KI-Tools können vieles – inzwischen sogar Bücher schreiben. Ein komplett KI-generiertes Kinderbuch war eher ein Experiment - noch? Klar ist: Tools wie Chat-GPT verändern die Buchbranche. Tatsächlich können KI-gestützte Anwendungen auch dem klassischen Belletristik-Autor ein gutes Werkzeug sein. Andererseits sehen sich Herausgeber beispielsweise von Kurzgeschichten-Magazinen in den USA bereits jetzt von mutmaßlichen KI-generierten Texten mitunter geradezu überschwemmt.
Bestsellerautor Andreas Eschbach sieht das Einsatzgebiet in der Fachdebatte auf Meinungsbarometer.info derzeit am ehesten im Sachbuchbereich und im Journalismus. „Ich habe zahlreiche Gebrauchsanweisungen gesehen, bei denen ich mir sicher bin, dass eine KI sie heute schon besser geschrieben hätte.“. Er erkennt eine Tendenz zu immer gleichförmigeren Texten. Allerdings hat er diese Tendenz schon lange vor den KIs beobachtet, was den Schluss zulässe, dass da auch andere Faktoren eine Rolle spielen.
Matthias Bieling, Schriftsteller und Vorstandsvorsitzender der Krimiautoren-Vereinigung Syndikat*, bemerkt, dass KI-Tools schon heute häufiger eingesetzt, als den meisten bewusst sei: „Der Einkauf fremdsprachiger Literatur erfolgt auf der Basis von KI-Übersetzungen, Buchempfehlungen auf Shops und in Buchhändlerbriefings werden von KI generiert." Er verweist auch auf die Vorprüfung von Buchprojekten. Der Einsatz werde sich weiter erhöhen und für „stark verkaufsorientierte“ Akteure werde sich schon sehr bald ein großer Teil fast aller Schritte vollständig mit KI erledigen lassen: Von dem Entwurf des Plots, der Figuren und der Handlungsstränge über Prüfung der Marktfähigkeit, Entwurf von Cover, Klappentexten, Formaten und ähnlichem bis hin zu Pricing, Erscheinungsdaten, Ermittlung der Absatzplanung für z.b. Audioausgaben auf den von der KI ausgewählten Vertriebsplattformen und so weiter. Generative KI werde auch ganze Manuskripte selbständig erstellen können. „Der Mensch wird dann in diesem Teil des Literaturmarktes das Moderieren der einzelnen Algorithmen und das Editieren der Ergebnisse zu einem Gesamtvorgang vornehmen.“
Aus Sicht der Verlage bestätigt Carmen Udina, Sprecherin der Interessengruppe Digital im Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Vielfältige KI-Nutzung beispielsweise bei der Vorselektierung von unverlangt eingesandten Manuskripten. Diese Bearbeitung dauere normalerweise sehr lange und habe schon den ein oder anderen Autoren ins Selfpublishing getrieben. Eine weitere Einsatzmöglichkeit sei im Bereich Metadaten. SEO und Kategorisierungen würden durch KI einfacher. „Der Inhalt eines Buches kann in Rekordzeit durchforstet und die Begriffe identifiziert werden, die nicht nur das Buch am besten beschreiben, sondern auch die Leserschaft höchstwahrscheinlich zum Kauf animieren.“ KI könne hier unterstützen, sei also sogar ein vertriebliches Tool.
Für Heike Abidi, Schriftstellerin und Präsidentin von DELIA, der Vereinigung deutschsprachiger Liebesromanautorinnen und -autoren, ist ein KI-Chatbot wie ChatGPT einfach nur ein weiteres Tool, das sie im Schreiballtag verwendet wie den Duden, Wikipedia, Google, den Wortschatz der Uni Leipzig und viele weitere. Komplett KI-generierte Texte hält sie in allen Genres für möglich. „Die Frage ist nur, ob jemand diese Texte lesen will.“ Zudem kämen KI-generierte Texte nicht ohne menschliche Intelligenz aus, im Gegenteil – „es gehört relativ viel Kreativität und Know-how dazu, der KI einen wirklich guten Text zu entlocken. Es werden daraus womöglich ganz neue Berufe entstehen.“
Stefan Cernohuby, Schriftsteller und im Vorstand beim Phantastik-Autoren-Netzwerk (PAN) zählt ebenfalls mögliche Anwendungsfelder auf, etwa die Suche nach vielversprechenden Genres, die Plot-Entwicklung oder die Optimierung von Texten. Er fügt an: „Aber ist das eine gute Einsatzmöglichkeit? Ich finde nicht.“
Für Oliver Guntner, Präsident des Freien Deutschen Autorenverbandes ist es hochgradig ärgerlich, dass durch KI Monate oder Jahre voller Recherchearbeiten und Denkprozessen auf einige Minuten Kopiervorgang reduziert werden können. Er betont: „Das Urheberrecht muss weiterhin geachtet werden – wie das realisiert werden soll, kann heute jedoch niemand zufriedenstellend beantworten.“
Cornelia Mechler, Geschäftsführerin bei A*dS - Autorinnen und Autoren der Schweiz, hält die derzeitigen Zustände für unhaltbar und sie sieht die berufliche Existenz für Schreibende ernsthaft gefährdet. Ihr Verband hat ein Statement veröffentlicht, in dem er einen verantwortungsvollen, transparenten und regulierten Umgang mit sogenannter "künstlicher Intelligenz" fordert. „Dazu gehören eine Kennzeichnungspflicht von "KI" -generierten Texten, Übersetzungen, Audio- und Videowerken, eine Offenlegung der von "KI" -Systemen verwendeten Trainingsdaten.“ Außerdem müssten Urheber am Ertrag von Schreib- und Übersetzungssoftware beteiligt werden, soweit die Werknutzung überhaupt erlaubt ist.
Bestsellerautor Andreas Eschbach hält diese Frage für heikel, denn genau genommen generiere ein menschlicher Schriftsteller seine Texte auch auf der Basis zahlreicher schon vorhandener Texte, die er gelesen, über die er nachgedacht, durch deren Lektüre er gelernt hat zu schreiben - anders funktioniere das gar nicht. „Die Forderung, »du darfst nur Bücher schreiben, wenn du noch nie welche gelesen hast« ist offensichtlicher Blödsinn.“
* Transparenz-Anmerkung: Auch der Autor dieser Summary gehört dem Syndikat an.