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Die zwei Grundsäulen einer nachhaltigen Verkehrswende

Warum bei einer nachhaltigen Verkehrsplanung der Mensch im Mittelpunkt stehen sollte

Martin Schulte, Referent der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und Experte für das Thema "Nachhaltige Quartiersentwicklung" Quelle: DBU Martin Schulte Referent Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) 15.07.2022
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Simone Ulrich
Freie Journalistin
Meinungsbarometer.info
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„Eine Umwelt- und Klimaentlastung im Personenverkehr kann mit einer sinkenden Verkehrsnachfrage, einer höheren Verkehrseffizienz und einer veränderten Verkehrsmittelwahl gelingen”, sagt Martin Schulte, von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Der Experte für das Thema „Nachhaltige Quartiersentwicklung“ erklärt, wie die Verkehrswende gelingen kann.







Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der nachhaltigen Mobilitäts- und Verkehrsplanung?
Eine nachhaltige Verkehrswende basiert auf zwei Grundsäulen: einer Antriebswende, die den technischen Umstieg von fossilen Brennstoffen zu regenerativ betriebenen Fahrzeugen beschreibt, und einer Mobilitätswende, die eine kluge Verknüpfung von Stadt- und Wegeplanung mit gut getakteten unterschiedlichen Verkehrsträgern für Stadt und Land erreicht, aber auch im Kopf der Verkehrsteilnehmenden stattfindet und zur bewussten Wahl umweltfreundlicherer Mobilitätsangebote führen. Die Digitalisierung spielt sowohl bei der Antriebstechnologie als auch beim Nutzerverhalten nachhaltiger Mobilitätsangebote eine zentrale Rolle. In der Technologie führt sie durch ein optimiertes Zusammenspiel technischer Komponenten, wie beim (teil)autonomen Fahren, zu mehr Ressourcen- und Energieeinsparungen. Zudem ermöglicht Digitalisierung beim Nutzerverhalten eine Servicequalität und Effizienz, die bis vor wenigen Jahren undenkbar war – mit Buchungen verschiedener Verkehrsmittel in Echtzeit, jenseits von starren Streckenführungen und Fahrplänen. Vor allem Großstädte bieten Konzepte mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln, wie U- und S-Bahnen, Bussen, Leihrädern, E-Rollern und -Lastenrädern an, die mit Hilfe digitaler Technik intelligent, einfach und flexibel zu kombinieren sind.

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Wie wichtig ist die Priorisierung bei der Verkehrsplanung, wenn man die gesetzten Umwelt- und Klimaschutzziele erreichen möchte?
Jahrzehntelang stand das Auto im Mittelpunkt der Verkehrsplanung. Nachteile wie Abgasausstoß und Flächenversiegelung wurden in Kauf genommen. Die Verkehrsplanung der Zukunft sollte wieder den Menschen in den Blick nehmen und eine nachhaltige Quartiers- und Stadtplanung mit kurzen Distanzen zwischen Wohnen, Arbeiten, (Nah-)Versorgung, Dienstleistungen, Freizeit- und Bildungseinrichtungen sowie ausreichenden Grün- und Erholungsflächen voranbringen. Mit kurzen Wegen und veränderten Arbeitsbedingungen, wie Homeoffice, kann Verkehr vermieden werden. Zudem sorgen gut ausgebaute, sichere Fuß- und Radwege, emissionsarme Mobilitätsangebote wie Leihräder sowie ein attraktiver Nahverkehr mit Bussen und Bahnen für eine bessere Lebensqualität und das Einhalten der gesetzten Umwelt- und Klimaschutzziele. Um die Akzeptanz sowohl in der Bevölkerung als auch in der Politik zu erhöhen, empfiehlt die Universität Bochum im Rahmen des von der DBU-geförderten Projekts „Nachhaltige Mobilität im Quartier“, ein Leitbild als gemeinsamen Konsens für die gewünschte Entwicklung zu erarbeiten.

Wie kann die sozial-ökologische Mobilitäts- und Verkehrswende gelingen, die niemanden abhängt und alle mitnimmt?
Eine sozial gerechte Kohlendioxid-(CO2-)Bepreisung, wie sie Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Träger des Deutschen Umweltpreises im Jahr 2020, vorschlägt, kann einen Beitrag zu einer Mobilitäts- und Verkehrswende leisten. Derzeit umfasst der CO2-Preis etwa neun Cent je Liter Kraftstoff. Mit Blick auf die in Folge des Angriffskrieges auf die Ukraine stark gestiegenen Energiekosten ist dieser Anteil vergleichsweise gering. Wichtig ist, dass der Staat die entsprechenden Einnahmen aus dem CO2-Preis weitgehend an die privaten Haushalte zurückverteilt („Klimageld“). Diese Verteilung muss sozial gerecht erfolgen und darf nicht nur Vielfahrerinnen und -fahrer begünstigen, indem Verbrennerkraftstoffe pauschal subventioniert werden. Zielführender sind hier Maßnahmen wie ein preisgünstiger und gut getakteter Personennahverkehr. Interessante Hinweise können zum Beispiel Untersuchungen zum durch die Bundesregierung vorübergehend eingeführten „9-Euro-Ticket“ liefern, mit dem je ein Monat lang fast das gesamte Nahverkehrsangebot in Deutschland genutzt werden kann. Eine Analyse des Verkehrsdatenspezialisten Tomtom für die Deutsche Presse-Agentur zeigt für 23 von 26 untersuchten Städte einen Rückgang des Stauniveaus im Vergleich zur Zeit vor der Einführung. Die Daten lassen vermuten, dass dieser Rückgang in Zusammenhang mit dem Start des 9-Euro-Tickets steht.

Wie möchte man einen verlässlichen ÖPNV in der ländlichen Region ausbauen?
Zur Ehrlichkeit gehört, dass die Situation auf dem Lande deutlich schwieriger ist und vielfach andere Lösungen gefunden werden müssen. Das Auto lässt sich dort nicht so einfach ersetzen, wie in der Stadt. Aber es gibt Ansätze: Im ländlichen Raum können digitale Anwendungen, „Rufbusse“ und ein On-Demand-Nahverkehr mit einer flexiblen Routenführung dazu beitragen, das Angebot zu erhöhen, eine attraktive Alternative zum Linienverkehr zu bieten und gleichzeitig Betriebskosten zu senken. Allerdings stoßen auch diese alternativen Mobilitätskonzepte im ländlichen Raum oft an ihre Grenzen, weil schlichtweg Nutzerinnen und Nutzer fehlen. Hier setzt ein aktuell von der DBU gefördertes Projekt des Start-ups Worldiety an. Deren Mobilitätsmarktplatz, eine digitale Anwendung, verzahnt bereits bestehende und neue betriebliche und private Mobilitätsangebote miteinander. Durch eine breite Anwendung erreicht das Vorhaben eine kritische Masse an Nutzerinnen und Nutzern, die zu einem attraktiven Gesamtangebot führt.

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