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Das Metaversum zwischen Hype und digitaler Utopie oder Dystopie

Wie das Netz sich verändern kann

Thomas Barthel, Herausgeber Quelle: Meinungsbrometer.info Dipl.- Journ. Thomas Barthel Founder & Herausgeber Meinungsbarometer.info 27.06.2022

Metaversum nennt der ehemalige Amazon-Manager und heutige Tech-Investor Matthew Ball ein durchlässiges virtuelles Netz, in dem wir künftig mehr und mehr Zeit, Freizeit wie Arbeit in virtuellen Welten und Simulationen verbringen. Ball sieht darin eine echte Weiterentwicklung – und natürlich neue Geschäftsmodelle. Gaming-Welten nennt er bereits heute Vorreiter.

Alexander Rabe ist Geschäftsführer von eco, dem Verband der Internetwirtschaft. Er beschreibt in der Fachdebatte auf meinungsbarometer.info verschiedene Sichten auf das Thema. "Für die einen ist das Metaverse der nächste logische Schritt der Internetentwicklung und so etwas wie eine digitale Utopie, für andere ist es schlichtweg der nächste große Marketing-Hype ohne realen Bezug zu technologischen Entwicklungen und Möglichkeiten und für wieder andere ist das Metaverse der Beginn der menschlichen Unterjochung einer allgegenwärtigen und allmächtigen KI – also so etwas wie eine internetbasierte Dystopie.“ Dieses diametrale Wahrnehmungsdreieck verwundert ihn insofern, da zu dem Begriff „Metaverse“ noch nicht einmal eine allgemeinverbindliche Definition existiert. Somit sei das Metaverse die ideale Projektionsfläche für Technikskeptiker und Technikbegeisterte gleichermaßen.

Mark Wächter vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) definiert das Metaverse als logischen Nachfolger des Mobile Internet. Und er verweist auf die bislang nicht vorhandenen Ressourcen: „Für die Vision von Matthew Ball brauchen wir aus heutiger Sicht weltweit ungefähr die tausendfache Computing-, Cloud- und Storage-Leistung. Selbst wenn der Prozess Software-seitig durch den Einsatz von KI, Machine Learning und 5G/6G-basiertes Edge-Computing beschleunigt wird, sprechen wir hier eher von Jahrzehnten als Jahren.“ Dennoch lasse sich die technologische Entwicklung Richtung Metaverse nicht aufhalten. Die Art der privaten und geschäftlichen Interaktion werde sich – wie bereits in den vergangenen Pandemie-Jahren begonnen - fundamental ändern.

Felix Falk, Geschäftsführer game - Verband der deutschen Games-Branche, verweist auf den entscheidenden Beitrag der Games-Branche für die Entwicklung eines Metaversums. „Bei 3D-Engines, Virtual- und Augmented-Reality-Brillen sowie Netzwerktechnologien, die alle für ein Metaversum erforderlich sind, ist die Games-Branche klarer Technologieführer.“ Aber auch darüber hinaus werde gutes Game Design benötigt, um virtuelle Welten zu gestalten und ein einfach zu verstehendes User Interface für 3D-Welten zu bieten. Auch hierbei sowie bei Erzähl- und Interaktionskonzepten setze die Games-Branche seit Jahren Maßstäbe.

Auf die rechtliche Dimension geht Carina Stöttner, Managing Director der Themis Foresight GmbH, ein. Der Grundstein für die Regeln des Metaversums werde heute gelegt. Wer das Metaversum mitgestalte, bestimme die Logiken. Die Big Four der Digitalbranche werden aus ihrer Sicht mit aller Macht versuchen, ihre Werte, Normen und Regeln durchzusetzen. Es sei aber auch denkbar, dass mit dem Metaversum die zentralistischen, monopolistischen Logiken des Internets ausgehebelt werden und es zukünftig mehr dezentrale Kommunikations-Technologien gebe. „Nichtsdestotrotz müssen sich Institutionen wie die EU früh genug damit auseinanderzusetzen, welche Kultur und damit welche Regeln sie im Metaversum etablieren wollen.“

Für Christiane Friedemann von der Zukunftsinstitut Workshop GmbH hängt der Erfolg des Metaversum im großen Maße von der Interoperabilität ab. „Da die einzelnen Player jedoch die Zugangskontrolle und damit Datenhohheit für sich bewahren wollen, ist dieses Szenario nicht sehr wahrscheinlich.“ Sie prognostiziert eher mehrere Metaversen – eines für die Arbeit, ein anderes fürs Gaming, wieder ein anderes fürs Dating etc. Eine Gefahr in dieser Entwicklung liege darin, dass viele Menschen ausgegrenzt werden. Von daher gelte es, den Zugang zum Metaversum so leicht wie möglich zu gestalten.

Zukunftsforscher Kai Gondlach zeigt sich besorgt, in welche Richtung die Entwicklung zeigt. „Schon jetzt haben wir immer mehr Probleme mit einer 100-Prozent-Mentalität, die in eine extreme Form der Wohlstandsverwahrlosung führt. Wenn eine politische Partei nicht komplett der eigenen Haltung entspricht, gehen viele gar nicht mehr wählen. Wenn eine Zeitung oder ein TV-Sender programmatisch mal daneben liegt, werden sie plötzlich zu verachteten „Systemmedien“.“ Also bleibe nur noch der Angriff nach vorn oder die Flucht ins Digitale. Und genau das nutze das Metaversum aus: „eine schöne, neue Welt, die ich mir so baue, wie sie mir gefällt.“

Prof. Dr. Rolf Kreibich vom Sekretariat für Zukunftsforschung an der Freien Universität Berlin hält hingegen die Wahrscheinlichkeit der Erschaffung eines Metaversums für die Menschen für gering. Er sieht die drängenden Überlebensprobleme in diesem Jahrhundert im Vordergrund. „Wir müssen vielmehr konzentriert unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse und technologischen Handlungsmöglichkeiten auf die Zukunftsfähigkeit der Menschheit ausrichten. Das wird nur durch eine Zweite Aufklärung - Aufklärung 2.0 - und eine Nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft möglich sein.“ Selbst dieser Weg notwendiger neuer Weichenstellungen vor allem in den Bereichen Ökonomie, Ökologie, Finanzsystem, Sozial-verhalten und Kultur sei angesichts zahlreicher Tipping-Points nur noch unter größten Anstrengungen zu erreichen. Warum sollte man also in ein hierfür wenig taugliches Metaversum investieren? Zudem sieht es keine Hinweise darauf, dass ein Großteil der Menschen eine solche Verschmelzung von Realität und Virtualität wünsche.

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