KI kann Autoren bei Recherche und Schreiben helfen, sie wird auch von Verlagen zur Manuskript-Sichtung genutzt. Wo sehen Sie die besten Einsatzmöglichkeiten von KI-Tools im Literaturmarkt?
Wenn wir von KI reden, scheiden sich die Geister. Einige sehen darin die Vorstufe wahrhaft „neues“ zu kreieren, andere weisen darauf hin, dass Algorithmen nur das hervorbringen können, was auch in sie hineingesteckt wurde. Ich gehöre zur letztgenannten Fraktion. Ich sehe daher nur echtes Potential in der Datenrecherche und Datenverarbeitung. Erinnern wir uns an die Zeit, zu der es erstmals möglich war, Serienbriefe zu schreiben, da die Anreden und Adressen aus Datenbanken gezogen wurden. Was heute mit wenigen Zeilen Programmiercode möglich ist, war damals ein kleines Wunder. KI vermag in meinen Augen ähnliches, nur auf einer Vorstellungsebene, welche sich den meisten von uns entzieht.
Speziell denke ich, dass KI im Literaturmarkt für PR und Marketing genutzt werden sollte, um tiefgreifend z. B. Zielgruppenanalysen durchzuführen oder Empfehlungen auszusprechen. Natürlich hat es den Anschein, dass KI-Modelle die Fähigkeit besitzen, dramaturgische Bewertungen oder Logikprüfungen durchführen, doch ich fürchte, dass die Qualität von Texten darunter leiden wird. Denken wir daran, wie gute Werbetexte durch z. B. SEO-Optimierung regelrecht massakriert werden können.
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Experten befürchten, dass KI-Einsatz Texte tendenziell gleichförmiger macht. Wie sehen Sie das?
Was ich bisher gesehen habe und durch eigene Erfahrungen testen konnte, lässt mich dieser Befürchtung zustimmen. Eine KI kann beispielsweise traditionelle Gedichtformen rhythmisch nachbauen, doch sie schafft es nicht, die Einheit von Form und Inhalt zu bilden, die uns das Gedicht dann als „gut gemacht“ oder „schön“ empfinden lässt. Gebe ich einer KI die Aufgabe, einen Werbetext zu schreiben, der ein besonders innovatives Produkt platzieren soll, endet das oft in pathetischer Lobhudelei oder lakonischer Leidenschaftslosigkeit. Mit viel Aufwand entsteht ein nur mittelmäßiger Text, doch Mittelmäßigkeit ist nichts, was sich in der Branche befriedigend verkaufen sollte.
Im Frühjahr ist ein KI-generiertes Kinderbuch erschienen. Inwieweit und in welchen Genres kann KI Autoren eventuell ganz ersetzen?
Meine persönliche Meinung ist, dass wir KI von allem fernhalten sollten, wo menschliche Emotionen eine Rolle spielen. Ich sehe ein Problem darin, Maschinen Stück für Stück zu vermenschlichen – damit begeben wir uns auf den Weg in ein transhumanistischen Weltbildes, welches unserer sozialen Struktur nicht gut tut.
In der KI sehe ich aber Potential, mit etwas Übung regelkonforme Anleitungen, Gebrauchsanweisungen, Kochrezepte etc. schreiben zu können – nicht gerade die Sorten Text, die in der Branche begehrte Positionen innehaben, aber dennoch alltagspräsent sind. Wie zu Beginn angesprochen eignet sich alles, was feste Struktur hat, Listencharakter aufzeigt oder mit Abfolgen arbeitet. Vielleicht fällt auch der ein oder andere Reiseführer dabei ab – oder eine nischenspezifische Bucket-Liste?
KI generiert Texte aufgrund einer Datenbasis bereits vorhandener Texte. Wie ist das Urheber-rechtlich zu bewerten?
Aus Sicht der meisten Autoren ist es hochgradig ärgerlich, dass Monate oder Jahre voller Recherchearbeiten und Denkprozessen hier – überspitzt gesagt – auf einige Minuten Kopiervorgang reduziert werden. Das Urheberrecht muss weiterhin geachtet werden – wie das realisiert werden soll, kann heute jedoch niemand zufriedenstellend beantworten. Beim Stand unserer technologischen Vernetzung und Kommunikation ist es jedenfalls utopisch, Werken z. B. eine Deklaration wie „100 % menschlich“ zu geben. Wir werden in Zukunft mehr KI-generierte Texte sehen und damit zurechtkommen müssen.
KI-geschriebene Texte werden sich durchaus Beliebtheit erfreuen und gewisse Nischen- und Marktanteile halten. Originalität sollte sich mit der Zeit dennoch wieder beim Leser durchsetzen – und diese Qualität haben nur Künstler aus Fleisch und Blut inne. Das ist eine Bürde, aber auch die Hoffnung unserer Profession.