Menue-Button
← FACHDEBATTE Interview

Die Sozialpflichtigkeit der Herrschaft über Daten

Warum die EU die großen Plattformen regulieren kann

Dr. Matthias C. Kettemann - Forschungsprogrammleiter "Regelungsstrukturen und Regelbildung in digitalen Kommunikationsräumen" am Leibniz-Institut für Medienforschung/ Hans-Bredow-Institut Quelle: HBI Dr. Matthias C. Kettemann Forschungsprogrammleiter Leibniz-Institut für Medienforschung/ Hans-Bredow-Institut 16.02.2021
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

"Sehr lange hat die Politik dabei zugesehen, dass Plattformen große Datenberge anhäuften. Zu lange", sagt Dr. Matthias C. Kettemann vom Hans-Bredow-Institut. Der Forscher und Experte für Rechtsfragen des Internets sieht gute Chancen, dass die großen Plattformen bei einer EU-Regulierung mitziehen werden. Im Details kann er sich noch Verbesserungen der geplanten Regelungen vorstellen.







Der Vorschlag der EU-Kommission zur Regulierung von Plattformen sieht besondere Regeln für die Plattformen vor, die eine Nutzerschaft von 10 % (oder in Zahlen 45 Millionen) in Europa erreichen - wie bewerten Sie diese Grenze?
Die Grenze ist durchaus sinnvoll. Relevante Plattformen erreichen Sie leicht. Sie sind auch solche, deren internen Regeln und Empfehlungsalgorithmen eine besondere Wirkung auf die europäische Öffentlichkeit ausüben können. Allerdings ist hier auch daran zu erinnern, dass selbst die größten Plattformen es in Europa noch nicht geschafft haben, ein europäisches öffentliche Publikum zu schaffen – also einen europäischen Diskursraum. Das ist in Amerika anders.  

JETZT HERUNTERLADEN

DIE DOKUMENTATION DIESER FACHDEBATTE

DIE DOKUMENTATION ENTHÄLT

alle Debattenbeiträge ungekürzt im Original
Übersicht aller aktiven Debattenteilnehmer
Summary für Ihr Top-Management
MEHR ERFAHREN


Die großen Plattformen sollen etwa ihre Algorithmen offenlegen und unabhängig prüfen lassen. Wer sollte diese Algorithmen worauf kontrollieren?
Die Forderung, Algorithmen einem „Audit“ zu unterziehen ist eine oft gehörte. Im Kern geht es darum, dass Plattformen offenlegen sollen, worauf sie ihre Algorithmen optimieren und wie ihre Algorithmen programmiert sind. Das erlaubt dann der Politik bzw. den im Vorschlag vorgesehenen Koordinator*innen entsprechende Maßnahmen zu treffen. Sagen wir, die Empfehlungsalgorithmen einer wichtigen Plattform sähen vor, dass stark geteilte Inhalte noch zusätzlich verstärkt werden. Hier könnte etwa gefordert werden, dass bei erkennbarer Viralität von Inhalten ein Mensch auf die Inhalte schauen muss, bevor sie weiter algorithmisch verstärkt werden.

Geplant ist auch eine Vorschrift für den Datenzugang und die Interoperabilität von Diensten, die etwa den Nachrichtenaustausch zwischen verschiedenen Messengern ermöglichen soll. Wie schätzen Sie dieses Vorhaben ein?
Die Sozialpflichtigkeit der Herrschaft über Daten ist ein großes Zukunftsthema. Sehr lange hat die Politik dabei zugesehen, dass Plattformen große Datenberge anhäuften. Zu lange. Nun ist es in der Tat an der Zeit, sowohl der Wissenschaft besseren Zugang zu den Daten der Plattformen zu geben (was langsam geschieht) als auch durch erzwungene Zugänge neuen Mitbewerbern erst Wachstum zu ermöglichen. Große Plattformen werden das auch deswegen machen, um wettbewerbs- und kartellrechtliche Vorwürfe zu entkräften versuchen.

Vorgesehen sind neue Regeln zur Entfernung illegaler Inhalte. Inwieweit könnten diese mit bereits vorhandenen nationalen Regulierungen kollidieren?
Bindendes EU-Recht geht nationalem Recht vor. Allerdings werden wohl nationale Regeln – gerade hinsichtlich der Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit – auch weiterhin Bestand haben. Das ist auch gut so, weil selbst innerhalb Europas (das wissen wir auch dank der entsprechenden Judikatur der europäischen Höchstgerichte in Straßburg und Luxemburg) verschiedene Schutzniveaus herrschen. Ob es sinnvoll ist, wie zuletzt in Österreich, noch rasch neue Regeln in Kraft zu setzen, ist nicht klar – die EU-Kommission hat jedenfalls zuletzt darauf hingewiesen, dass gemeinsame Ansätze vorzuziehen sind.

Was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt noch in das Regulierungs-Paket aufgenommen werden - bzw. was gehört unbedingt gestrichen?
Die EU hat es geschafft, in recht kurzer Zeit (seit Sommer 2020) neue Regime für Daten, für die Künstliche Intelligenz und Rechtsakte für Plattformen und Digitalmärkte vorzubereiten. Zusammengenommen ist das nichts Weniger als eine normative Revolution der Digitalwirtschaft, die starke Außenwirkungen erzeugen kann. Europa hat sich mit der DSGVO als Normenexporteur einen Namen gemacht; ähnliche Effekte sind auch hinsichtlich der Plattform- und Digitalmärktenormen zu erwarten. Besser ausgestaltet werden sollten die Regeln hinsichtlich des Zugangs der Wissenschaft zu Unternehmensdaten und die Ziele und Methoden der Audits der Algorithmen. Auch die inneren Entscheidungsarchitekturen der Plattformen sollten transparenter werden. Vielleicht würde eine Ombudsperson oder eine Nutzer*innenanwält*in helfen?

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Tankred Schipanski
digitalpolitischer Sprecher
CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Tankred Schipanski - Sprecher für Digitalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
EU | Plattformen

Plattformen zu klaren Regeln über das ■ ■ ■

Was an den geplanten EU-Regeln zu den ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Tankred Schipanski
digitalpolitischer Sprecher
CDU/CSU-Bundestagsfraktion

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Tobias Schmid
Europabeauftragter
DLM

Dr. Tobias Schmid - Europabeauftragter der DLM und Vorsitzender der European Regulators Group for Audiovisual Media (ERGA)
EU | Plattformen

Konkretisierungen des Digital Services ■ ■ ■

Wie die DLM die geplanten EU-Regeln für große ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Tobias Schmid
Europabeauftragter
DLM

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Maria Theresia Niss
Bereichssprecherin Digitalisierung
Parlamentsklub der ÖVP

Mag. Dr. Maria Theresia Niss - Bereichssprecherin Digitalisierung, Forschung und Innovation des Parlamentsklubs der ÖVP im Nationalrat Österreichs
EU | Plattformen

Plattformen sind nicht mehr nur ■ ■ ■

Welche Regeln daher für die Internetriesen ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Maria Theresia Niss
Bereichssprecherin Digitalisierung
Parlamentsklub der ÖVP

ZUR FACHDEBATTE

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.