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Drei Voraussetzungen für begeisternde Games

Und wie diese in der Wirtschaft eingesetzt werden können

Prof. Dipl. Des. Marco Zeugner - Professor für Multimediale Sachkommunikation, Hochschule Merseburg Quelle: HoMe Prof. Marco Zeugner Professor für Multimediale Sachkommunikation Hochschule Merseburg 08.07.2022
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"Gamifizierte Prozesse können mithilfe von technischen Lösungen umgesetzt werden aber auch komplett darauf verzichten", betont Prof. Marco Zeugner von der Hochschule Merseburg. Für die Wirtschaft sieht er einiges Potenzial in der Gamifizierung - wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.







Nach neueren Untersuchungen lassen sich mittels Gamifizierung etwa Produktionssteigerungen erzielen, bessere Mitarbeiter rekrutieren oder Kunden binden. Welche Potenziale sehen Sie durch Gaming-Elemente in der Wirtschaft?
Um die Potentiale richtig abschätzen und einordnen zu können, möchte ich zunächst auf die zugrundeliegenden Wirkmechanismen spielbasierter Prozesse eingehen. Warum erzeugt das Thema „Gamifizierung“ in der Wirtschaft oder die „spielbasierte Wissensvermittlung“ im Bereich der Aus- und Weiterbildung ein solch großes Interesse? Der Grund ist eine beachtliche motivationale Wirkung, die dem Spielen eigen ist. Spielerinnen und Spieler investieren laut aktuellen Erhebungen oft mehrere Stunden am Tag in das Spielen von Computer- und Videospielen. Sie widmen sich dabei freiwillig und mit großem Engagement dem Lösen von komplexen Aufgaben und dem Überwinden von schwierigen Herausforderungen. Es wäre doch toll, wenn man eine solche Hingabe auch in spielfremden Kontexten auslösen könnte, um Probleme und Herausforderungen des Alltags oder in wirtschaftlichen Prozessen zu meistern.

Um die positiven Effekte des Spielens nun auf spielfremde Bereiche übertragen zu können, muss man verstehen, wie Spiele funktionieren und worin das hohe Begeisterungspotential verborgen liegt. Eine spielerische Handlung ist dann motivierend, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind. Die Handlung muss freiwillig durchgeführt werden, sie muss bedeutsame Herausforderungen beinhalten, welche erfolgreich durch eigene Leistung gemeistert werden und sie muss in einem Rahmen von Sicherheit und Vertrautheit stattfinden. Wenn diese drei Bedingungen erfüllt sind, werden im Gehirn der Spielenden neurologische Prozesse in Gang gesetzt, welche eine Art Belohnungssystem beinhalten. Es fühlt sich folglich toll und motivierend an, wenn man in einem solchen Rahmen erfolgreich spielt. Spielerinnen und Spieler sind stolz auf ihre eigene Leistungsfähigkeit, denn sie fühlen sich kompetent. Psychologen bezeichnen ein solches Gefühl als intrinsische Motivation. Diese besitzt eine Qualität und Kraft, welche mithilfe von Spielen auch in spielfremden Kontexten erzeugt werden soll.

Eine Person, die intrinsisch motiviert agiert, erledigt Aufgaben freiwillig und mit Genugtuung. Welches Unternehmen hätte nicht gerne solch zufriedene Mitarbeiter und entsprechende Kunden? Das Interesse an diesem Aspekt ist also plausibel. Jedoch ist es nicht so einfach, die intrinsische Motivation im Rahmen einer Gamifizierung oder eines spielbasierten Prozesses zu erzeugen. Damit das gelingt und man die vollen Potentiale nutzen kann, müssen die Prozesse auf Freiwilligkeit beruhen oder zumindest ein hohes Maß an autonomen Entscheidungen ermöglichen. Weiterhin müssen die Arbeitsaufgaben ein bedeutsames Niveau besitzen oder durch Kontextualisierung entsprechend mit Bedeutsamkeit aufgeladen werden. Denn intrinsische Motivation stellt sich nicht ein, wenn man eintönige, belanglose Tätigkeiten ausführen muss. Und zu Letzt muss der gamifizierte Prozess in einem Umfeld von Vertrauen und Sicherheit stattfinden. Dies bedeutet, dass jeder Mitarbeiter ein klares Aufgabenziel kennt und somit Orientierung hat. Zudem sollte man beim Lösen von Aufgaben auch einmal einen Fehler machen dürfen und es sollte einen Ansprechpartner geben, an dem man sich vertrauensvoll wenden kann und bei dem man Hilfe bzw. Unterstützung findet.

