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Mehr Wasserstress durch den Klimawandel

Wie die Politik für genug sauberes Wasser sorgen sollte

Dr. Durmus Ünlü - Geschäftsführer, Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW) Quelle: Frederic Schweitzer Dr. Durmus Ünlü Geschäftsführer Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW) 29.09.2021
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Dr. Durmus Ünlü von der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW) erinnert daran, "dass der Zugang zu einwandfreiem und sauberem Trinkwasser als fester Bestandteil der Verwirklichung aller Menschenrechte anerkannt ist". Für einen guten Zustand der Gewässer sieht er hohen Finanzbedarf - aber nicht nur.







Ein Ziel der geplanten Wasserstrategie ist es, Nutzungskonflikten vorzubeugen. Wer sollte aus Ihrer Sicht bei den aufzustellenden Nutzungshierarchien ganz oben stehen?
Oberste Priorität muss das Ziel haben, Nutzungskonflikten vorzubeugen und Nutzungskonkurrenzen zu reduzieren. Hier ist bei anderen Akteuren noch viel Potential auszuschöpfen, wenn wir den Schutz des Natur- und Wasserhaushalts mitberücksichtigen wollen. Durch den Klimawandel verschärft sich die Situation. Soweit es aufgrund von Wasserstress zudem auf eine Nutzungshierarchie der vorhandenen und nutzbaren Wasserressourcen ankommt, ist zu berücksichtigen, dass der Zugang zu einwandfreiem und sauberem Trinkwasser als fester Bestandteil der Verwirklichung aller Menschenrechte anerkannt ist. Diese herausgehobene Stellung des Zugangs zu einwandfreiem Trinkwasser ist in der Daseinsvorsorge i.S.d. § 50 Abs. 1 WHG verankert und hat insoweit Vorrang. Die Städte und Gemeinden haben nach Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) nicht nur das Recht, sondern vielmehr auch die Pflicht zur Daseinsvorsorge, der sie mit der ortsnahen Wasserversorgung bester Güte nachkommen müssen. Trotz der bestehenden Rechtslage, die den Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung gewährleisten soll, wird dem in der Praxis nicht immer hinreichend Rechnung getragen.

Insgesamt ist ein sorgsamerer Gebrauch von allen Nutzungsgruppen notwendig. Im Fokus muss aber auch der Nutzen des Wassers stehen: weg vom Ableiten des Regenwassers hin zum Nutzen durch wassersensible Siedlungen. Es ist nötig, dass Anreize für effiziente Wassernutzung geschaffen werden, daher sprechen wir uns auch gegen eine Privilegierung der Landwirtschaft oder der Industrie durch niedrigere Wasserentnahmeentgelte aus. Ebenfalls zu prüfen ist die Senkung des Wasserbedarfs durch eine klimaangepasste sog. „Schwammstadt“.

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Verbundnetze und Fernleitungen sollen die ortsnahe Wasserversorgung ergänzen. Wie bewerten Sie das?
Auf Grund des Klimawandels wird es zu einer Verstärkung von Wasserstress kommen, so dass häufiger regionale Wasserknappheiten eintreten können. Daher sprechen wir uns dafür aus, auf lokaler und regionaler Ebene öffentliche Kooperationen zu prüfen. So könnten lokale Engpässe durch Verbund- oder Notleitungen ausgeglichen werden oder vorrangig ortsnah der Wasserbedarf gedeckt werden.

Die kommunale Vernetzung und ggf. der Bau zusätzlicher Anlagen erfordern Investitionen, die nicht ausschließlich über die Trinkwassernutzer refinanziert werden können. Deshalb sind zur Erhöhung der Versorgungssicherheit Bundes- und/oder Landesmittel notwendig. Außerdem müssen für die Kommunen mehr Anreize und bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Maßnahmen zur kommunalen Klimafolgenanpassung und Sicherstellung der klimaresilienten Wasserversorgung planen zu können.

Im Rahmen der Strategie soll auch der Datenaustausch zwischen den zuständigen Stellen in Bund, Ländern, Kreisen und Kommunen verbessert werden. Welchen Beitrag kann das zu einer sicheren Wasserversorgung leisten?
Der Datenaustausch kann vorausschauendes Handeln verbessern. Die Bedeutung hiervon hat sich insbesondere bei der diesjährigen Hochwasser- und Starkregenkatastrophe gezeigt. Auch im Bereich der sicheren Wasserversorgung spielen Daten eine Rolle, wenn es um qualitative und quantitative Entwicklungen und Trends geht. Entscheidend ist jedoch nicht der Datenaustausch an sich, vielmehr kommt es darauf an, nur relevante Daten auszutauschen, diese richtig auszuwerten und daraus zielgerichtete Maßnahmen abzuleiten. Letztlich hängt dies vor allem von der personellen und finanziellen Ausstattung der genannten zuständigen Stellen ab.

In einem Sofortprogramm sollen in den kommenden 10 Jahren jeweils 100 Millionen Euro für einen besseren Zustand der Gewässer eingesetzt werden. Was sagen Sie zu dieser Summe?
Wir begrüßen jeden Euro, der für einen besseren Zustand der Gewässer eingesetzt werden soll. Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA aus 2018 sind nur 8,4 Prozent der deutschen Oberflächengewässer mit gut oder sehr gut bewertet. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, die den guten ökologischen Zustand der Gewässer fordert, muss bis 2027 umgesetzt werden. In der Nationalen Wasserstrategie des Bundesministeriums für Umwelt wurde festgehalten, dass laut Schätzung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser ein Volumen von 35 Mrd. Euro erforderlich ist, um die Bewirtschaftungsziele der Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen. Die geplante Summe von 100 Millionen Euro ist also nicht einmal 1 Prozent der Kosten für die erforderlichen Maßnahmen. Neben den schwindelerregenden Kosten, dürfen aber die langfristigen Vorteile nicht vergessen werden, den eine intakte Umwelt und gesunde Wasserkörper als Grundlage des Lebens für die gesamte Gesellschaft bedeuten. Dies muss noch deutlicher hervorgehoben und immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Nur so denke ich, dass auch die erforderlichen zusätzlichen Mittel Akzeptanz finden und bereitgestellt werden können. Es werden aber nicht nur finanzielle Mittel benötigt, für die Erreichung der Ziele der WRRL und die Umsetzung braucht es auch die qualifizierten Mitarbeiter:innen. Dies braucht Zeit. Die Weichen dafür müssen nun von der neuen Bundesregierung durch die Annahme der Nationalen Wasserstrategie gestellt werden. Die bereits zugesagten Mittel sind insoweit für die ersten Maßnahmen richtig und wichtig.

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