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Bahnsektor muss Spediteuren ein attraktives Angebot unterbreiten

Förderung der Digitalisierung wird schwieriger Spagat

Niels Beuck, Geschäftsführer und Leiter Schienengüterverkehr | Kombinierter Verkehr im DSLV Bundesverband Spedition und Logistik Quelle: DSLV Bundesverband Spedition und Logistik Niels Beuck Geschäftsführer DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e.V. 31.03.2021
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Der Bahnsektor startet von einem sehr niedrigen Grad der Digitalisierung", sagt Niels Beuck, Geschäftsführer und Leiter Schienengüterverkehr | Kombinierter Verkehr im DSLV Bundesverband Spedition und Logistik. Die große Lücke biete aber auch eine große Chance: "Der Bahnsektor kann mit relativ einfachen Mitteln rasche Fortschritte in der Digitalisierung erreichen."







Welche Herausforderungen warten bei der weitreichenden Digitalisierung der Bahninfrastruktur auf die Deutsche Bahn und ihren Eigentümer, den Staat?
Der Bahnsektor startet von einem sehr niedrigen Grad der Digitalisierung. Während die Luftfracht und der KEP-Bereich in den letzten Jahren die großen Innovatoren waren, besteht das Rollmaterial der Eisenbahnen im Güterverkehr teilweise noch aus Loks aus den 80er Jahren. Digitalisierung heißt oftmals noch Dokumente in Pdf umzuwandeln und per E-Mail an die Kunden weiterzuleiten. Die große Lücke bietet aber auch eine große Chance, denn so können mit relativ einfachen Mitteln Fortschritte in der Digitalisierung erreicht werden. Dazu zählen das Erreichen einer besseren Pünktlichkeitsquote, eine bessere Kommunikation mit den Kunden oder größere Transparenz. Der Staat muss dafür Fördergelder zur Verfügung stellen, da die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) geltend machen, dass die Digitalisierung aus Eigenmitteln nicht gelingen kann. Das ist bei einem integrierten Staatskonzern wie der DB problematisch, da sie sich dadurch Vorteile im Wettbewerb mit anderen EVU verschafft. Die Speditionsbranche sieht eine solche Förderung daher teilweise kritisch.

Aus Sicht der privatwirtschaftlichen Logistikunternehmen werden Unternehmen mit vollständiger oder auch nur teilweiser Staatsbeteiligung im Wettbewerb natürlich kritisch betrachtet. Insbesondere Staatsbahnen begeben sich dabei in einen schwierigen Spagat zwischen betriebswirtschaftlichen, d. h. gewinnorientierten Zielen und Daseinsvorsorge öffentlicher Leistungen. Die Staatsbahnen sollten allein durch ihre Größe und ihre an öffentliche Haushalte gekoppelte finanzielle Grundausstattung bestens dafür aufgestellt sein, Güterströme nachhaltig auf die Schiene zu lenken. Aber eben diese Größe macht sie oft auch unflexibel und verlangsamt Prozesse, insbesondere wenn auch die Politik Unternehmensziele vorgibt. Während die Privatbahnen bereits gut 50 Prozent aller Güter auf der Schiene befördern und sich auf die ertragreichen Felder wie den Kombinierten Verkehr und den Ganzzugverkehr konzentrieren, muss die DB Cargo auch noch den Einzelwagenverkehr, der ansonsten in Europa kaum noch existiert, am Leben halten. Hier sehe ich insofern Privatbahnen in der klar besseren Position, da Innovationen schneller umgesetzt werden können – vorausgesetzt die Staatsbahn spielt mit und gewährt den diskriminierungsfreien Zugang zum Schienennetz. Für die Kunden der Schiene, darunter die Spedition, ist das Angebotsmix im Wettbewerb eher förderlich.

Abhängigkeiten von Fremddienstleistern im Bereich Transport, Umschlag und Lagerung sind meist Hürden für die Transformation der meisten Speditionen vom 3PL zum 4PL. Hürden, die oft auch die Etablierung branchenfremder Akteure und Plattformen in den Teilmärkten der Logistik verhindern. Doch insgesamt bleibt die Logistik weiterhin ein Treiber der Digitalisierung – anders als die öffentliche Hand, die sich mit der rechtlichen Akzeptanz elektronischer Beförderungspapiere und Begleitdokumente sowie der Durchsetzung einheitlicher Vorgehensweisen in Europa immer noch schwertut.

