Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz soll die Digitalisierung von Krankenhäusern mit Milliarden vorangetrieben werden. Wie stehen die deutschen Krankenhäuser in Sachen Digitalisierung derzeit da?
Müschenich: Die Kliniken sind sehr divers aufgestellt. Natürlich haben wir heute schon digitale Champions und Vorreiter, die aus Überzeugung bereits in den letzten Jahren auf digitale Technologien gesetzt haben. Doch eine große Anzahl kämpft mit der Basisausstattung.
Wamprecht: In den letzten Jahren haben wir viele Digitalprojekte in Kliniken initiiert und begleitet. Diese frühzeitige Investition in zunächst kleine Pilotprojekte und später in den Rollout war für die Kliniken ein wichtiger Schritt. Krankenhäuser, die bereits vor dem Lockdown neue Technologien und Tools eingeführt haben, hatten einen Wissensvorsprung, den sie nutzen konnten. Viele Krankenhäuser standen indes ohne nennenswerte Erfahrung dar und müssen diese jetzt schnell aufholen.
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Das Fördervolumen soll bis zu 4,3 Milliarden Euro betragen, dabei können aber auch Corona-bedingte Ausfälle geltend gemacht werden. Ist die Summe angemessen für die nötige digitale Transformation der Branche?
Wamprecht: Die Summe ist derzeit ein Lichtblick am Ende eines langen Tunnels. Ein über Jahrzehnte gewachsener Investitionsstau wird nicht mit einem einmaligen Förderprogramm aufgeholt. Dennoch: die 4,3 Milliarden sind ein guter Anfang, der für die deutsche Krankenhauslandschaft wichtig ist und viele Kliniken zur Initialzündung einer zukunftsfähigen Digitalstrategie dienen kann. Zukunftsrelevante Faktoren, die durch digitale Technologien gestärkt werden können sind vor allem die Konnektivität innerhalb des Krankenhauses und zu externen Akteuren, der Grad der Automatisierung, die Möglichkeit zur personalisierten Behandlung und der Fokus auf eine empathische Beziehung zu Patienten und Mitarbeitern.
Investitionen in digitale Patientenportale oder moderne Telemedizin-Anwendungen bedingen regelmäßig erhebliche Kosten beim späteren Betrieb. Wie lässt sich sicherstellen, dass die geförderten Investitionen den Patienten dauerhaft helfen?
Müschenich: Indem Krankenhäuser sich bereits heute eine kluge Strategie für ihre Anträge im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes erarbeiten, die bereits heute antizipiert, wie die Situation nach dem Förderzeitraum sein kann. Es muss sichergestellt sein, dass die Investition Hand und Fuß hat und auf die Zukunftsfähigkeit der Klinik einzahlt.
Wamprecht: Es geht bei der Förderung der Digitalisierung um weit mehr als die Frage der Infrastruktur und einzelner Anwendungen. Dahinter stehen ein Transformationsprozess und die Frage, wie die jeweilige Klinik in der Zukunft aufgestellt sein will. Wie soll das Leistungsspektrum ausgestaltet sein? Wie können die jeweiligen Versorgungsangebote optimal strukturiert werden? Wie möchten Kliniken die Beziehung zu ihren Stakeholdern aufbauen? Hier bieten sich viele Anknüpfungspunkte, um durch digitale Technologien diese strategischen Entscheidungen klug umzusetzen. Die Einführung eines Patientenportals oder einer Telemedizin-Anwendung ist Teil des Business Developments einer Klinik.
Ausdrücklich soll auch die IT-Sicherheit gefördert werden. Wie schätzen Sie die Gefahr von IT-Angriffen auf Krankenhäuser ein?
Müschenich: Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit – weder analog noch digital. Das gilt natürlich auch für Krankenhäuser. Aktuelle Beispiele wie in der Uniklinik Düsseldorf haben gezeigt, was die traurige Folge von auch unverschuldeten Lücken in der IT-Sicherheit sein kann. Deswegen ist es richtig, dass mit dem Krankenhauszukunftsgesetz an dieser Stelle gezielt gefördert wird. Das hier: Doch hilft alles Geld der Welt nicht, wenn die digitale Kompetenz der Mitarbeiter – vom Geschäftsführer bis zum Pförtner nicht ausreicht bzw. nicht geschult wird. Und zur Schulung gehört es, ein Verständnis für die großen Chancen der Digitalisierung ebenso wie für die damit immer verbundenen Risiken zu erzeugen.