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Finanzmittel, Fachleute und gute Ideen

Wie Städte smart werden

Heinz Leymann - Bundesvorsitzender IfKom – Ingenieure für Kommunikation e. V. Quelle: IfKom Heinz Leymann Bundesvorsitzender IfKom – Ingenieure für Kommunikation e. V. 13.08.2019
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Eine ausreichend dimensionierte Kommunikations-Infrastruktur ist unabdingbare Voraussetzung für intelligente Anwendungen", weiß IfKom-Bundesvorsitzender Heinz Leymann, wenn gleich Smart Cities mehr brauchen als nur freies WLAN auf öffentlichen Plätzen.







Smart City ist eines der Trend-Themen bei der diesjährigen IFA – wo stehen die hiesigen Kommunen auf dem Weg zu Smart Cities?
Die Kommunen tun schon einiges, könnten jedoch viel weiter sein. Dazu benötigen sie ausreichend Finanzmittel, die richtigen Fachleute und gute Ideen, die den Bürgern einen Nutzen bringen. Wir haben auch keinen einheitlichen Maßstab, um zu bewerten, wie weit Kommunen „smart“ sind. Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) spricht von einem „Siedlungsraum, in dem systemisch (ökologisch, sozial und ökonomisch) nachhaltige Produkte, Dienstleistungen, Technologien, Prozesse und Infrastrukturen eingesetzt werden, in der Regel unterstützt durch hochintegrierte und vernetzte Informations- und Kommunikationstechnologien“.

Insbesondere in größeren Metropolen sind bereits Smart-City-Projekte umgesetzt worden. Durch Vernetzung soll vieles effizienter werden, beispielsweise die Mobilität, die Kommunikation, die Verwaltungsprozesse, die Ver- und Entsorgung oder die Logistik. Die Technik ist dabei Mittel zum Zweck. Schwieriger ist es, vorher getrennte und analoge Prozesse zusammenzuführen. Eine Smart City ist also mehr als nur freies WLAN auf öffentlichen Plätzen. Aber eine ausreichend dimensionierte Kommunikations-Infrastruktur ist unabdingbare Voraussetzung für intelligente Anwendungen. Wir setzen uns als Verband daher seit langem vehement für einen flächendeckenden Breitbandausbau ein. Anschlüsse mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde sind derzeit im städtischen Bereich immerhin für rund 95% der Haushalte zu haben, im ländlichen Bereich jedoch erst für 64%. Das Ziel der Flächendeckung bis Ende 2018 hat die Bundesregierung somit verfehlt. Die Zukunft heißt natürlich Gigabit-Netze, denn die zu transportierenden Datenmengen steigen überproportional an.

Zwei Beispiele möchte ich für Smart Cities ansprechen: Die öffentliche Verwaltung und die intelligente Verkehrssteuerung. Durch E-Government sollen einfache, nutzerfreundliche und effiziente elektronische Verwaltungsdienste angeboten werden. Dazu benötigt der Bürger oder Unternehmer zunächst einen hinreichend schnellen Internetanschluss - die Stadt- oder Kommunalverwaltung natürlich auch. Eine Schwierigkeit unseres föderalen Systems liegt in der Verteilung der Zuständigkeiten. Jede Verwaltungsebene beschafft eigene Hard- und Software. Die Fachverfahren, also die Prozesse, weichen stark voneinander ab. In einigen Kommunen und Landkreisen kann man einen Bauantrag elektronisch stellen, in vielen anderen eben nicht. Um von der persönlichen Unterschrift wegzukommen, wurden 2.872 Schriftformerfordernisse im Verwaltungsrecht des Bundes überprüft. Nur für 586 Fälle können künftig auch elektronische Verfahren zum Einsatz kommen. Hier gibt es also noch viel zu tun, damit Bürger und Unternehmen die Vorteile der Digitalisierung nutzen können.

