Nach dem Willen des EU-Parlaments soll für die unterschiedlichen Systeme bei der elektronischen Rechnungsstellung schnellstmöglich ein harmonisierter, gemeinsamer Standard geschaffen werden. Welche Vorteile und Herausforderungen sehen Sie dabei?
Viele EU-Mitgliedsstaaten wie Italien, Ungarn, Belgien, Frankreich und Spanien haben die Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung vom öffentlichen Beschaffungswesen auf Business-to-Business-Transaktionen (B2B) ausgeweitet bzw. entsprechende Verordnungen dahingehend verabschiedet. Für international tätige Unternehmen gestaltet es sich schwierig, den Überblick über die jeweiligen länderspezifischen Standards, Prozesse und Austauschsysteme zu behalten. Ein einheitliches Vorgehen wäre somit ressourcen- und kostenschonend. Ein Artikel der Europäischen Union prognostiziert mögliche Einsparungen von bis zu 40 Milliarden Euro jährlich allein im europäischen B2B-Geschäft. Die Herausforderung wird vor allem bei der Vereinbarung eines gemeinsamen Rechtsrahmens liegen und wann EU-einheitlich welche Regelungen eingeführt werden. Denn es gilt, die mit den zahlreichen, teilweise höchst unterschiedlichen nationalen Regelungen, die auch unterschiedlichste Systemvoraussetzungen bedingen, einhergehenden Konfliktpotenziale zu lösen.
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Die EU-Staaten sollen sich in diesem Zusammenhang um Systeme zur Einhaltung der Steuervorschriften kümmern - wie bewerten Sie das?
Die Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs bei grenzüberschreitenden Verkäufen im digitalen Zeitalter ist klares Ziel bei der Umsetzung. Gleichzeitig soll die Schnittstelle zwischen Verwaltung und Betrieben modernisiert und entbürokratisiert werden. Eine direkte Kontrolle versprechen Systeme, die eine Freigabe (Clearing) der Rechnung durch die Finanzverwaltung vorsehen. Die Rechnungsdaten für jede Transaktion können z. B. an die Steuerbehörden übermittelt werden und erst nach Freigabe des Rechnungsinhaltes kann der Vorgang rechtswirksam auf beiden Seiten gebucht werden. Ungenauigkeiten bei der Umsatzsteuerermittlung auf Rechnungsebene können nicht länger Folgefehler in Umsatzsteuervoranmeldungen oder -erklärungen verursachen, dies liegt auch im besonderen Interesse der Unternehmen. Die Kosten im Zusammenhang mit der Einführung neuer Meldepflichten sollen durch Verringerung der Fragmentierungskosten und eine effektive Betrugsbekämpfung amortisiert werden. Die technische Durchführbarkeit auf EU-Ebene muss jedoch analysiert, eine angemessener Umsetzungsrahmen festgelegt, der Verwaltungsaufwand beziffert und die Möglichkeit der Abschaffung bestehender länderspezifischer Meldepflichten eruiert werden.
Bei den einheitlichen Systemen sollen die Kosten für KMU im Blick behalten werden - wie lassen sich die Aufwände für kleine Unternehmen möglichst gering halten?
Der Schwerpunkt liegt insbesondere auf einer deutlichen Verringerung der Kosten für die Einhaltung der Vorschriften für KMU. Staatlich betriebene oder zertifizierte Systeme sollen die Rechnungsstellung verwalten, dies ist als klarer Vorteil zu werten. Ob das bereits existierende zentrale Rechnungseingangsportal auch bei einer Ausweitung der elektronischen Rechnungsstellung auf B2B und Business-to-Customer (B2C) als Clearingstelle fungieren könnte, ist aufgrund der föderalen Strukturen in Deutschland ungewiss. Ein verpflichtendes elektronisches System würde jedoch für Rechnungen an Geschäfts- und Privatkunden gelten. Generell müssen Unternehmen rechtzeitig und proaktiv Agieren und sich mit IT-Lösungen (z. B. über das eigene ERP-System) auseinandersetzen. Auch sollten sich Unternehmen überlegen, ob sie einen Dienstleister hinzuziehen, denn dieser kümmert sich sowohl um die technischen Aspekte von elektronischen Ein- und Ausgangsrechnungen als auch deren revisionssichere Archivierung. Jedoch dürfen die Effekte der Umstellung für die Unternehmen nicht vergessen werden: Dem anfänglichen Einführungsaufwand stehen Effizienzpotenziale über den gesamten Rechnungsbearbeitungs- und Umsatzsteuerprozess gegenüber.
Welchen Zeitrahmen halten Sie bei der angestrebten Harmonisierung für realistisch?
Es bleibt mit großer Spannung abzuwarten, wie es der Kommission gelingen wird, die Empfehlungen des Europäischen Parlaments mit ihren politischen Optionen und denen der Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen, denn der geplante Umsetzungsrahmen ist sehr sportlich. Je nach dem Grad der Zentralisierung der zu errichtenden IT-Infrastruktur und der benötigten rechtlichen Vorgaben ist jedoch mit einem längeren Zeitraum zu rechnen (sogar bis zum Jahr 2030).