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Digitalisierung der Banken findet viel zu langsam statt

Echte Innovationskultur muss noch geschaffen werden

Professor Dr. Jürgen Moormann, Frankfurt School of Finance & Management Quelle: Frankfurt School Prof. Dr. Jürgen Moormann Professor Frankfurt School of Finance & Management 30.08.2021
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Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Digitalisierung im Bankwesen hat nichts mit einer Automatisierung der Geschäfts-
oder Kundenprozesse zu tun. Es geht im Gegenteil "um ein Neudenken der gesamten Geschäftsprozesse bis hin zur Neukonzeption des Geschäftsmodells", sagt Professor Dr. Jürgen Moormann, Professor für Bank- und Prozessmanagement an der Frankfurt School of Finance & Management.







Wie bewerten Sie den aktuellen Stand des Digitalisierungsprozesses im Bankgewerbe?
Die Notwendigkeit der Digitalisierung dürfte in den Führungsetagen der Banken erkannt sein. Aber das Verständnis, was Digitalisierung bedeutet, und die Intensität der Aktivitäten sind höchst unterschiedlich. Teilweise wurden weitgehende, organisatorische Maßnahmen getroffen. Beispiele sind der Digital Campus der Commerzbank mit mehreren tausend Mitarbeitern und die ING, die konsequent eine Agil-Organisation mit Tribes und Cells eingeführt hat und deutlich über klassische Bankprodukte hinausdenkt. Andere Häuser stehen erst am Beginn und haben noch nicht verinnerlicht, dass es nicht um Automatisierung geht, sondern um ein Neudenken der gesamten Geschäftsprozesse bis hin zur Neukonzeption des Geschäftsmodells.

Das Problem ist, dass die Digitalisierung in unseren Banken viel zu langsam stattfindet. Das liegt zum Teil an den bestehenden IT-Systemen, aber auch daran, dass eine echte Innovationskultur nicht vorhanden ist. Dabei stehen wir vor einem Umbau, der mit dem der Automobilbranche vergleichbar ist. Autohersteller werden zu Softwareentwicklern. Das gilt für Banken noch stärker. Banken sind per se informationsverarbeitende Unternehmen. Die Softwareentwicklung muss daher der Motor der Banken sein. Von diesem Verständnis sind wir noch weit entfernt.

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Ist die Digitalisierung vor allem Dienst am Kunden oder bietet sie im Effekt nur neuartige Möglichkeiten, Geld zu verdienen bzw. Kosten zu sparen?
Sofern unter Digitalisierung nur die Automatisierung bestehender Prozesse verstanden wird, geht es schlicht um Kostensenkung. Das ist aber nicht die Lösung. Ausgangspunkt ist, dass sich das Kundenverhalten und damit die Interaktion zwischen Kunde und Bank grundlegend verändert hat. Wie wir aus eigenem Verhalten wissen, führt uns der Weg in vielen Lebensbereichen in die digitale Welt, d.h. auf Vergleichsplattformen, Tauschbörsen, Suchmaschinen etc. Im Zuge unserer eigenen „Kundenprozesse“ begeben wir uns im ersten Schritt eben nicht in Filialen oder Geschäfte, sondern auf digitale Plattformen. Die Banken müssen sich intensiv Gedanken darüber machen, wie Kundenprozesse ablaufen und wie sie die Prozesse ihrer Kunden digital unterstützen können. Gelingt dieses, macht die Bank einen großen Schritt nach vorn. Dann geht es um den Dienst am Kunden. Das ist entscheidend. Schließlich gibt es Banken nur aus einem einzigen Grund …. es gibt sie, weil es Kunden gibt. Banken müssen daher Wege finden, für ihre Kunden relevant zu bleiben. 

Welche Gefahren lauern bei neuen Finanzdienstleistungen, wie steht es um die IT-Sicherheit und den Datenschutz bei digitalen Finanztransaktionen?
Grundsätzlich bringt jede Innovation Risiken mit sich. Und natürlich lauern bei digitalen Finanzdienstleistungen Risiken bezüglich der IT-Sicherheit. Cyber-Angriffe stellen tatsächlich eine große und wachsende Bedrohung für die gesamte Wirtschaft dar. Zwar tun Banken alles, um IT-Sicherheit zu gewährleisten, aber eine 100%ige Sicherheit gibt es nicht. Auch bei einer Bargeldabhebung kann man überfallen werden. Und auch Pannen wird es immer geben Es sind aber auch die Kunden gefordert, Passwörter geheim zu halten, Phishing-Attacken zu erkennen etc. Und wer Kryptowerte auf einer windigen Börse erwirbt, darf sich nicht wundern, dass bei einem Hack diese Werte plötzlich weg sind. Bezüglich Datenschutz zeigen die klassischen Banken eine extrem hohe Sensibilität. Sie unterliegen ausgeprägten regulatorischen Vorschriften und befolgen nach meiner Beobachtung die EU-Datenschutz-Grundverordnung peinlichst genau.

Ist eine adäquate Bankenaufsicht über digitale Finanzgeschäfte gewährleistet?
Deutschland, und weiter gefasst die Europäische Union, hat eine strenge Bankenaufsicht installiert. Diese wird aber nicht umhinkommen, auch Fintechs, zumindest ab einem bestimmten Relevanzgrad, nach gleichen Maßstäben zu beaufsichtigen. Diese Unternehmen haben teilweise eine höhere Marktkapitalisierung als unsere Großbanken! Eine Notwendigkeit der Regulierung besteht auch für neu aufkommende Anlageprodukte wie die sogenannten Kryptowährungen. Das ist nicht einfach, da internationale Abstimmungen erforderlich sind.

Wichtig ist, dass die Bankenaufsicht keine Blockade für die Bank der Zukunft darstellt. Die Bank der Zukunft muss erstens kundenzentriert sein und nicht bloß kundenorientiert. Sie muss zweitens ihre Prozesse auf den Kunden ausrichten und konsequent digitalisieren. Drittens ist nicht die Sparkasse um die Ecke oder die Filiale einer Großbank der Konkurrent. Die Wettbewerber sind vielmehr Direktbanken, Broker und vor allem die großen Tech-Konzerne wie Amazon, Apple oder Google. Wettbewerber, die nicht nur über riesige IT-Budgets verfügen, sondern auch viel dichter am Kunden sind. Mit diesen Wettbewerbern müssen unsere Banken umgehen. Vor diesem Hintergrund muss die Bankenaufsicht dafür sorgen, dass die Banken nicht totreguliert werden und faire Wettbewerbsverhältnisse herrschen.

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