Als eine Herausforderung beim Fachkräftemangel gilt die Diskrepanz zwischen vorhandenen Qualifikationen und dem Profil-Bedarf der Unternehmen – welche Bestrebungen gibt es in Ihrem Land, das zu lösen?
Junge Menschen müssen ihre eigenen Wünsche, Vorstellungen und Fähigkeiten mit den Anforderungen der Arbeitswelt abgleichen können. Genauso wichtig ist es, dass Unternehmen und Betriebe die Möglichkeit haben ihre Anforderungen an die Zielgruppe heranzutragen. Mit unserem landesweiten Übergangssystem „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) in Nordrhein-Westfalen wird genau das ermöglicht. Unternehmen und junge Menschen werden zusammengeführt: Schülerinnen und Schüler ab der Klasse 8 sammeln bis zu ihrem Schulabschluss vielfältige praktische Erfahrungen in der Arbeitswelt.
Darüber hinaus nehmen wir als Landesregierung gezielt das Matching zwischen Ausbildungssuchenden und Ausbildungsbetrieben in den Blick. Mit unserem neuen Programm „Ausbildungswege NRW“ bekommen Betriebe Unterstützung bei der Besetzung ihrer Ausbildungsstellen. Und Ausbildungsinteressierten wird bei der Suche nach einem passenden Ausbildungsplatz geholfen. Ziel ist für beide Seiten einen erfolgreichen Ausbildungsstart zu ermöglichen.
Unternehmen sind aber auch selbst dafür verantwortlich, die Beschäftigten für ihre – oft sehr speziellen – Bedarfe weiterzubilden. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen lässt sie damit jedoch nicht alleine und bietet Unterstützungsmöglichkeiten.
Mit der Potentialberatung und der Transformationsberatung können Unternehmen bis zu 4.800 Euro erhalten, um die Kompetenzbedarfe ihrer Beschäftigten und passende Lösungen für die Weiterentwicklung zu identifizieren.
Mit dem Bildungsscheck wird darüber hinaus die Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger an beruflicher Weiterbildung gefördert. Auch Unternehmen können den Scheck für ihre Beschäftigten einsetzen. Allein 2022 wurden gut 28.500 Schecks ausgegeben.
Grundsätzlich ist wichtig, dass Unternehmen nicht nur nach neuen Beschäftigten mit ganz passgenauen Qualifikationen suchen, sondern ihr vorhandenes Personal systematisch weiter qualifizieren.
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Wie können auch Menschen ohne Berufsausbildung für die Anforderungen der Arbeitswelt von morgen fit gemacht werden?
Der Mangel an Fachkräften ist eine große Herausforderung. Zugleich bietet die Situation jungen Menschen - auch denen ohne Berufsausbildung - eine gute Gelegenheit, auf dem Ausbildungsmarkt Fuß zu fassen. Gerade eine Ausbildung bietet vielfältige Tätigkeiten, sichere Perspektiven, gute Verdienstmöglichkeiten und ermöglicht damit ein selbstbestimmtes Leben.
Leider münden noch zu wenige junge Menschen in eine Ausbildung. Hier stecken Potenziale, die es zu heben gilt. Oft hilft es jungen Menschen schon, eine Ansprechperson zu haben, die ihnen Perspektiven aufzeigt und sie begleitet. Die Landesregierung investiert deshalb im Rahmen der Fachkräfteoffensive NRW insgesamt rund 50 Millionen Euro, vor allem in Coaching-Angebote für junge Menschen im Übergangssektor, um Ausbildungssuchende und Ausbildungsbetriebe passgenau zusammen zu bringen. Die Wirtschaft flankiert dies ihrerseits mit Praktikums- und Ausbildungsangeboten.
Für Beschäftigte ohne Berufsabschluss gibt es mit der Teilqualifizierung eine gute Möglichkeit sich weiterzubilden und einen Berufsabschluss nachzuholen. Hier sehe ich eine Chance, die noch stärker genutzt werden sollte. Denn die Teilqualifizierung bietet mit einzelnen berufsanschlussfähigen Modulen einen niederschwelligen Einstieg in Qualifizierung.
Wichtig ist mir die Botschaft: „Jeder wird gebraucht!“. Die Landesregierung hat eine Fachkräfteoffensive initiiert, die auch das Potential der Menschen in den Blick nimmt, die langzeitarbeitslos sind und bislang noch nicht auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen konnten. Für sie wollen wir gezielt neue Perspektiven schaffen und Chancen eröffnen. Dazu haben wir unsere Initiative „Chancenperspektive“ gestartet. Gemeinsam mit den Jobcentern erproben wir neue Wege der Kooperation mit Unternehmen, um offene Stellen zeitnah mit langzeitarbeitslosen Menschen zu besetzen.
Manche ausländische Abschlüsse müssen in hiesigen Standards überführt werden – welche Instrumente gibt es in Ihrem Bundesland dafür?
Im Rahmen einer Berufsanerkennung von ausländischen Berufsausbildungen oder Studiengängen werden die in- und ausländische Ausbildung jeweils miteinander verglichen. Hier können theoretische und auch praktische Unterschiede ersichtlich werden. So sind dann z.B. praktische Nachqualifizierungen in der Grundpflege erforderlich, wenn im Ausland ein komplett theoretisches Pflegestudium absolviert wurde. Zum Ausgleich von theoretischen Unterschieden gibt es - je nach Beruf - Qualifizierungen. Zusätzlich kann man aber auch in einigen Berufen Eignungs- und Kenntnisprüfungen ablegen. Das ist insgesamt immer abhängig vom jeweiligen Beruf und der Art des Unterschieds sowie den berufsgesetzlichen Regelungen.
Klar ist: Der überall spürbare Mangel an Fachkräften, egal ob im Handwerk, der Industrie oder der Pflege kann durch die Hebung inländischer Potenziale allein nicht mehr aufgefangen werden. Qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland werden zur Deckung der Fachkräftelücke dringend benötigt. Wir stehen im Wettbewerb um die besten Köpfe – und viele Länder sind hier weiter als Deutschland. Auch deshalb wollen wir im Rahmen unserer Fachkräfteoffensive Nordrhein-Westfalen weiter Hürden abbauen und Anerkennungs- und Visaverfahren beschleunigen.
Wie können digitale Lösungen bei der beruflichen Qualifikation und Weiterbildung gegen den Fachkräftemangel leisten?
Spätestens seit der Corona-Pandemie wissen wir, welche Potenziale in digitalen Angeboten stecken. Webinare und andere digitale Angebote schaffen Flexibilität und erleichtern damit vielen Menschen, zum Beispiel Berufstätigen oder Eltern, den Zugang zu einer Weiterbildung. Insgesamt sehe ich durch die digitalen Möglichkeiten, auch durch Augmented oder Virtual Reality ganz klar Chancen für bestimmte Bildungsangebote und Personengruppen. Sie können beispielsweise auch Menschen im ländlichen Raum einen leichteren Zugang zu gewissen Bildungsangeboten eröffnen.
Neben der digitalen Gestaltung von Bildungsangeboten halte ich es auch für wichtig, dass wir die Zugänge zu Förderangeboten vereinfachen und digitalisieren. Lange Zeit musste man Beratungsstellen aufsuchen oder Papieranträge einreichen, um Fördermittel zu beantragen. Dies stellt eine unnötige Hürde dar, die durch Digitalisierung Stück für Stück abgebaut werden kann.