Welche Digitalisierungsmaßnahmen könnten die weltweiten Lieferketten stabiler, resilienter machen?
Digitalisierung wird der Erfolgsfaktor für die Logistiknetze der Zukunft sein! Wir werden in absehbarer Zeit nicht wesentlich schneller oder mehr oder viel nachhaltiger transportieren können, selbst wenn das unser größter Wunsch ist. Um unsere Güterströme effizienter, oder auch stabiler und resilienter zu machen, benötigen wir Informationen. Damit gemeint sind vor allem valide und schnelle Daten, um zu wissen was am anderen Ende der Welt gerade jetzt passiert oder sich anbahnt. Zwei Schlüsselwörter sind dabei Transparenz und vorausschauendes Planen (Simulation). Ohne Transparenz können wir nicht anfangen zu optimieren. Wir benötigen echtzeitfähige Informationssysteme, die uns viele Daten (Stichwort Big Data) zur Verfügung stellen. Natürlich unter der Wahrung des Datenschutzes. Unser Kunde oder Mitbewerber sollte nicht wissen, was wir gerade genau im Lager haben. Aber eine Information, ob wir und wann wir lieferfähig sind, ist entscheidend, um stabile und resiliente Logistiknetzwerke zu betrieben. Der zweite Baustein ist die Vorhersage von bestimmten (Stör-) Ereignissen. Wenn etwas nicht nach Plan läuft, muss klar sein, welche Handlungsalternativen mit welchen Konsequenzen zur Verfügung stehen. Dort hilft uns als Basis die Transparenz, um diese vielen Daten zu nutzen, um Simulationen oder Neuplanungen anzustoßen. Damit wir nicht überrascht werden und reagieren müssen, sondern gezielt agieren können.
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Muss das verantwortungsvolle Supply Chain Management künftig wieder verstärkt auf Lager statt auf Lieferung „just in time“ setzen?
Die Antwort ist ja. Wenn wir resilient sein wollen, dann ist das Lager ein möglicher Weg zur Risikominimierung. Wir benötigen kürzere, regionalere Liefernetzwerke (Liefergeschwindigkeit und Reaktionszeit) sowie ein Portfolio von Lieferanten, um bei Ausfall eines Lieferanten oder einer Lieferantenregion umdisponieren zu können. Wir brauchen eine Auswahl von unterschiedlichen Verkehrsträgern oder eine andere Kombination, um auf Störungen auf den Verkehrswegen oder den Operatoren reagieren zu können. Aber trotzdem werden unsere Liefernetze immer noch anfällig sein. Falls es dann zu einer Störung kommt muss eine gewisse Zeit überbrückt werden, um Liefernetze wieder in Gang zu setzten und auch in Regelmäßigkeit zu betreiben. Und dazu brauchen wir Lager. Auch wenn dies mit Kosten verbunden ist, erkaufen wir uns damit eine gewisse Überbrückungszeit. Letztlich stehen die Kosten für die Lagerung den Folgekosten von Lieferausfällen gegenüber. So komplex wie die Abschätzung der Folgekosten sein mag, müssen diese bei der Entscheidung der Risikobewertung und Lagerdimensionierung einbezogen werden.
Wie stehen Sie zum aktuellen globalen Trend, mit Produktion und Forschung direkt in die Zielländer zu gehen?
Der Vernetzung der Welt und den Logistiknetzwerken haben wir unseren Wohlstand zu verdanken. Zeiten ändern sich, politische Rahmenbedingungen ändern sich, genauso wie Know-How in Ländern oder auch die Nachfrage nach bestimmten Produkten. Aus logistischer Sicht ist es gut, nah am Kunden zu produzieren. Man kann schnell reagieren und die Transportkapazitäten für das Endprodukt können relativ klein gehalten werden. Politische Rahmenbedingungen (wie Strafzölle, Local Sourcing Auflagen) bestärken dieses Handeln. Und natürlich sollte auch die Forschung- und Entwicklung vom Zielmarkt mit beeinflusst werden. Denn nur vor Ort kennt man die Bedürfnisse seines Absatzmarkts am besten.
Mit Blick auf Klimawandel und CO2-Fußabdruck: Wie organisiert man einen möglichst energiearmen und sicheren Transport?
Der Energieverbrauch, umgerechnet auf ein Produkt, wird durch zwei Dinge bestimmt: die Entfernung und das genutzte Transportmittel. Jeder eingesparte Kilometer, bei gleichem Transportmittel, ist linear mit Einsparungen des CO2-Ausstoßes verbunden. Also kürzere Wege durch regionale Liefernetzwerke bedeuten bei gleichem Transportmittel eine bessere Ökobilanz. Sind unterschiedliche Transportmittel möglich, verschieben sich diese Grenzen natürlich, da ein Kilometer mit der Bahn (deutscher Strommix) weniger CO2 ausstößt, als die gleiche Menge mit Diesel betriebenen LKWs zu transportieren. Man sollte hier also auf den geeigneten Verkehrsträger, eine sehr gute Auslastung dieses Verkehrsträgers und auch die Wahl von geeigneten Antriebstechnologien achten (Diesel Lok vs. Elektro Lok, oder Diesel LKW vs. Elektro LKW.) Sollen neben dem Transport weitere Aspekte der Lagerung (z.B. Kühlung) oder Produktion mit einbezogen werden, müssen natürlich Skaleneffekte dieser Arbeitsschritte berücksichtigt werden und die Gesamtbilanz überprüft werden.
Was muss in Ziel- und Exportländern – jenseits militärischer Absicherung von Handelswegen – getan werden, um die Lieferketten im Fluss zu halten?
Das meiste muss durch eine gute Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort und Motivation gesteuert werden. Faire Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen und Respekt für jede Arbeit sind essentiell. Dann können wir auch gleiche Standards für unsere Logistikprozesse erwarten. Die Qualität der manuellen und automatischen Prozesse und ganz besonders die der Informationsketten, die unseren Materialfluss begleiten, steuern und planen, sind essenziell für die Güte unserer Logistikleistung. Ziel sollte es daher sein, genauso wie Logistikketten auch Informationsketten über alle Partner zu harmonisieren, sodass es zu keinen Unterbrechungen kommt. Eine offene Kommunikationsbasis mit den Partnern vor Ort und deren Einschätzung über mögliche Planänderungen können helfen, frühzeitig Maßnahmen über die gesamte Lieferkette zu treffen und damit die Performanz des Liefernetzwerkes aufrecht zu erhalten. Nichtsdestotrotz liegen politische Entwicklungen außerhalb unseres Einflussbereichs. Und so ärgerlich es klingt, wenn wir resilient sein wollen, brauchen wir einen Plan B.