Wie steht es aktuell um die Digitalisierung der dualen Berufsausbildung? Hat die Corona-Pandemie einen Schub ausgelöst? Die Logik lässt das vermuten, aber in unserer Fachdebatte zeigen die Experten, dass es ganz so einfach nicht ist.
Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) etwa konstatiert für 2020 einen „riesigen Schritt“ in den 103 Berufsschulen des Freistaats. Allerdings weiß er auch um Mängel bei WLAN-Ausstattung und Netzanbindung, setzt aber bei der Auflösung des bestehenden Investitionsstaus auf den Digitalpakt zwischen Bund und Ländern.
Nach Ansicht von Christian Otto Groetsch, Geschäftsführer der Jenaer Digitalagentur dotSource GmbH, hat auch in diesem Bereich Deutschland die Digitalisierung verschlafen. Was also tun? Die Förderung durch Bund, Länder und Kommunen sollte einerseits umfangreicher ausfallen, andererseits nimmt er die Wirtschaft in die Pflicht: "Die Unternehmen sind selbst dafür verantwortlich, den Azubis die Digitalisierung näher zu bringen."
Claudia Ade, Manager Trainees and Talents beim Münchner IT-Dienstleister CANCOM, hingegen sieht die Schwächen vor allem anderswo: "Defizite bestehen neben der technischen Ausstattung vor allem in veralteten Lehrplänen und in der Lehrerfortbildung hin zu mehr digitalem Know-how.“ Dem schließt sich Carsten Berg, stellvertretender Geschäftsführer und Leiter Ausbildung operativ der IHK zu Köln, an. Auch er weiß um unterschiedliche Ausstattung und Qualität der Infrastruktur in Betrieben und Berufsschulen. „Eine entsprechend an den Bedarfen der Wirtschaft ausgerichtete technische Ausstattung von berufsbildenden Schulen, inklusive der permanenten Weiterbildung von Lehrpersonal, ist daher unbedingt sicherzustellen.“
Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), sieht die Digitalisierung der Berufsausbildung auf "einem guten Weg". Mannigfaltige Förderungen der verschiedensten Institutionen, beispielsweise durch das seit 2016 laufende Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung, wirkten befeuernd. „Die Evaluation des Programms zeigt, dass durch die Förderung die Digitalisierung in der überbetrieblichen Ausbildung beschleunigt wurde.“
Zustimmung kommt aus Stuttgart von Hubert Romer, Geschäftsführer des WorldSkills Germany. Der Verein fördert nationale und internationale Berufswettbewerbe. Ihm fällt aber die mangelhafte Kooperation, der fehlende Austausch aller Akteure in der Berufsbildung auf. Wie das besser geht: „Es müssen vor allem Lehrende an Schulen, Ausbilderinnen und Ausbilder und Lehrende an überbetrieblichen Ausbildungszentren gemeinsam geschult werden. Sie müssen sich austauschen und vernetzen können. So können alle ihr Know-how übertragen. Das geschieht jedoch oft gar nicht oder zu wenig.“
Steffen Rusetzki, Geschäftsführer des regionalen Bildungsdienstleisters Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld e. V. weist auf den Aspekt der permanenten Entwicklung hin: Die Digitalisierung habe in die Ausbildung Einzug gehalten, was sich durch Klassifikation diverser Ziele behaupten und durch den Abgleich von Referenzwerten messen lasse. "Einen Endstand wird es aufgrund des technologischen Fortschritts und der ständigen Weiterentwicklung von Technologien und Innovation nicht geben."