Eine Studie des Reise-Unternehmens TUI Abenteuer nennt eine ganze Reihe von neuen Reise-Trends: die Reisenden lassen sich inspirieren durch Social Media, sie wollen die Zeit im Urlaub bewusster zu nutzen, oder auch Urlaub mit Arbeit verbinden – Bleisure-Reisen heißt das im Fachjargon. Die Stadt österreichische Stadt Graz kennt so etwas schon lange. „Bleisure-Reisen nach Graz gab es schon, bevor diese Art des Reisens einen eigenen Namen erhielt“, erklärt Dieter Hardt-Stremayr, Geschäftsführer der Graz Tourismus und Stadtmarketing GmbH in unserer Fachdebatte. Im Zuge des Trends des nachhaltigeren Reisens nehme dies wieder zu, da damit Reisekilometer gespart werden können. Das abwechslungsreiche Umland hilft der Stadt dabei sehr, da die Freizeitaktivitäten nicht nur auf das urbane Angebot beschränkt bleiben muss. Die Lage südlich der Alpen macht es möglich binnen zwei Stunden Hauptstädte wie Zagreb und Ljubljana zu erreichen und selbst Venedig ist nur vier Stunden entfernt. Und so hat das Zimmerangebot für Long-Stay-Gäste in den letzten Jahren auch in der klassischen Hotellerie ständig zugenommen.
Benedikt Brandmeier, Leiter Tourismus und Veranstaltungen der Landeshauptstadt München sieht seine Stadt wie geschaffen für Bleisure-Reisen. „Unsere Stadt verbindet wirtschaftliche Stärke mit einem großartigen Freizeitangebot. Geschäftsreisende finden hier nicht nur erstklassige Tagungs- und Kongressmöglichkeiten, sondern auch zahlreiche Möglichkeiten, ihre freien Stunden zu genießen oder noch besser, gleich ihren Aufenthalt zu verlängern.“ Ganz wichtig auch für das Münchner Lebensgefühl sei auch Gastfreundschaft und eine lebendige Gastronomieszene, die von traditionellen Wirtshäusern und Biergärten bis hin zur Sterneküche reicht.
Für Jannika Hansen von der Düsseldorf Tourismus GmbH ist Bleisure längst keine Randerscheinung mehr – fast zwei Drittel der deutschen Geschäftsreisenden verbinden Arbeit mit Freizeit, berichtet. Als bedeutende Messestadt mit zahlreichen Fachmessen sei Düsseldorf ein besonders attraktives Reiseziel, um berufliche Aufenthalte mit Freizeiterlebnissen nahtlos zu verbinden. „Um das Potenzial des Bleisure-Marktes zu nutzen, setzen wir auf gezielte Kampagnen“, sagt Hansen. So sei für dieses Jahr eine Kampagne in Planung, die Geschäftsreisende dazu inspiriert, ihren Aufenthalt zu verlängern – sei es für Kunst und Kultur, kulinarische Erlebnisse oder Natur. Das sieht sie auch als Beitrag zur Nachhaltigkeit, denn wer länger bleibt, reist bewusster.
In Sachen Nachhaltigkeit berichtet Merle Meier-Holsten, Leiterin Bremen Tourismus bei der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH, dass inzwischen ein Drittel der Gäste mit der Bahn nach Bremen kommt. „Wir ermutigen unsere Gäste, auf das Auto zu verzichten. Dafür initiieren wir auch dieses Jahr wieder eine Kampagne mit der Deutschen Bahn“, erklärt sie. Wenn die Gäste mit dem Auto angereist sind, versuchen ihr Unternehmen, sie dazu zu bewegen, das Auto stehen zu lassen – etwa mit der Bremen Card, die den ÖPNV inkludiert. Bremen sei eine Stadt der kurzen Wege, wo viele Strecken gut zu Fuß absolciert werden können, habe ein gut ausgebautes ÖPNV-Netz und sei die fahrradfreundlichste Großstadt in Deutschland.
