Wie kann man sicherstellen, dass alternative Kunststoffe wirklich nachhaltig sind?
Nachhaltig? Die Menschheit beutet die Natur weit mehr aus als sie vertragen kann, verhält sich also nicht nachhaltig. Die Frage ist eher, ob und womit sie diese Ausbeutung reduziert. Der Green Deal fokussiert uns in der EU nun auf die Klimaneutralität, das wohl drängendste menschenverursachte Problem, und dies vernünftiger Weise, ohne andere Aspekte der Nachhaltigkeit ganz außer Acht zu lassen.
Wenn wir diese Priorisierung für die nächsten knapp drei Jahrzehnte akzeptieren, bedeutet dies, Produkte mit dem geringeren Carbon-Footprint während Herstellung und Gebrauch zu bevorzugen. Was viele nicht wissen: beim Carbon Footprint und sogar bei weit umfassenderen Ökobilanzen sind Produkte aus Kunststoff oft die Gewinner.
Mit zunehmendem Einsatz von regenerativen Energien werden Produkte und Dienstleistungen aller Art und aus allen Werkstoffen weniger klimaschädlich als bislang. Die chemische und die pharmazeutische Industrie eint jedoch etwas Besonderes: Sie benötigt den Kohlenstoff nicht nur in Form von Energie, sondern auch als Rohstoff für ihre Produkte. Wer also auf Medikamente und Kunststoffe nicht verzichten will, muss bis 2050 die Rohstoffbasis auf „Erneuerbaren Kohlenstoff“ umstellen.
Erneuerbarer Kohlenstoff heißt in der Kunststoffbranche in erster Linie: Recycling, Recycling, Recycling! Hier hoffen wir, zwei Drittel der Kohlenstoffmengen her zu bekommen, aber das erfordert recyclinggerechte Gestaltung und eine Kaskadennutzung. Die auch bis 2050 nicht-rezyklierbaren Mengen müssen mit aus CO2 gewonnenen Kunststoffen sowie mit Kunststoffen aus natürlichen Rohstoffen (biobasierten Kunststoffen) „aufgefüllt“ werden.
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Stehen wir in Sachen Biokunststoffe vor einer neuen Tank-oder-Teller-Diskussion?
Nein, nein, hier wird oft der Biomassebedarf für Kunststoffe mit dem Bedarf für heutige Mengen an Heiz- und Kraftstoffen verwechselt, der um ein Vielfaches größer ist. Aktuelle Ergebnisse des Nova-Instituts in Hürth ergeben eine zusätzliche Agrarflächennutzung von nur 0,7 %, wenn sogar 100 % des aktuellen globalen Kunststoffbedarfs durch biobasierte Kunststoffe ersetzt würde. Dies erzeugt keine Nahrungsmittel- oder Futtermittelknappheit!
Wie steht es bei Biokunststoffen um das Prinzip der Kaskadennutzung, das in ihrem Fall bedeuten würde, sie zunächst stofflich in langlebigen und reparierbaren Produkten einzusetzen, später zu recyceln und zuletzt energetisch zu verwerten?
Eine intelligente Kreislaufwirtschaft fordert nicht nur von Produkten aus Kunststoff, erst Recht nicht nur von Produkten aus Biokunststoff eine Kaskadennutzung: Reparieren und Wiederverwenden! Wenn das nicht mehr geht: mechanisch recyclen; dann chemisch recyclen, dann – erst, wenn es nicht anders geht – Verbrennen unter Nutzung des CO2!
Muss in diesem Zusammenhang die Frage eines effizienten und umfassenden Recyclingsystems stärker in den Vordergrund rücken?
Gerade in Deutschland sind wir hier bereits sehr weit. Um höhere Recyclingquoten – auch im Nicht-Verpackungsbereich – zu erzielen, müssen auch in Deutschland noch mehr Produkte recyclinggerechter gestaltet und das Sammeln und Trennen noch bürgernäher angeboten werden. Eine Wertstofftonne – wie es sie in mehreren Kommunen bereits gibt – würde es dem Endkonsumenten noch leichter machen, Produkte aller Art dem richtigen Kreislauf wieder hinzuzufügen.