Die Europäische Kommission hat mit dem EMFA-Vorschlag im Herbst 2022 nicht nur Jubelrufe ausgelöst, insbesondere hier in Deutschland. Es hagelte Kritik an der Kompetenzgrundlage für ein europäisches Medienrecht. Was die allermeisten Akteure allerdings unterstützt haben, war die zutreffende Problembeschreibung, die aus einigen Normen des EMFA spricht: Die Medienfreiheit in Europa und seinen Mitgliedstaaten ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss geschützt werden. Desinformation und Propaganda stellen Demokratien vor eine altbekannte, in ihren Taktiken jedoch neue, Herausforderung. Es braucht Transparenz über die Besitzverhältnisse im Medienmarkt. Illegale Inhalte verbreiten sich tausendfach online. Die Entscheidung darüber, was gesagt werden darf und was nicht, obliegt privatwirtschaftlichen Plattformbetreibern, die zuweilen einen anderen Freiheitsbegriff pflegen als europäische Medienaufsichten. Um nur einige Aspekte aufzuführen, die mit Medienfreiheit korrelieren. All das passiert im modernen Medienmarkt über Grenzen hinweg. Der Schutz der Medienfreiheit ist also vielschichtig, komplex – vielleicht auch schlichtweg kompliziert.
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Die Bedeutung des EMFA für die Medienfreiheit in Europa
Trotz dieser grundsätzlich zutreffenden Herausforderungen für die Medienfreiheit und damit der ehrenwerten Zielsetzung des EMFA wollte die Kritik an ihm seitens der Bundesländer, der Medienschaffenden und der Verleger nicht so richtig abklingen. Als Vertreterin der Medienaufsicht möchte ich nicht nur die lobenswerten Absichten des EMFA, sondern auch seinen ganz praktischen Nutzen einmal hervorheben:
Die Idee, die Medienaufsicht in Europa zu intensivieren und die Zusammenarbeit zwischen unabhängigen europäischen Medienaufsichtsbehörden zu fördern, ist zunächst einmal zu begrüßen. Eine effektivere Regulierung des Medienbereichs kann dazu beitragen, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf freie Meinungsäußerung und auf unabhängige und pluralistische Informationen zu schützen. Der EMFA verleiht der Medienaufsicht länderübergreifend zusätzliche Durchsetzungskraft. Er verbessert und eröffnet die Möglichkeit, die Bevölkerung vor Rechtsverstößen im Netz zu schützen, selbst wenn die Urheber und Adressaten eines Inhalts aus unterschiedlichen Ländern stammen. Dies unterstreicht das Potenzial, ein nie dagewesenes grenzüberschreitendes Schutzniveau im Netz zu etablieren.
Herausforderungen und kritische Aspekte des EMFA
Dennoch ist aus Sicht der Medienaufsicht Kritik angebracht. Ein erster zentraler Einwand zielt auf die politische Unabhängigkeit der Medienaufsicht. Der EMFA betont zwar die Unabhängigkeit der Medienaufsicht von staatlichen Einflüssen, einschließlich denen der Europäischen Kommission. Allerdings muss politische Einflussnahme in jeder Hinsicht ausgeschlossen sein. Das gilt auch für die vermeintlich kleine Frage, wie die bei der EU-Kommission angesiedelte Administration des neu geschaffenen Gremiums für Mediendienste vollständig unabhängig von der politischen Arbeit der EU-Kommission arbeiten kann. Irgendwie ist es bemerkenswert, dass das überhaupt bemerkenswert ist.
Zweitens: Der Schutz wesentlicher Inhalte im Netz vor der Macht der Plattformen bleibt eine Herausforderung. Denn Plattformbetreiber entscheiden über die Sichtbarkeit von Medieninhalten online, indem sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen durchsetzen. Der EMFA stellt also nicht zweifelsfrei fest, dass nationale Aufsichtsbehörden diejenigen sind, die die Grenzen der Meinungsfreiheit ziehen müssen, und nicht multinationale Plattformen. Dies würde eine noch deutlichere Stärkung des Grundrechts der Meinungsfreiheit bedeuten.
Potenzial der europäischen Kooperation und zukünftige Schritte
Die europäischen Rechtsgrundlagen, einschließlich des EMFA, müssen nun konsequent und effektiv angewendet werden, um die Medienfreiheit in Europa zu schützen. Insbesondere im Bereich des Jugendmedienschutzes, der demokratischen Grundregeln und der Menschenwürde im Netz gibt es dringenden Handlungsbedarf. Das belegen die letzten Monate seit Oktober 2023 mit trauriger Aktualität und im bestürzenden Ausmaß.
Die Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden in Form bilateraler grenzüberschreitender Kooperationsverfahren hat sich bereits als erfolgreich erwiesen. Diese Praxis sollte in allen EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden, um Lücken in der Rechtsdurchsetzung zu schließen.
Insgesamt zeigt die Einigung zum EMFA sowohl positive als auch kritische Aspekte in Bezug auf die Medienpolitik in der EU auf. Wir hätten uns sowohl beim Medienprivileg als auch bei der Sicherung der Unabhängigkeit der Medienaufsicht mehr vorstellen können.
Jetzt ist es aber entscheidend, die gemeinsame Stärke der nationalen Medienaufsichten zu nutzen und die Chancen, die der EMFA in Hinblick auf die Zusammenarbeit bietet, voll auszuschöpfen. Dabei werden wir insbesondere mit wachsamen Auge auf die Unabhängigkeit der Medienaufsicht blicken.