In Sachen Marketing setzt man in Köln auf neuste Technologien. „Wir als Unternehmen nutzen beispielsweise schon seit mehr als einem Jahr eine eigene Corporate-KI-Lösung namens VisitKölnGPT, aktuell hauptsächlich für die Generierung von Textcontent in unterschiedlichsten Arbeitsbereichen, künftig aber auch auf ganzheitlicher Basis, um bei allen Aufgaben einer DMO zu unterstützen, Ressourcen Mitarbeitender zu schonen und beim Management Freiraum für die Bewältigung strategischer Herausforderungen zu schaffen“, erklärt Dr. Jürgen Amann, Geschäftsführer der KölnTourismus GmbH. So seien etwa Wissensbots, Produkt- oder Strategieassistenten und im Bereich Gästeservice der Einsatz von Chatbots oder Tools zur Erstellung individueller Erlebnisse beim Besuch der Stadt denkbar. Man bleiben wir den Gästen aber auch mit dem menschlichen Element treu.
Auch Isabella Rauter von WienTourismus berichtet, das Künstliche Intelligenz bereits seit einiger Zeit fix in den Arbeitsalltag und die Kommunikationsaktivitäten integriert. So würden KI-Tools intensiv genutzt, um noch effizienter und zielgerichteter Inhalte für den Gast zu erstellen oder optimieren. Anderseits kündigt sie auch Services geben, bei denen der Gast direkt mit KI-basierten Tools oder Serviceangeboten interagiert. KI erstellt zum Teil auch für die Gäste auch persönliche und individuell angepasste Reisepläne und Empfehlungen. „Das persönliche Angebot durch unser bestehendes Gästeserviceteam wird dabei aber natürlich nicht ersetzt und seht auch weiterhin zu den definierten Öffnungszeiten persönlich vor Ort oder über unseren Live-Chat auf der Website wien.info zur Verfügung.“
Für Prof. Dr. Harald Zeiss, Geschäftsführer am Institut für nachhaltigen Tourismus GmbH, eröffnet KI vielfältige Möglichkeiten in der personalisierten Ansprache und Serviceoptimierung. „Im Marketing können KI-gestützte Analysen dabei helfen, Kundenbedürfnisse noch präziser zu identifizieren und maßgeschneiderte Angebote zu entwickeln. Gleichzeitig kommen Chatbots und automatisierte Service-Lösungen vermehrt zum Einsatz, die rund um die Uhr den Gästekontakt unterstützen.“ Wichtig sei, dass diese Technologien so implementiert werden, dass sie sowohl Effizienz als auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen. So könnten beispielsweise KI-gestützte Systeme den Energieverbrauch in Hotels optimieren oder den Materialeinsatz bei Veranstaltungen reduzieren. Letztlich biete der Einsatz von KI die Chance, Prozesse zu straffen und Ressourcen gezielter einzusetzen – ein wesentlicher Beitrag zu einer nachhaltigen Transformation der Branche.
Auch für Prof. Dr. Felix M. Kempf, Dekan Tourismus & Hospitality an der IST-Hochschule für Management, ist Künstliche Intelligenz eine disruptive Technologie für wahrscheinlich alle Branchen und so auch für den Tourismus. Alle Auswirkungen seien nicht abschätzbar. „Airlines nutzen KI, um ihre Preise zu gestalten. Aktuell kann sie zur Beratung und Verkauf z. B. in Reisebüros eingesetzt werden. Außerdem dient sie dazu, Angebote auch vor Ort selbst zu erstellen.“ Sie werde helfen, Gäste zu leiten oder auch zu lenken. Insgesamt stehe der Entwicklungsprozess im Tourismus noch am Anfang. Er werde sich aber von selbst beschleunigen und die Veränderungen werden mittelfristig spürbar sein.
Als Experte aus der Praxis sieht Christian Bauer, CEO von Destination Solutions, speziell die gesamte Ferienhausbranche im Umbruch - diese sei dabei, sich zu professionalisieren. „Das ist auch dringend nötig, damit sie mit anderen Segmenten mithalten kann. Die Ferienhauslandschaft ist gekennzeichnet durch ihre fragmentierten Strukturen mit vielen tausend Einzelvermietern, die ihre Vermietung teilweise im Nebengeschäft betreiben.“ Es sei viel schwieriger, hochtechnisierte Produkte für diesen Markt zu entwickeln und gleichzeitig die privaten Gastgeber mitzunehmen. Während im Hotel- und Flugsektor dynamische Preise etabliert seien, seien sie für Ferienhäuser und -wohnungen beispielsweise noch relatives Neuland.