Ein Ziel der geplanten Wasserstrategie ist es, Nutzungskonflikten vorzubeugen. Wer sollte aus Ihrer Sicht bei den aufzustellenden Nutzungshierarchien ganz oben stehen?
Die Sicherung der öffentlichen Trinkwasserversorgung verdient ganz sicher den Vorzug. Darauf haben sich zwischenzeitlich die Umweltminister der Länder verständigt. Nordrhein-Westfalen ist in der Novelle des Landeswassergesetztes vorgeprescht, hat damit aber offene Punkte aufgedeckt. Dort heißt es im § 37 Abs. 2: „Wasserentnahmen der öffentlichen Wasserversorgung, soweit sie die öffentliche Trinkwasserversorgung und damit die Gesundheit der Bevölkerung sicherstellen, haben Vorrang vor anderen Wasserentnahmen.“ Nicht alle Entnahmen aus dem öffentlichen Netz dienen der Gesundheit der Bevölkerung. Produzierendes Gewerbe, Handwerk oder Industrie, soweit sie aus dem Netz entnehmen, würden bevorzugt gegenüber Landwirtschaft oder sogar Wettbewerbern, wenn diese in der Nutzungshierarchie nachrangig behandelt würden. Hier bedarf es einer Klärung. Aber auch bei einer Bevorzugung der öffentlichen Trinkwasserversorgung sollte durch diese sichergestellt werden, dass Wasserverluste durch defekte Leitungen oder andere Ineffizienzen vermieden werden. Den bevorzugten Wasserversorgungsunternehmen sollten Wasserversorgungskonzepte und Bedarfsprognosen abverlangt werden können – ebenso wie allen anderen Wassernutzern.
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Verbundnetze und Fernleitungen sollen die ortsnahe Wasserversorgung ergänzen. Wie bewerten Sie das?
Angesichts der Folgen des Klimawandels auf die Entwicklungen mancher Wasserdargebote bspw. in Unterfranken oder in Ostwestfalen erscheint es unverzichtbar, die öffentliche Trinkwasserversorgung durch regionale Verbünde oder Fernwasserleitungen abzusichern. Zwar postuliert das Wasserhaushaltsgesetz in § 50 Abs. 2 das „Prinzip der Ortsnähe“ der Versorgung und dessen Vorrang vor ortsferner Versorgung, aber wenn Ortsnähe faktisch unmöglich ist, wird die Sicherheit Vorrang haben müssen. Angesichts dieser Entwicklungen darf man durchaus von einem „Auslaufmodell Ortsnäheprinzip“ sprechen, was im Umkehrschluss die Notwendigkeit von „Back-up“-Lösungen für eine resiliente Wasserversorgung unverzichtbar machen wird. Aber auch hier sollten den Entscheidungen regionale Wasserversorgungskonzepte als Verzahnung vorliegender lokaler Konzepte zugrundliegen (siehe u.a. Wasserversorgungskonzepte in NRW* oder „Leitbild für ein Integriertes Wasserressourcen-Management Rhein-Main“ **).
Im Rahmen der Strategie soll auch der Datenaustausch zwischen den zuständigen Stellen in Bund, Ländern, Kreisen und Kommunen verbessert werden. Welchen Beitrag kann das zu einer sicheren Wasserversorgung leisten?
Der Datenaustausch setzt deren Verfügbarkeit voraus. Es ist teilweise erschreckend, wie schlecht die Datenbasis der Behörden und politischen Entscheidungsträger zu Wasser hierzulande zu sein scheint. Hier ist eine eklatante „Daten-Dürre“ zu erkennen. So zeigten sich auf eine Anfrage in NRW zahlreiche Wasserbehörden unwissend, welche Mengen an Wasser auf Basis der erteilten Entnahmerechte tatsächlich entnommen worden sind. Ähnliches räumt das Bayerische Umweltministerium ein und erklärt, dass die „tatsächlichen Bewässerungsanlagen um den Faktor 5 bis 7 höher liegen als die genehmigten Anlagen“.
Zum Thema Datenaustausch hat die bayerische Staatsregierung erst im September zum Thema „Bewässerung in Bayern“ bewiesen, wie schlecht die Datenbasis auf Ebene der Regierung und der Austausch mit den Gebietskörperschaften ist.*** Zudem ist es ein hehres Ziel, einen Datenaustausch zu betreiben, wenn die Systeme immer noch mit einem Bein im analogen Zeitalter stecken. Auch gibt es meines Wissens noch kein Bundesland, dass die Wasserbücher digitalisiert hat. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
In einem Sofortprogramm sollen in den kommenden 10 Jahren jeweils 100 Millionen Euro für einen besseren Zustand der Gewässer eingesetzt werden. Inwieweit muss die neue Bundesregierung da nachlegen?
Die gesetzlichen Grundlagen und Instrumente für den Schutz der Gewässer müssen dringend verschärft werden. Hier wird es insbesondere auf das Verursacherprinzip und die Vermeidung ankommen. Diese Grundprinzipien werden hierzulande stiefmütterlich behandelt. Nicht umsonst stand Deutschland wegen des Verstoßes gegen die Nitratrichtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof. Zudem versucht die Wasserwirtschaft seit Jahren Gehör für eine Novellierung der Abwasserabgabe zu finden, bei denen die Verursacher verstärkt zur Kasse gebeten werden. Das „Polluter-pays-principle“ sollte in Deutschland endlich stärker Wirkung für den qualtitativen Gewässerschutz entfalten. Wenn der Staat mehr Mittel bereitstellen – ohne dies wird es womöglich nicht gehen, dann zahlen am Ende die Bürger mit ihren Steuern für die Gewässerverschmutzer. Wer will das schon? Auch gibt es für den quantitativen Gewässerschutz ein Instrument: die Wasserentnahmeentgelte.**** Bei den Vorarbeiten zum Entwurf der Nationalen Wasserstrategie, bei denen ich als Mitglied des nationalen Wasserforums mitwirken durfte, haben wir wenigen Ökonomen wiederholt auf derartige Instrumente hingewiesen. So entstehen ökonomische Anreize, weniger Wasser zu nutzen und die Zahlungspflichtigen werden für die Umweltkosten herangezogen. In der Wasserstrategie findet sich ein „Bundesweites Wasserentnahmeentgelt“ im Maßnahmenkatalog wieder*****. Damit antwortet der Bund auf die Untätigkeit mancher Länder. Sicher bleiben noch offene Positionen, für die die Bundesregierung zusätzliche Mittel bereit stellen wird, aber zunächst sollen die Verursacher zahlen.
* https://www.lebensraumwasser.com/sicherheit-in-der-trinkwasserversorgung-in-nrw-landesregierung-berichtet-fragen-bleiben/
** https://www.lebensraumwasser.com/wie-hessen-den-umgang-mit-wasser-nachhaltiger-gestalten-will/
*** https://www.lebensraumwasser.com/bewaesserungspolitik-in-bayern-denn-sie-wissen-nicht-was-sie-tun/
**** https://www.lebensraumwasser.com/brauchen-wir-hoehere-wasserentnahmeentgelte-um-das-wassersparen-zu-foerdern/
***** Nationale Wasserstrategie, KURZFASSUNG Seite 4, LANGFASSUNG S. 66