Die Bundesnetzagentur hat die Vorgaben für die Vergabebedingungen bei der 5G-Versteigerung verschärft und dafür Lob und Kritik bekommen. Wie finden Sie die Vorgaben?
Alles in allem hat die Bundesnetzagentur die Quadratur des Kreises zu leisten gehabt. Auf der einen Seite standen die etablierten Netzbetreiber, die keine verschärften Auflagen bezüglich der Flächendeckung beim Rollout von 5G- und 4G-Basisstationen wollten. Auf der anderen Seite will die Politik 5G am besten an jeder Milchkanne haben und zwar sofort.
In dieser Gemengelage hat sich die Bundesnetzagentur wacker geschlagen. Sie hat zum einen zwar Versorgungsauflagen verschärft, aber auf der anderen Seite bei etlichen Verpflichtungen zur Abdeckung von Verkehrswegen die Möglichkeit eröffnet, dass nur ein Anbieter diese Auflagen erfüllen muss. Außerdem können die Anbieter kooperieren. Ich denke, dass die Bundesnetzagentur in dieser schwierigen Situation eine vertretbare Lösung gefunden hat.
Nach den Vorgaben soll es für Netzbetreiber ein Verhandlungsgebot für Neueinsteiger über das Roaming geben – aber keine verpflichtende Netzöffnung. Wie bewerten Sie das?
Ich halte die Themen nationales, regionales und lokales Roaming in der öffentlichen Diskussion für stark überbewertet. Man tut so, als hätte man damit die eierlegende Wollmilchsau gefunden, mit der man sofort effizient Flächendeckung herstellen kann. Tatsächlich sind die jetzt zur Versteigerung anstehenden Frequenzen im 2- und 3,6-Gigahertz-Bereich nicht geeignet, um ländliche Regionen in wirtschaftlich sinnvoller, also effizienter Weise lückenlos mit Mobilfunk zu versorgen. Deshalb halte ich es für richtig, dass kein zwingendes Roaming in die Vergabebedingungen aufgenommen wurde. Die Roaming-Forderung zeigt nur, dass die Politik die Physik und die Mechanik von Anreizen für Netzinvestitionen nicht verstanden hat oder verstehen will. Zur Komplettabdeckung des ländlichen Raums liegt es nahe, auf die nächste Vergabe der Frequenzen im 800 Megahertz-Bereich zu warten, die ab 2026 neu zugeteilt werden.
Insbesondere auf den wichtigen Verkehrsadern soll das schnelle mobile Internet so zügig wie möglich kommen – reichen die Vorgaben für den vernetzten Verkehr der Zukunft?
Der vernetzte Verkehr wird nicht von heute auf morgen kommen. Bei den Auflagen, die den Pkw- und Lkw-Verkehr berühren, konzentriert man sich zunächst bis Ende 2022 auf die Bundesautobahnen und Bundesstraßen, die Land- und Staatstraßen kommen ein bisschen später. Das ist ein richtiger Zwischenschritt. Gleiches gilt für die Latenzzeit-Vorgabe von 10 Millisekunden, die weitere Schritte in Richtung auf teilautonomes Fahren möglich macht.
Ich denke, dass die Vorgaben der Bundesnetzagentur nicht der Engpass für das teilautonome oder autonome Fahren sind. Vielmehr sind hier zusätzliche technische Entwicklungen und Standardisierungen nötig. Insofern sollten die Vorgaben für den Zeitraum bis 2024 ausreichen.
Ganz grundsätzlich: wozu wird das Internet an jeder sprichwörtlichen Milchkanne überhaupt gebraucht?
Hier handelt es sich um eine politische Forderung. Ich meine, dass ein breitbandiger Zugang zum Internet an jeder Milchkanne von privatwirtschaftlichen Unternehmen deshalb nicht angeboten werden wird, weil die Zahl und Zahlungsbereitschaft der Nachfrager nicht ausreichen, um die Kosten eines derartigen Angebots zu decken. Wenn der Staat an jeder Milchkanne Internet haben will, dann muss er selbst dafür die Finanzmittel bereitstellen und es entsprechend direkt subventionieren. Allerdings hat mir bislang kein Politiker eine hinreichend konkrete Begründung dafür geliefert, warum Internet an jeder Milchkanne als Teil der Daseinsvorsorge nach Abwägung von Nutzen-Kosten-Gesichtspunkten staatlich erzwungen werden muss.
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