Der Digitalpakt Schule hatte das Ziel, "leistungsfähige digitale Bildungsumgebungen" zu schaffen - wo stehen die Schulen nun diesbezüglich?
Leider muss man feststellen, dass die Schulen an ganz unterschiedlichen Punkten stehen. Das kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Sie setzt sich dafür ein, dass alle Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte die gleichen Bedingungen an den Schulen haben und die Schuldigitalisierung nicht nach dem Zufallsprinzip läuft. Deshalb muss der Digitalpakt 2.0 an den richtigen Stellen nachjustiert werden. Hierbei hilft nicht das Gießkannenprinzip - Ungleiches muss ungleich behandelt werden. Konkret: Die Mittel aus dem Digitalpakt 2.0 müssen nach sozialen Indikatoren verteilt werden, zum Beispiel nach dem Multiplen Benachteiligungsindex, den die GEW entwickelt hat. So wird sichergestellt, dass die Gelder da ankommen, wo sie am nötigsten gebraucht werden, nämlich bei den Schulen in schwierigen sozialen Lagen und den armen Familien.
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Welche Anstrengungen - und welche Unterstützung vom Bund - sind künftig nötig?
Die GEW schlägt in ihrem Positionspapier für einen Digitalpakt 2.0 vor, die Qualität der Angebote und die pädagogische Profession ins Zentrum zu stellen. Dabei sind nicht nur die Länder, sondern auch der Bund in der Pflicht. Der Finanzierungsanteil des Bundes, der im Digitalpakt bei 50 Prozent lag, darf nicht gesenkt werden. Die Bundesregierung hat Bildung und Digitalisierung als ein Kernanliegen im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Dies darf nicht den Sparplänen des Finanzministeriums zum Opfer fallen. Bildung ist eine Zukunftsfrage!
Mit neuer Technik wachsen auch die Anforderungen an das Lehr-Personal. Wie wird die Lehrerschaft für diese Herausforderung fit gemacht?
Die Lehrkräftefortbildung ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Lehrkräfte brauchen mehr qualitativ hochwertige Fortbildungen, aber auch die Verankerung von Medienkompetenz in allen drei Phasen der Lehrkräftebildung. Gleichzeitig sollten Lehrkräfte in den Bildungseinrichtungen Unterstützung durch IT-Administratorinnen und -Administratoren erhalten. Was in Unternehmen Standard ist, sollte in Bildungseinrichtungen ebenso gelten. Stellen Sie sich einmal ein Unternehmen mit 300 Mitarbeitenden ohne IT-Abteilung vor. Das wird schwierig. Von Lehrkräften an Schulen mit hunderten Schülerinnen und Schülern wird aber immer noch erwartet, dass sie diese Arbeit on-top leisten.
Wissenschaftler befürchten, dass digitale Medien sogar negative Auswirkungen auf das Lernen haben könnten. Welches Maß und welche Art der Digitalisierung ist an den Schulen überhaupt sinnvoll?
Mit Ihrer Frage beziehen Sie sich auf eine Stellungnahme des Karolinska Instituts in Stockholm. In der Tat haben sowohl Schweden als auch Dänemark, die lange Zeit als Digitalisierungsvorreiter galten, etwas auf die Bremse getreten. Schweden setzt inzwischen zum Beispiel wieder mehr auf gedruckte Bücher. Einfache Vergleiche helfen aber wenig. Der Stand der digitalen Entwicklung ist in diesen skandinavischen Ländern ganz anders, viel weiter fortgeschritten als in Deutschland. In der Bundesrepublik sprechen wir immer noch davon, dass nicht alle Schulen W-LAN oder eine adäquate Geräteausstattung haben. Die Ranzen sind in der Regel noch mit Büchern vollgepackt.
Aber genau wie man bei der Mediennutzung insgesamt ein gesundes Maß finden sollte, ist es auch bei der Digitalisierung im Schulbereich. Die GEW schlägt einen differenzierten Weg vor: Digitalisierung ja, aber unter dem Primat der Pädagogik. Das ist ein qualitativer Weg. Nicht einfach zu sagen „viel hilft viel“, sondern differenziert zu betrachten, welche Tools und welche digitale Didaktik für welche Fächer sinnvoll und nützlich sind. Auch die aktuelle Debatte um die negativen Auswirkungen digitaler Medien auf das Lernen ist zu polarisiert: Auf der einen Seite erschließen sich EdTechs einen neuen Markt im Bildungswesen und Tools kommen ohne Datenschutzzertifizierung auf den Markt. Auf der anderen Seite gibt es eine Tendenz, digitale Medien per se negativ zu besetzen. Digitale Medien sind aber Teil der Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen und deren Eltern. Schule hat also die Pflicht, einen gesunden Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln. Nur so können wir vermeiden, dass wir Schülerinnen und Schüler großziehen, die die digitale Welt vor allem als Zuschauerinnen und Zuschauer betrachten. Partizipieren und Gestalten lauten die richtigen Schlüsselwörter. Das heißt aber nicht, dass gedruckte Bücher passé sind und die Kinder den ganzen Tag am Tablet sitzen sollten. Eigentlich ist es doch ganz einfach. Wie geht es Erwachsenen nach einem langen Tag am Computer im Büro? Wollen wir eine solche Bildschirm- und Sitzkultur für Kinder und Jugendliche? Sicherlich nicht. Trotzdem braucht es natürlich Bildschirmzeiten im Bildungsbereich, aber in den Schulen muss auch auf ausreichend Bewegung geachtet werden.