Soziale Medien werden für Reisende immer wichtiger. Wie sollte sich die Branche darauf einstellen?
Soziale Medien sind nicht mehr aus dieser Welt wegzudenken. Im Tourismus spielen sie für alle Akteure eine bedeutende Rolle. Die Reisenden finden in der Planungsphase Inspiration. Auf der Reise suchen sie nach passenden Motiven, um sie auf Social Media-Plattformen hochzuladen. Soziale Medien tragen damit zur Demokratisierung bei, denn jeder Mensch in unserer Gesellschaft kann durch sie versuchen, eine bisher nicht mögliche Aufmerksamkeit und damit Bedeutung zu erlangen. Die Zukunft wird weisen, inwieweit Menschen im Allgemeinen und Reisende im Speziellen dieser Versuchung erliegen wollen. Auf der anderen Seite stehen die Leistungsträger. Zu ihnen zählen Reiseveranstalter, Airlines, Hotels, Museen usf. Sie alle können ihr Angebot über Social Media-Kanäle vorstellen. Es kann aktiv Werbung betrieben und auch Influencer können zur Verbreitung bzw. Multiplikation verpflichtet werden. Da der Verkauf von touristischen Produkten sehr gut über Emotionen funktioniert, eignet sich Social Media für die Leistungsträger besonders. An unserer Hochschule werden von dual Studierenden immer häufiger Fragestellungen mit Social Media-Bezug auf ihre Ausbildungsbetriebe bearbeitet. Auch das spiegelt die steigende Relevanz wider.
Unter den Stichwort Bleisure-Reisen machen immer mehr Reisende einen Mix aus Urlaub und mobiler Arbeit – welche Angebote braucht es dafür?
Es gibt aktuell zwei neue Neologismen, die die Vermengung von Arbeit und Urlaub beschreiben: Bleisure und Workation. Beide Kofferwörter entstammen dem Englischen. Bleisure = Business und Leisure. Workation = Work und Vacation. Sie sind keine Synonyme, denn sie beschreiben zwei unterschiedliche Typen. Bleisure meint, dass eine Dienstreise mit einem anschließenden Urlaub verlängert wird. Es gibt also einen Teil des Arbeitens, z. B. der Besuch von Kunden oder Messen, und einen Teil des Urlaubs. Workation meint, dass Menschen, die vorwiegend remote arbeiten, also vom Computer aus, dies nicht im Büro oder im Home-Office tun, sondern an irgendeinem anderen Ort der Welt. Nach der Arbeit oder am Wochenende wird dann die neue, andere Umgebung erkundet. Eine grundlegende Anpassung der Produkte ist dabei nicht erforderlich. Bei beiden ist aber wichtig, dass sich der Reisende der rechtlichen Fallen bewusst ist, die sich auftun können. Um sie nur kurz anzureißen: beim Bleisuretourismus kann es zu geldwertem Vorteil kommen. Bei Workation ist das Hauptproblemfeld die Sozialabgabepflicht im anderen Land (Stichwort A1-Formular), aber auch Lohnsteueraspekte können mit einspielen. Abschließend ist noch ein erfreulicher Aspekt zu nennen: Der höchste Anteil der Umweltbelastung eines Urlaubs entsteht typischerweise durch die Anreise. Beim Bleisuretourismus wird aus zwei Anreisen eine Anreise. Die Umweltbelastung sinkt damit erheblich.
Das Auto ist weiter das beliebteste Verkehrsmittel im Urlaub – was bedeutet das für die Nachhaltigkeit beim Reisen?
Die Aufteilung der Verkehrsträger, die Reisende zum Urlaubsort bringen, wird Modal Split genannt. In diesem nimmt das Auto eine bedeutende Rolle ein. Das Flugzeug ist dabei aber ebenso gewichtig. Bus und Bahn spielen zur Anreise in den Urlaub kaum eine Rolle. Zu beachten ist: es wird dabei nur die Form der Anreise bewertet, aber nicht die zeitliche Dauer oder die zurückgelegte Kilometerzahl. In Coronazeiten hatte das Auto selbstredend an Bedeutung gegenüber dem Flugzeug gewonnen; verliert diesen Vorsprung gerade aber wieder. Natürlich sind beide Verkehrsträger nicht optimal für die Umwelt. Eine langfristige Überlegung muss an dieser Stelle einmal erwähnt werden: Das Flugzeug, das momentan mehr als zu Recht aus Umweltblickrichtung heftig kritisiert wird, wird jedoch in Zukunft, damit meine ich in ca. 30-50 Jahren, das nachhaltigste Verkehrsmittel sein. Der Zeitpunkt ist, sobald es mit nachhaltigem Benzin, Wasserstoff o. Ä. betrieben wird. Dann benötigt es nämlich am wenigsten Infrastruktur auf dem Boden, die erstellt werden muss, und erfordert auch die geringste Versiegelung von Landschaft.
Welche Entwicklungen erwarten Sie künftig durch Künstliche Intelligenz in Vermarktung und Gäste-Service?
Künstliche Intelligenz ist eine disruptive Technologie für wahrscheinlich alle Branchen und so auch für den Tourismus. Alle Auswirkungen sind nicht abschätzbar. Airlines nutzen KI, um ihre Preise zu gestalten. Aktuell kann sie zur Beratung und Verkauf z. B. in Reisebüros eingesetzt werden. Außerdem dient sie dazu, Angebote auch vor Ort selbst zu erstellen. Sie wird helfen, Gäste zu leiten und ggf. auch zu lenken. Ein Hotelprojekt in den USA entwickelt gerade eine KI gestützte Software, die mit dem Kunden in Interaktion tritt und zusätzlich seine Social Media-Accounts scannt. Aus den Ergebnissen sollen dann maßgeschneiderte Produkte entstehen, die dazu dienen, dass der Kunde gebunden wird. Insgesamt steht der Entwicklungsprozess im Tourismus noch am Anfang. Er wird sich aber von selbst beschleunigen und die Veränderungen werden mittelfristig spürbar sein.

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