Der zweite Schwerpunkt sind Verkehrsprojekte, die nach einer Bitkom-Untersuchung zum Smart-City-Atlas in vielen Städten zu finden sind. Digitalisierung und Vernetzung helfen, die Verkehrsflüsse zu steuern, Parkplatzangebote zu machen oder die einzelnen Verkehrsangebote intelligent zu vernetzen. Autofahrer in Deutschland suchen laut Analyse des Verkehrsdienstleisters Inrix durchschnittlich 41 Stunden im Jahr nach einem Parkplatz, in großen Städten wie Berlin, Frankfurt oder Essen sind es sogar über 60 Stunden im Jahr. Städte wie z. B. Berlin versuchen deshalb, andere Verkehrsmittel attraktiver zu machen. Eine App des dortigen Nahverkehrsunternehmens verknüpft Bus- und Bahn-Angebote mit Alternativen wie Taxi, Leihfahrrad, Car-Sharing-Autos oder E-Roller. Derzeit erfordert jedes dieser Angebote eine Extra-Anmeldung und eine gesonderte Abrechnung, später soll die Nutzung einfacher, sprich „smarter“ werden. Suchen, Bezahlen und zeitgenaues Nutzen von Parkplätzen lässt sich in vielen Städten über eine Vielzahl von Apps mehr oder weniger erfolgreich ermöglichen. Schwieriger als für Parkhäuser ist es, die dynamischen Prozesse am Fahrbahnrand zu erfassen und einen freien Parkplatz auf der Straße zu finden. Der Alltag in diesen Städten ist also noch längst nicht vernetzt, einfach, interaktiv und effizient.

Einige Städte bauen Testfelder für automatisiertes und vernetztes Fahren auf. Der neue Mobilfunkstandard 5G ist dafür eine hilfreiche Ergänzung. Wichtiger wird allerdings die Nahfeldkommunikation sein, die das Fahrzeug mit Ampeln, intelligenten Verkehrszeichen und anderen Verkehrsteilnehmern direkt vernetzt. Ein connected car nutzt also vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten, denn vernetztes und später autonomes Fahren muss auch in einem Funkloch sicher funktionieren.

Smart Cities benötigen Fachkräfte. IT-Experten sind aber nicht nur in der Verwaltung gefragt, sondern auch in vielen Unternehmen. Daher muss die öffentliche Verwaltung attraktive Arbeitsplätze und ein angemessenes Bezahlungssystem bieten. Ohne ausreichende Ingenieure und IT-Experten stockt nicht nur die Digitalisierung, auch Planungs- und Bauaktivitäten der Kommunen können nur verzögert oder gar nicht durchgeführt werden. Digitalisierung und Smart Cities müssen im Fokus der verantwortlichen Politiker stehen. Wo sich so etwas wie ein „Chief Digital Officer“ etabliert, also in Regierungen ein Minister oder mindestens ein eigener Staatsekretär für Digitales, geht die Entwicklung der Digitalisierung erfolgreiche Wege. Das gilt natürlich auch für Kommunen.

Informations- und Kommunikationstechnologien verbrauchen schon heute immer mehr Ressourcen. Wie lässt sich sicherstellen, dass Smart Cities nicht mehr Probleme schaffen, als sie lösen?
Ein Schwerpunkt der nachhaltigen strategischen Ansätze einer Smart City liegt auf der Ressourcenoptimierung einer Stadt. Wenn durch die Informations- und Kommunikationstechnik der Verkehr in den Städten flüssiger gehalten werden kann, Parkplatzsuchverkehr minimiert wird und durch Optimierung der ÖPNV stärker genutzt wird, wirkt sich das auch vermindernd auf die Emission der Treibhausgase aus.

