischen Azubis bzw. Mitarbeitenden vergeben werden.
Aktuelle Daten weisen darauf hin, dass jüngere Mitarbeiter der Gamification in der Arbeitswelt offener gegenüberstehen als ältere - was bedeutet das für die den Einsatz von Gaming-Elementen von Unternehmen?
Bei der Wahrnehmung und Beurteilung von Gamification muss man berücksichtigen, dass sich vor allem jüngere Menschen mit Begriffen wie „Gamer“ oder „Gaming“ identifizieren. Trotzdem spielen inzwischen auch viele ältere Menschen digital, vor allem auf ihren Smartphones. In den vergangenen fünf Jahren ist die Anzahl der Spielenden im Alter von 50 bis 69 laut einer Umfrage des game-Verbandes sogar kontinuierlich gestiegen – zuletzt waren das 29 Prozent aller Spielenden in Deutschland und das bei über 34 Millionen Spielenden in Deutschland. Menschen dieser Altersgruppen würden sich selber aber wahrscheinlich nicht als „Gamer“ bezeichnen und sind vielleicht deshalb bezüglich des Einsatzes von Gamification-Elementen eher zurückhaltend. Aber wenn man Ihnen erstmal die Umsetzung in der Praxis zeigt und die Anwendungen leicht und intuitiv von der Hand gehen – wie eben auch das Spielen von Casual Games auf dem Smartphone – ändert sich wahrscheinlich auch die Einstellung gegenüber solcher Elemente in der Arbeitswelt. Trotzdem sollte von Seiten des Unternehmens auch offen kommuniziert werden, welche Ziele mit dem Einsatz von Gamification verfolgt werden und was der Mehrwert für die Mitarbeitenden ist. Bedürfnisse oder eventuelle Unsicherheiten in der Belegschaft sollten im Idealfall bereits im Vorfeld geklärt werden und in den Gestaltungsprozess einfließen.
Welche besonderen Anforderungen müssen die technischen Lösungen erfüllen, um erfolgreich zu sein?
Pauschal lässt sich das schwer sagen, denn die Anforderungen sind immer abhängig vom jeweiligen Anwendungsgebiet und der Zielsetzung. Grundvoraussetzung ist ein Basis-Digitalisierung im jeweiligen Unternehmen. Es sollte also bereits eine etablierte Infrastruktur an Soft- und Hardware geben, mit der auch die Mitarbeitenden vertraut sind und auf die aufgebaut werden kann. Wenn wir in unseren Projekten Games-Entwickler*innen mit anderen Branchen verknüpfen, ist für eine erfolgreiche Zusammenarbeit außerdem immer sehr wichtig, dass die eine Seite in die Kompetenz der anderen vertraut. Wenn z.B. ein Spieleentwickler sagt, dass ein Spiel prinzipiell zwar umgesetzt werden kann, aber niemand es so spielen wollen wird, sollte man gemeinsam lieber nochmal ans Reißbrett gehen. Unternehmen sollten deswegen Games-Fachleute so früh wie möglich bei entsprechenden Vorhaben mit an Bord holen.