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Interview13.09.2017

Bundestagswahlen und keiner hört was

Fehlende Funkfrequenzen machen die Berichterstattung zum Glücksspiel - 2019 droht das völlige Aus für die Drahtlostechnik

Helmut G. Bauer, Medienanwalt und Vorsitzender von SOS – Save Our Spectrum, Initiative zur Sicherung von Funkspektrum für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Quelle: Helmut G. Bauer Helmut G. Bauer Rechtsanwaltskanzlei Helmut G. Bauer
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Gerade ist Schlussspurt im Wahlkampf. Und alle Kandidaten sprechen täglich bei ihren Veranstaltungen in drahtlose Mikrofone. "Doch kaum ein Politiker weiß, dass jedes Mikrofon eine Frequenz benötigt, die nicht von anderen gestört werden darf", so der renommierte Medienanwalt Helmut G Bauer. Bereits zur aktuellen Bundestagswahl am 24.9. ist die Berichterstattung nur dann gesichert, wenn die Programmveranstalter sich um eine gute Frequenzkoordination kümmern. "Schlimm wird es bei der nächsten Bundestagswahl 2021, wenn das 700 MHz-Band nicht mehr zur Verfügung steht. Wie dann die Berichterstattung sichergestellt werden kann, ist völlig offen."





Sind die Wahlübertragungen zur Bundestagswahl am 24. September durch fehlende Funkstrecken gefährdet?
Durch die Versteigerung des 700- und 800 MHz-Spektrums an den Mobilfunk haben die drahtlosen Mikrofone rund die Hälfte ihrer wichtigsten Frequenzbereiche verloren. Die terrestrischen Fernsehsender und die drahtlosen Produktionsmittel müssen sich jetzt in den verbleibenden Bereich 470 - 694 MHz zwängen. An vielen Stellen sind dann nur noch wenige Kanäle für Funkmikrofone frei. Sie reichen in der Regel nicht mehr für alle Funkmikrofone zur Berichterstattung an einem Wahlabend einer Bundestags- oder Landtagswahl aus.

Da zurzeit das 700 MHz-Band noch nicht ganz ausgebaut ist, und deshalb von den drahtlosen Mikrofonen teilweise noch weiter genutzt werden kann, wird die Berichterstattung am 24. September noch möglich sein. Voraussetzung ist eine gute Frequenzkoordination. Schlimm wird es bei der nächsten Bundestagswahl 2021, wenn das 700 MHz-Band nicht mehr zur Verfügung steht. Wie dann die Berichterstattung sichergestellt werden kann, ist völlig offen.

Ab 2019 wird sich die Frequenzsituation weiter verschärfen, da der Mobilfunk zu Ungunsten der Drahtlosanwender weitere Frequenzen erhält. Welche Szenarien drohen dann?
Der Mobilfunk baut schrittweise sein 700 MHz-Band aus. Dann ist dort kein Platz mehr für drahtlose Produktionsmittel. Wie sich das konkret auswirkt, kann man etwa in München sehen. Dort stehen in Zukunft im UHF-Spektrum nur noch 15 Kanäle für Funkmikrofone usw. zur Verfügung. Auf dem Oktoberfest sind aber inzwischen mehr als 100 Geräte im Einsatz. In diesen 15 Kanälen lassen sich aber nur 78 drahtlose Produktionsmittel unterbringen. Es wird zu Störungen kommen! In manchen Gebieten gibt es wegen der vielen einstrahlenden TV-Sender sogar nur noch vier freie Kanäle. Veranstaltungen werden dort nur noch begrenzt stattfinden können, wenn mit drahtlosen Produktionsmitteln gearbeitet wird.

Welche Möglichkeiten haben Drahtlosanwender überhaupt gegen den Verlust von Frequenzen vorzugehen? Was erwarten Sie von der Politik zum Schutz der Drahtlosanwender?
Da gerade im Wahlkampf alle Kandidaten täglich bei ihren Veranstaltungen in drahtlose Mikrofone sprechen, könnte man davon ausgehen, dass sie dem Thema aufgeschlossen sind. Das Gegenteil ist der Fall, weil sie sich bisher nie klar gemacht haben, dass jedes Mikrofon eine Frequenz benötigt, die nicht von anderen gestört werden darf. Außerdem ist nicht jeder Frequenzbereich dafür geeignet. Wir haben deshalb die Nutzer aufgefordert, ihre Kandidaten konkret auf das Problem anzusprechen. Das werden wir nach der Bundestagswahl fortsetzen. Bei unserer Nachfrage bei den Parteien zu ihren Plänen zur Sicherung der Frequenzen für die Kultur- und Kreativwirtschaft mussten wir feststellen, dass weder das notwendige Wissen noch das Bewusstsein dafür vorhanden sind.

Da die Entscheidungen zu den 700 und 800 MHz-Bändern gefallen ist, konzentrieren wir uns einerseits auf den Schutz des Bereichs 470-694 MHz und andererseits auf die Bereitstellung von Ersatzspektrum. Die Bundesregierung hat vor kurzem, in ihrem Entwurf der neuen Frequenzverordnung, die Bereiche 1350-1400 MHz und 1518-1525 MHz für drahtlose Produktionsmittel geöffnet. Das war ein wichtiger Schritt, den wir ausdrücklich begrüßen. Wir gehen davon aus, dass der Bundesrat dem zustimmen wird. Diese Entscheidung ist die Grundlage für die Industrie, für die neuen Frequenzbereiche Geräte zu entwickeln. Um es aber klar zu sagen: Das kann und wird den Frequenzverlust nicht kompensieren. Und: Für die Nutzer bedeutet dies, dass sie neue Geräte kaufen müssen.

Welche Hoffnungen aber auch Sorgen verbinden Sie mit der nächsten Weltfunkkonferenz? Bisher wurden dort tendenziell eher die Mobilfunkanwender gestärkt.
Jede Weltfunkkonferenz entscheidet selbständig. Deshalb können wir leider nicht davon ausgehen, dass das verbliebene UHF-Band von 470 -694 MHz mindestens bis ins Jahr 2030 für TV und drahtlose Produktionsmittel zur Verfügung steht. Es gibt bereits Bemühungen, dieses Spektrum schon jetzt ebenfalls für den Mobilfunk zu öffnen. Das wäre das Ende. Das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur und die Bundesländer sprechen sich deshalb klar gegen dieses Vorhaben aus. Wir hoffen, dass sie dies bereits bei den internationalen Vorbereitungskonferenzen deutlich machen und andere Staaten als Verbündete gewinnen. Sind die Kulturfrequenzen erst einmal an den Mobilfunk vergeben, gibt es kein Zurück mehr. Dann würde die Zukunft in Mikrofonen mit Kabeln liegen – schauen Sie sich mal Fernsehsendungen aus den fünfziger Jahren an, dann wissen Sie, was das bedeutet.

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