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Forscher beklagt übereilte "Primitivdigitalisierung"

Wo die Digitale Verwaltung heute steht, was Corona gebracht hat und was passieren muss

Prof. Dr. Robert Müller-Török - Professor für e-Government an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg Quelle: HS Ludwigsburg Prof. Dr. Robert Müller-Török Professor für e-Government HS Ludwigsburg 09.07.2020
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E-Government-Experte Prof. Dr. Robert Müller-Török sieht die Verwaltungen in Deutschland auf dem Weg in die Digitalisierung u.a dadurch behindert, "dass zentrale Basisinfrastruktur wie eine verbreitete und sichere eID oder die Verfügbarkeit gepflegter und elektronisch abfragbarer Register (noch) nicht gegeben ist". Bei allen Schritten in Richtung Digitalisierung mahnt er ein geordneten organisatorischen Wandel an - und keinen Aktionismus.







Nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) sollen ab 2022 Verwaltungsleistungen über digitale Verwaltungsportale angeboten werden - wie weit sind die Verwaltungen auf dem Weg dahin?
Äußerst unterschiedlich weit. Die Verwaltungen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland sind erheblich, erheblich weiter. Wenn ich mir egov.md ansehe, dann ist die Republik Moldau viel weiter fortgeschritten als sogar der deutsche Bund. Innerhalb Deutschlands scheinen die Stadtstädte die Führung zu haben, bei den Flächenländern sehe ich gewaltige Unterschiede. Alle werden m.E. dadurch behindert, dass zentrale Basisinfrastruktur wie eine verbreitete und sichere eID oder die Verfügbarkeit gepflegter und elektronisch abfragbarer Register (noch) nicht gegeben ist. Das ist, bspw. im Falle der eID, zwanzig Jahre nach Veröffentlichung der Signaturrichtlinie der EU äußerst deplorabel.

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Welchen Schub hat die Corona-Krise der Digitalisierung in Verwaltungen gegeben und wie nachhaltig ist dieser ggf.?
Die Digitalisierung hat an Akzeptanz gewonnen, würde ich meinen. Leider erfolgte häufig eine übereilte "Primitivdigitalisierung", wo ungeprüft einfach auf Basis von E-Mails oder Webformularen "verwaltet" wurde - wie man an den an Phantasiefirmen und kriminelle Clanmitglieder ebenso wie an einzelne Betrüger ausbezahlten Coronahilfen sieht (wenn man der Presse trotz zumeist aufrechter Unschuldsvermutung hier Glauben schenken darf). Anstatt seriös auf Basis von eID und Registern Verwaltungsprozesse geordnet abzuführen, hat man hier anscheinend auf Basis von Worddokumenten und Behauptungen gezahlt.
Digitalisierung ist auch geordneter organisatorischer Wandel und kein Aktionismus.

Als größtes Hindernis für eine weitere Digitalisierung der Verwaltung gelten nach einer neuen Studie Medienbrüche und Schnittstellenprobleme. Wie können diese aus Ihrer Sicht über die verschiedenen Verwaltungsstufen in einem förderal organisierten Land überwunden werden?
Entweder durch zentrale Systeme oder, wohl erfolgversprechender in Deutschland, durch Standardisierung von Schnittstellen, standardisierte Daten- und Nachrichtenformate. Hier würde mit den XÖV-Standards ein guter Weg begonnen. Auch die Kreditwirtschaft ist dezentral organisiert und die Hürden zwischen einer Commerzbank und einer Unicredito sind mindestens so hoch wie die zwischen Baden-Württemberg und Thüringen. Dennoch funktioniert dort seit Jahrzehnten die Überweisung von Geld, die Übertragung von Wertpapieren, Akkreditive uwm. Einfach weil dieses Thema im Wege SWIFT und anderer Einrichtungen gelöst werden musste.

Die Verwaltungsmitarbeiter gelten als Schlüssel bei der digitalen Transformation - wie sollten die Mitarbeiter auf diesem Weg begleitet werden?
Das ist die wohl am schwersten zu beantwortende Frage. Zunächst einmal muss man eines klipp und klar sagen: Nach der Digitalisierung wird die Verwaltung weniger Mitarbeiter haben als heute. Es gibt bspw. in Deutschland 704 Zulassungsstellen für Kraftfahrzeuge. Im Vereinigten Königreich gibt es eine einzige zentrale Zulassungsstelle, die DVLA in Swindon. In Österreich keine einzige seit ca. 25 Jahren, dort erledigen das die Versicherer mit, weil man ohnehin bei jeder An-, Ab- und Ummeldung mit einer Versicherung sprechen muss. Gleiches gilt für viele, viele Ämter und Dienststellen. Mehr oder das Gleiche an Verwaltungsleistungen mit weniger Personal zu erbringen ist möglich. Durch demographischen Wandel und Pensionierungswellen sollte das möglich sein. Was die Mitarbeiter selbst betrifft, hier gibt es m.E. nur ein Prinzip: Ehrlichkeit, Beteiligung und professionelle Begleitung. Wir verändern bei der Digitalen Transformation die Arbeitswelten und -wirklichkeiten der Mitarbeiter. Das muss professionell erfolgen und ist aufwändig.

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