Ein großer Teil der IKT-Infrastruktur steckt übrigens in Rechenzentren. Die Investitionen dafür in Deutschland wachsen jährlich um ca. 10%. Deutsche Rechenzentren gehören zu den energieeffizientesten weltweit. Nach einer borderstep-Studie stieg der Energiebedarf der ca. 2,3 Millionen Server in Deutschland im Jahr 2016 um knapp 4%, der Energiebedarf der Speicher-Systeme sogar um fast 7%. Das Bundeswirtschaftsministerium ließ ermitteln, dass der Energiebedarf der Rechenzentren bis zum Jahr 2025 auf 16,4 Mrd. kWh ansteigen wird. Die Hauptverursacher sind aber nicht die Smart Cities, sondern wir alle. Umso wichtiger ist es, die entstehende Abwärme besser nutzen zu können. Die Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland unter dem Dach von eco-Verband der Internetwirtschaft weist jedoch auf die mangelnde Wirtschaftlichkeit hin. Viele Rechenzentrumsbetreiber sehen keine geeigneten Abnehmer für die Wärme. Im Vergleich zu anderen Ländern verhindern in Deutschland die hohen Stromkosten für Wärmepumpenstrom die Wirtschaftlichkeit der Abwärmenutzung. Ressourcenverbrauch und Nachhaltigkeit sind für eine Smart City sehr wichtig. Die wirksamen Stellschrauben sind aber, wie das Beispiel Rechenzentren zeigt, an anderer Stelle zu suchen.

In den Kommunen liegen viele Daten bereits vor – wer sollte zu welchen Bedingungen Zugriff auf amtliche Daten bekommen?
Unter dem Begriff „Open Data“ legen die Verwaltungen bereits jetzt für jeden nutzbare Daten offen, beispielsweise Geodaten oder Bebauungspläne, auch das sind amtliche Daten, jedoch nicht personenbezogen. Sie sollten jedem offenstehen, der sie benötigt. Anders sieht es mit personenbezogenen Daten aus. Hier müssen die bestehenden Datenschutzvorschriften beachtet werden. Eine Zwischenstellung haben sogenannte anonymisierte oder pseudonymisierte Daten, die einer Smart City z. B. helfen können, Verkehrsströme in Echtzeit zu erfassen und zu regeln. Sie dürfen keine Rückschlüsse auf die Identität der Betroffenen zulassen. Solche Daten können u. a. Handy-Daten sein, über die sich Standort und Bewegungsprofile erfassen lassen. Sie müssen beispielsweise auch denjenigen zur Verfügung stehen, die Verkehre planen, leiten oder für Baumaßnahmen zuständig sind.

Wie sollte bei Smart-City-Lösungen der Datenschutz für die Bürger gewährleistet werden?
Wie bei anderen Lösungen auch! Die technischen und organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen müssen dem vorgeschriebenen Standard entsprechen. Wir haben uns als Berufsverband der Ingenieure immer für einen wirksamen Datenschutz und die wirksamsten technischen Lösungen dazu eingesetzt. Neben der Technik ist auch der Mensch ein Angriffspunkt für Datendiebe oder Cyberangriffe. Daher müssen auch in Verwaltungen regelmäßige Sensibilisierungen zum Datenschutz stattfinden. Wenn in einer Smart City alle Bürger in ständiger Kommunikation miteinander und mit ihrer Stadt leben, werden viele Daten ausgetauscht. Letztlich muss aber der Bürger wissen, was mit seinen Daten geschieht und ggf. auch einwilligen.

Aus unserer Sicht zeichnet die Smart City mit Vernetzung und Kommunikation ein spannendes Bild der Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnik, um urbanes Leben für alle Bewohner einfacher, effizienter, gesünder, ressourcenschonender und nachhaltiger zu machen. Derzeit sehen wir eine zunehmende Sammlung von Einzelprojekten. Der Bund hat ein Volumen von insgesamt 750 Mio. Euro für die nächsten 10 Jahre zur Förderung von Smart City-Projekten eingeplant. Die Entwicklung wird also weitergehen und ich freue mich, dass unsere Branche einen bedeutenden Anteil am Gelingen hat.

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