Der Eisenbahnverkehr in Deutschland hat mit vielen Problemen zu kämpfen: Zu wenige Lokführer, Unpünktlichkeit, Konkurrenz der Straße, veraltete Technik, voreilig stillgelegte  Strecken etc. Inwieweit kann die digitale Offensive bei der Lösung dieser Probleme helfen?
Höhere Anforderungen an die Digitalisierung der Schnittstellen zwischen Verlader und Logistikdienstleister können den Effizienz- und Kostendruck abfedern und mehr Transparenz und Sichtbarkeit der Lieferketten herstellen, indem Prozesse, Menschen und Assets miteinander verbunden werden. Das schließt AI- und IoT-Lösungen ebenso ein wie Robotik, autonomes Fahren und virtuelle Realität, z. B. bei der Konfektionierung mithilfe von Datenbrillen. Daten zum Versandstatus, aktuelle Lagerbestände oder die operative Performance sind für Kunden und Logistiker gleichermaßen wichtige Parameter zur Lieferkettenoptimierung.

Neben den dringend umzusetzenden Infrastruktur- und Gleisanschlussprojekten, für die jetzt auch Haushaltsmittel bereitstehen, muss der Einsatz von 740 m-Zügen sowie die Digitalisierung und Automatisierung des Wagenmaterials beschleunigt werden. Dies ist Teil der technischen Qualitätsertüchtigung, mit der die Effizienz gesteigert werden und Leistungszusagen wie Pünktlichkeit etc. eingehalten werden sollen. Daneben sind Preistransparenz und eine dichte Kundenkommunikation wichtig. Entscheidend wird auch sein, wie sich die Eisenbahnverkehrsunternehmen selbst im Güterverkehrsmarkt positionieren. Als leistungsstarke Carrier für den Transport von Massengütern und standardisierten Behältnissen (Container, Wechselbehälter und Lkw-Trailer) über längere Distanzen entfalten die EVU nach wie vor ihre Stärken. Nicht nur für den Vor- und Nachlauf im Kombinierten Verkehr und bei der Schnittstellenbereitstellung (Gleisanschlüsse und multimodale Railports) bedarf es Kooperationen mit Logistikdienstleistern. Die Verlagerungsentscheidung zu Gunsten der Schiene treffen Speditionen als Verkehrsarchitekten vor allem dann, wenn sich EVU kundenneutral aufstellen und nicht versuchen, abseits ihrer Kernkompetenzen zu agieren, indem sie versuchen, in die klassischen Märkte des Speditionsgeschäfts einzudringen.

Der Schienengüterverkehr und die Eisenbahnverkehrsunternehmen müssen dem Spediteur ein attraktives Angebot unterbreiten. Das ist nicht allein eine Preisanfrage, wie häufig angenommen wird, sondern hängt auch von anderen Faktoren ab: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, gutem Service und Kommunikation und dem Umweltauswirkungen. Macht man die Schiene transparenter und kundenfreundlicher, können auch neue Kundengruppen gewonnen werden. Dabei sollten die Eisenbahnverkehrsunternehmen sich auf ihre Rolle als Transportunternehmen konzentrieren, da nur Spediteure das Vertrauen haben, Mengen ins System zu geben.

Ist die bislang geplante Investitionssumme für den Zweck der umfassenden Digitalisierung ausreichend?
Dazu können wir als lediglich mittelbare Nutznießer nichts sagen. Im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern erscheint die Investitionssumme auf europäischer und nationaler Ebene schon hoch, was sicher auch der Tatsache geschuldet ist, dass es einen größeren Rückstand aufzuholen gilt.

Wie gut schätzen Sie die Zusammenarbeit europäischer Eisenbahngesellschaften beim Thema Digitalisierung ein?
Das können wir nicht beurteilen. Grundsätzlich ist aber eine stärkere Kooperation wünschenswert. Als in Rastatt eine Hauptmagistrale des europäischen Schienengüterverkehrs ausfiel, lief die europäische Kooperation nicht gut.

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