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Digitalisierung ist Hoffnungsträger für nachhaltige Mobilitäts- und Verkehrsplanung

Noch ist keine Priorisierung bei der Verkehrspolitik erkennbar

Simone Ulrich, Freie Autorin Quelle: Thomas Herbelßheimer Simone Ulrich Freie Journalistin Meinungsbarometer.info 22.09.2022

Die Verkehrspolitik in Deutschland ist nach wie vor in erster Linie Autopolitik. Und die Digitalisierung gilt bei der nachhaltigen Mobilitäts- und Verkehrsplanung als Hoffnungsträger in diversen Bereichen: Von der Antriebstechnologie über die Fahrgastinformation in Echtzeit bis hin zur Verkehrsvermeidung durch Videokonferenzen. In breiten Teilen der Politik liegt der Fokus auf dem automatisiertem Fahren. So beschreibt es ein Großteil der Experten. Damit werde wieder primär auf technische Problemlösung gesetzt. Wegweisende Entscheidungen zu Verkehrsvermeidung, Verlagerungen sowie Push- und Pull-Maßnhamen drohen dagegen wieder hinten runter zu fallen.

In der praktischen Verkehrsplanung soll Digitalisierung dabei helfen, Verkehr effizient zu organisieren und negative Effekte zu mindern, allen voran CO2- und Feinstaubausstoß. Im digital vermittelten Ridepooling etwa bündeln Beförderungsdienste die Fahrtwünsche der Fahrgäste. Die Anbieter erklären das Ziel, Menschen mit einem flexiblen und komfortablen Angebot dauerhaft vom eigenen Pkw abzuwerben und somit Emissionen pro Personenkilometer zu senken. Schauen wir zu unseren Nachbarn nach Luxemburg oder nach Basel in die Schweiz ergibt sich folgende Einschätzung: Aus Basel heißt es, die Digitalisierung bei der Verkehrsplanung sei ein Hilfsmittel und kein Sebstzweck. Entscheidende Weichen für das Verkehrsgeschehen werden hier in Richtung Raumentwicklung und beim Städtebau gestellt. Digitale Hilfsmittel dienen als Informationsmittel und unterstützen bei der Buchung von ÖPNV--Systemen und Sharingangeboten. In Luxemburg, wo der ÖPNV gratis ist, spielt der digitale Ticketverkauf eine untergeordnete Rolle. Die durch die Digitalisierung generierten Daten fließen hier vielmehr in die Planung weiterer Mobilitätskonzepte ein. Zur Priorisierung: In Luxemburg hat man 70 Jahre lang in ein attraktives Straßennetz investiert, so dass sich hier niemand darüber wundert, dass die Menschen auch auf ihre Autos zurückgreifen. Auf der anderen Seite ist man davon überzeugt, dass, wenn man ausreichend sichere und getrennte Radwege bereitstellen würde, eine ähnliche Nutzung des Angebots zustande käme. In der Schweiz ist die Verkehrsplanung seit Jahrzehnten darauf ausgerichtet, den ÖPNV und das Bahnsystem im Besonderen zu stärken. In Deutschland hat man dies versäumt bzw. hat Straßen weiter ausgebaut und den Ausbau des Schienennetzes vernachlässigt.

In Deutschland, so die Kritik einiger Debattenteilnehmer, findet keine wirkliche Priorisierung des ÖPNV statt, auch wenn sich Bund und Länder darüber Gedanken machen, Konzepte entwerfen und sich dieses Ziel gesetzt haben. Stattdessen ist hierzulande zu beobachten, dass Verkehr eher ziellos gefördert (es gibt den Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket) und somit nicht priorisiert wird. Anders als vermutlich gewollt, ist es so, dass beispielsweise die komplexen, starren Tarifzonen und Zahlgrenzen ÖPNV-Fahrgäste eher abschrecken und nicht ermuntern, die öffentlichen Fahrangebote anzunehmen. Bevorzugt sollten diejenigen ein ermäßigtes Angebot bekommen, die sich den bisherigen Fahrpreis nicht leisten können. Denkbar wäre beispielsweise, das bundesweite 9-Euro-Ticket für sie bezubehalten und es für alle anderen zu einem höheren, dennoch attraktiven, Preis anzubieten - wie aktuell in Berlin geplant.

In ländlichen Regionen kämpfen Kommunen darum, dass Niveau des ÖPNV-Angebots zu halten und zu steigern. Auch hier können digital vermittelte Fahrdienste abhelfen, weniger Autos auf den Straßen zu haben. In dünn besiedelten Gebieten kann zum Beispiel das Ridepooling seine Flexibilität ausspielen und als Zubringer für Bus und Bahn dienen. Auch Bürgerbusse und Mitfahrbänke gehören zum kommunalen Repertoire, um ein Mindestmaß an Mobilität zu gewährleisten. Eines der großen Mankos in ländlichen Gebieten ist jedoch die Zersiedelung, die vielerorts praktiziert wurde. Darum der Hinweis: Jede weitere Einfamilienhaus-Siedlung auf grüner Wiese erzeugt mehr Verkehr und PKW-Nutzung, den die Verkehrssysteme unter hohem Energieaufwand abwickeln müssen. Beim öffentlichen Verkehr kommen noch die Personalkosten dazu. Möchte man diesen Verkehr vermeiden, müsste die Verkehrs- und Mobilitätsplanung die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung zwingend zusammen in den Blick nehmen.

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