Immer mehr Handwerksbetriebe setzen digitale Technik ein. Wie schätzen Sie den Stand der Digitalisierung bei den Handwerksbetrieben ein?
Insgesamt sind wir auf einem guten Weg. Wenn wir uns mit anderen Branchen vergleichen, etwa mit der Industrie oder mit dem Handel, liegen wir im Mittelfeld. Nach dem Digitalisierungsindex der Telekom erreichen wir von den 100 Prozentpunkten in den letzten Jahren 55 bis 56. Zum Vergleich: Die Industrie kommt auf 58 Prozentpunkte und ist somit auf einem ähnlichen Level wie wir. Dabei sind die Voraussetzungen und zur Verfügung stehenden Ressourcen für die Digitalisierung der Unternehmen nicht vergleichbar. Das Handwerk ist gegenüber der Industrie von einer wesentlich kleinteiligeren Organisationsstruktur geprägt. Im Durchschnitt haben Handwerksbetriebe fünf Mitarbeiter und keinen Chief Digital Officer (CDO). Sicher gibt es auch größere Handwerksunternehmen, wie etwa den Optiker Fielmann. Dem gegenüber stehen jedoch viele Solo-Selbstständige. Und wenn Sie sehen, dass große Unternehmen ganze Abteilungen für die Digitalisierungs-Fragen und -Themen haben, ist das bei kleinen Betrieben gar nicht möglich. Angesichts dessen bin ich eigentlich mit dem Fortschritt der Digitalisierung im Handwerk recht zufrieden. Das heißt nicht, dass wir uns zurücklehnen können. Im Gegenteil, es liegt noch eine Menge Arbeit vor uns. Wir verstehen Digitalisierung dabei als kontinuierlichen Prozess und sinnvolle Unterstützung für handwerkliche Tätigkeiten. Dabei ist es mit der Umsetzung einzelner Digitalisierungsmaßnahmen im Unternehmen nicht getan. Doch der Aufwand lohnt sich. Denn es wirkt sich meistens positiv auf den Einsatz zeitlicher, personeller und auch finanzieller Ressourcen aus. Zudem ist die Digitalisierung notwendig, um auch zukünftig am Markt zu bestehen.
Aus unseren Sonderumfragen zur Digitalisierung im Handwerk, die wir gelegentlich mit den Handwerkskammern im Zuge der Konjunkturumfrage durchführen, zeigt sich, dass kontinuierlich ein Viertel aller Handwerksbetriebe, Digitalisierungsmaßnahmendurchführen. Natürlich würde ich mir wünschen, dass noch mehr Unternehmen in ihre digitale Zukunft investieren, aber wenn Jahr für Jahr rund 250.000 Handwerksbetriebe entsprechende Maßnahmen zur Digitalisierung ihres Unternehmens ergreifen, dann ist das ein gutes Fundament, auf dem wir aufbauen können.
JETZT HERUNTERLADEN
DIE DOKUMENTATION DIESER FACHDEBATTE
DIE DOKUMENTATION ENTHÄLT
Übersicht aller aktiven Debattenteilnehmer
Summary für Ihr Top-Management
Die meisten Betriebe setzen digitale Tools für Organisations- und Verwaltungsarbeiten und im Marketing und Vertrieb ein - welche Potenziale sehen Sie in digitaler Technik für das Handwerk darüber hinaus?
Was Sie ansprechen, sind wichtige erste Schritte. Denn dabei geht es darum, Prozesse zu optimieren. Aber das ist natürlich nicht alles. Ich vergleiche das gern mit einer Zitrone. Wenn Sie die einmal ausgepresst haben, dann geht da nichts mehr. Dann gilt es neue Ansätze zu finden, um sich mit Innovationen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Es gibts viele Möglichkeiten – vom Cloud Computing über Software-Systeme für die Projektplanung bis zum Einsatz von Drohnen und Robotern oder von Virtual Reality. AR- und VR-Brillen können zum Beispiel auf der Baustelle den Plan eines Schaltschrankes einblenden oder den Experten vom Hersteller bzw. aus dem Büro zuschalten.
Bei der Implementierung digitaler Technologien gibt es noch große Potenziale für das Handwerk. Nach unseren Befragungen haben zuletzt lediglich 22 Prozent der Betriebe mit Digitalisierungsmaßnahmen solche innovativen Projekte in Angriff genommen. Ebenso viel Potenzial schlummert in der Cybersicherheit. Auch hier müssen die Unternehmen stärker aktiv werden. Denn Sicherheit sollte bei der Digitalisierung immer von Anfang an mitgedacht werden.
In nächster Zukunft spielen sicher auch Themen wie Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge eine große Rolle. Mittels Sensorik können beispielsweise fertige Projekte überwacht und gewartet werden. Da gibt es für Handwerksbetriebe noch viel Potenzial.
Digitaltechnik braucht Investitionen. Wie sollte das Handwerk bei der digitalen Transformation unterstützt werden?
Jeder Unternehmer muss mit Blick auf die strategische Ausrichtung seines Unternehmens und unter Berücksichtigung von Opportunitätskosten bei beschränkten personellen und finanziellen Ressourcen entscheiden, ob und wie viel er in die Digitalisierung seines Unternehmens investieren möchte. Dennoch bin ich der Auffassung, dass die Entscheidung hinsichtlich der Digitalisierung eines Unternehmens nicht ausschließlich an Förderprogrammen oder externe Unterstützung geknüpft, sondern ein Budget für Digitalisierungsmaßnahmen eingeplant und als Investition in die Zukunft verstanden werden sollte.
Gleichwohl bin ich der Meinung, dass Förderprogramme und Investitionszulagen geeignete Instrumente für Klein- und Kleinstunternehmen darstellen können. Die Bundesregierung hat die Programme „Go Digital“ und „Digital jetzt“ initiiert. Diese Programme verfolgen einen guten Ansatz. Allerdings sind die Mindestanteile, die Unternehmen für Förderungen aufbringen müssen für kleine Handwerksbetriebe oft zu hoch.
Je größer ein Betrieb ist, desto höher ist auch der Digitalisierungsgrad. Welche besondere Hilfe brauchen gerade kleine Handwerksbetriebe?
Für kleine Unternehmen sind Förderprogramme wie „Mittelstand-Digital“ besonders geeignet. Das Mittelstand-Digital-Zentrum Handwerk bietet dabei ein breites Spektrum an kostenfreien Unterstützungsangeboten, um Handwerksbetriebe und andere KMU auf ihrem Weg in die Digitalisierung zu begleiten – im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe. Als wichtige Anlaufstelle sind auch die Berater und Beraterinnen der Handwerksorganisationen zu nennen, die Unternehmer kostenfrei und individuell über Digitalisierungs- und Finanzierungsmöglichkeiten im eigenen Handwerksbetrieb informieren.