In der Art gestaltete wirtschaftliche Prozesse ermöglichen den Mitarbeitenden motivierter zu arbeiten, dies führt zu einem positiven Betriebsklima, das wiederum Voraussetzung für ein modernes, erfolgreiches Wirtschaften ist.    

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Insbesondere bei der Weiterbildung liegen Gaming-Elemente im Trend. Welche Potenziale sehen Sie in diesem Bereich?
Im Grunde liegt auch im Bereich der Aus- und Weiterbildung das hohe motivationale Potential spielbasierter Lernprozesse im Kern des Interesses. Besonders vielversprechend ist in meinen Augen die Vorstellung, dass das Spielen mit dem Lernen gleichgesetzt werden kann. Das spielerische Erweitern der eigenen Kompetenzen ist demnach die wahre Form des Lernens. Babys und Kleinkinder nutzen diese Art des Entdeckens und Erkundens, um sich grundlegende motorische und kognitive Fähigkeiten anzueignen. Dabei werden durch das autonome, selbstbestimmte Lösen von bedeutsamen Herausforderungen und Problemen neuronale Netze (Verschaltungen) im Gehirn stabilisiert oder neu gebildet. Diese Vorgänge lösen den eingangs schon erwähnten Belohnungseffekt aus. Daraus folgt auch für schulische und betriebliche Schulungen: wenn Lernprozesse weitestgehend selbstbestimmt ablaufen (z.B. durch das Wählen einer eigenen Lösungsstrategie), wenn sie bedeutsam erscheinen (Wofür lerne ich?) und wenn sie in einem schulischen Umfeld stattfinden, das Sicherheit und Vertrauen fördert, dann macht das Lernen Spaß und führt zu gesteigerten Lernergebnissen.

Aktuelle Daten weisen darauf hin, dass jüngere Mitarbeiter der Gamification in der Arbeitswelt offener gegenüberstehen als ältere - was bedeutet das für die den Einsatz von Gaming-Elementen von Unternehmen?
Da in der Sozialisierung jüngerer Mitarbeiter die Computer- und Videospiele eine größere Rolle spielen, besitzen diese meist eine höhere Affinität zu Gaming-Themen. D.h. jüngere Mitarbeiter müssen erfahrungsgemäß in der Regel nicht lange davon überzeugt werden, an gamifizierten Prozessen o.ä. teilzunehmen. Doch auch ältere Menschen spielen zunehmend Games und entdecken dieses Hobby für sich – das zeigen entsprechenden Statistiken zum Spielverhalten in der Gesellschaft.

Mit der passenden Strategie kann man meiner Einschätzung nach auch Mitarbeiter an Gaming-Themen heranführen, die zunächst gewisse Vorbehalte äußern. Jedoch darf man die Grundvorrausetzung für das motivierende Spiel dabei nie aus den Augen verlieren: die Freiwilligkeit. Ein Mitarbeiter, der zum Mitspielen „gezwungen“ wird, hat daran am Ende keinen Spaß und der erhoffte Effekt bleibt aus.     

Welche besonderen Anforderungen müssen die technischen Lösungen erfüllen, um erfolgreich zu sein?
cWichtiger für das Gelingen ist der schon mehrfach genannte Dreiklang von: Freiwilligkeit – bedeutsame Aufgaben – sicheres, vertrauensvolles Miteinander.

So man Technik einsetzt, möchte ich pauschal anmerken, dass sich die gamifizierten Lösungen mit den professionellen Games aus dem Entertainmentbereich messen lassen müssen. Denn diesen Vergleich werden die Mitarbeitenden, welche ggf. privat Spiele spielen, auch ziehen. Sollte die technische Umsetzung dann nicht „auf der Höhe der Zeit sein“, dürfte die gutgemeinte Lösung nicht zum gewünschten vollen Erfolg führen.

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