Wie bewerten Sie den aktuellen Stand des Digitalisierungsprozesses im Bankgewerbe?
Wie alle Branchen unterliegt auch der Finanzsektor einer digitalen Transformation – nicht zuletzt, weil er zur Digitalisierung geradezu einlädt, da Finanzinstitute aus Daten und Regeln bestehen. Daten und Regeln liefern die Grundlage für die Digitalisierung und Automatisierung des Sektors. Die wesentlichen Treiber der Digitalisierung sind die Technologien der Künstlichen Intelligenz und Robot Process Automation (RPA), Blockchain (Kryptowährungen, Decentralized Finance, Pay-per-Use-Modelle in der Unternehmensfinanzierung), Chat Bots und andere Instrumente der direkten Kundenansprache. Grundsätzlich möchten die Finanzinstitute die Kunden dort abholen, wo sie zukünftig sein werden – nämlich im digitalen Raum. Der physische Kontakt mit dem Kunden dürfte ein Premium-Produkt werden.
Der Fortschritt bei der Digitalisierung im Finanzsektor ist allerdings im Vergleich der Länder und Institute sehr unterschiedlich. Die deutschen Banken haben im Vergleich zu den französischen oder spanischen Banken sicher noch Aufholbedarf. Die Banking-Erfahrung dürfte in fernerer Zukunft wohl in erster Linie durch aus Asien kommende Innovationen und Ideen geprägt sein.
Gemäß der DIHK Digitalisierungsumfrage 2021 liegt in Deutschland der Finanzsektor hinter der IKT-Industrie, aber vor dem Dienstleistungssektor und der Industrie beim Thema Digitalisierung. Die Digitalisierung des Finanzsektors dürfte weiter zunehmen.
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Ist die Digitalisierung vor allem Dienst am Kunden oder bietet sie im Effekt nur neuartige Möglichkeiten, Geld zu verdienen bzw. Kosten zu sparen?
Beides – denn niedrigere Kosten und neue Geschäftsmodelle sind auch im Sinne der Kunden. Oberstes Ziel aller Digitalisierungsmaßnahmen ist eine sehr gute digitale Nutzererfahrung.
Welche Gefahren lauern bei neuen Finanzdienstleistungen, wie steht es um die IT-Sicherheit und den Datenschutz bei digitalen Finanztransaktionen?
Nichts im Internet ist zu 100 Prozent sicher. Datenschutz und IT-Sicherheit stehen daher an oberster Stelle der Aufmerksamkeit der Banken und der Finanzaufsicht. Es gibt wohl keinen Sektor, der so gut mit Daten umzugehen gelernt hat, wie der Bankensektor. Hacks von Daten finden zumeist bei nicht regulierten Finanzentitäten statt. Nicht zuletzt im Interesse der Kunden plädieren die Banken schon lange für ein Level-Playing-Field, d.h. eine Gleichbehandlung in der Regulierung zwischen Banken einerseits und neuen Spielern im Finanzsektor andererseits – allen voran den Big Tech-Firmen. Es kann z. B. nicht sein, dass es Fin Tech- und Big Tech-Firmen erlaubt ist, die Kundendaten in einem Maße zu analysieren und zu behandeln wie es im E-Commerce-Sektor gang und gäbe ist. Auch kann es nicht sein, dass diesen neuen Spielern diesbezüglich mehr erlaubt wird als den Banken. Wer wie eine Bank agiert, sollte auch wie eine Bank reguliert werden. Neue Finanzdienstleistungen müssen zudem immer von der Finanzaufsicht zugelassen sein. Für die Kunden problematisch sind v. a. neue Finanzdienstleistungen, die von nicht regulierten Unternehmen angeboten werden (sog. Schattenbanken). Hier lauern die größten Cyber-Sicherheiten.
Ist eine adäquate Bankenaufsicht über digitale Finanzgeschäfte gewährleistet?
Ja – die Bafin zeigte sich in den letzten Jahren erstaunlich offen gegenüber neuen Finanzgeschäftsmodellen. Natürlich gehen Innovationen immer mit Risiken und Chancen einher. Die Finanzaufsicht will sich diesen Chancen nicht verschließen und sieht auch deren Notwendigkeit, geht es doch auch um einen Standortwettbewerb bei Finanzdienstleistungen. Die Finanzaufsicht muss aber gleichzeitig hier selbst dazu lernen. Neue Themen wie Blockchain sind nämlich extrem komplex, der Fortschritt ist rasant und die Finanzaufsicht konkurriert mit der Privatwirtschaft um IT-Talente.