Kinder und Jugendliche sind in der Regel neugierig, wissbegierig und möchten ihre Freizeit individuell gestalten. Dazu gehört unweigerlich auch der Umgang mit sozialen Medien, Spiele-Apps, Streaming- und Messengerdiensten. Zwei Fragen drängen sich dabei sofort auf: Können unsere Kinder und Jugendliche kompetent genug mit diesen Angeboten umgehen? Und wie erschweren Plattformen aufgrund von Gestaktungsmustern wie Dark Patterns und Digital Nudging in Social Media ein selbstbestimmtes Medienhandeln?
Alle Beteiligten der Debatte sind sich darüber einig, dass Kindern und Jugendlichen Entfaltungsmöglichkeiten im Bereich der Mediennutzung - vor allem im Zusammenhang mit elektronischen Geräten - zur Verfügung stehen sollten, doch gleichzeitig Aufklärungsarbeit über Risiken und Gefahren nicht zu kurz kommen dürfte. Laut Experten beklagen Eltern vor allem die Nutzungsdauer bei ihren Schützlingen und interessieren sich weniger für Inhalte, die konsumiert und welche Spiele gespielt werden. Forscher fanden heraus, dass die exzessive Nutzung von Social Media mit einem Gesundheitsrisiko bei jungen Menschen einhergehen könnte. "Verschiedene andere Studien konnten bereits zeigen", schreibt beispielsweise der Präsident Bayerische Landeszentrale für neue Medien, Dr. Thorsten Schmiege, "dass eine verstärkte Nutzung sozialer Medien tendenziell ein Risikofaktor für die psychische Gesundheit ist, einschließlich Depressionen, Angstzuständen und Sucht." Es gebe Zusammenhänge zu einer unangemessenen Ernährung und zu körperlichen Problemen, bis hin zu Verhaltensproblemen, Schlafstörungen und einem negativen Körperbild. Sein Appell lautet demnach, dass junge Menschen der Mediennutzung nicht ungeschützt ausgesetzt werden dürfen. Man müsse auch die Anbieter stärker in die Verantwortung nehmen.
Im Nachbarland Österreich wird das Schulfach "Digitale Grundbildung" in vielen Lehrplänen verankert. Hierzulande gibt es zahlreiche Fort- und Weiterbildungsangebote, um Schülerinnen und Schüler für den "richtigen" Umgang mit den Medien zu sensibilisieren; allerdings könnten die Angebote stärker genutzt werden. Das wäre wichtig, denn z.B. zeigte eine BLM-Studie, dass die Apps, die sich auf den meisten Smartphones befinden (WhatsApp, Instagram, YouTube, TikTok und Snapchat), von den Kindern und Jugendlichen nicht einfach neutral genutzt werden können, weil Dark Patterns und Digital Nudges dazu animieren, mehr Zeit an den Geräten zu verbringen. Ein Problem, dem sich Eltern, Pädagogen und Kinder-und Jugendschützer auch weiterhin aufmerksam widmen müssen.
Anja Bensinger-Stolze von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft warnt im Zusammenhang mit der Nutzung von Sozialen Medien und jüngeren Usern davor, dass diese Angebote viele Fallstricke enthalten. "Wir müssen bedenken, dass hinter den beliebtesten Plattformen Großkonzerne stehen, die ökonomische Interessen verfolgen. Diese möchten vor allem, dass die Nutzungsdauer möglichst hoch ist. Die Folgen sind oft Suchtgefahr, Datenschutzverletzungen oder gar politische Manipulation."
Dr. Jane Müller von der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg vertritt folgende Meinung: "Alles, was schon immer zum Aufwachsen dazugehörte, findet heute in vielfacher Weise auch in sozialen Medien statt. Dabei ist die Begrenzung der Nutzungszeiten deutlich verbreiteter als eine Auseinandersetzung mit oder Beschränkung von konkreten Inhalten."
"Die Landesmedienanstalten setzen auf Information und Aufklärung, um Eltern und Jugendliche über die manipulativen Funktionen von Social-Media-Plattformen zu informieren und einen verantwortungsvollen Umgang zu fördern.", erklärt Jochen Fasco, Direktor der Thüringer Ladenmedienanstalt.
Eine Einschätzung zur Mediennutzung von Jugendlichen im ländlichen Raum kommt von Isgard Walla, Referentin für Medienbildung vom lmb - Landesfachverband Medienbildung Brandenburg e.V.: "Social-Media-Angebote in ländlichen Gegenden dienen einem Informationsaustausch und Finden von Vorbildern, die im eigenen Sozialraum nicht vorhanden sind.
Als Professor für Innovation, Theorie und Philosophie des Rechts an der Universität Innsbruck sieht Matthias C. Kettemann das Ziel, dass junge Menschen befähigt werden, kritischer und bewusster soziale Medien zu nutzen.
Die Position von Christine Schallert, Medienpädagogin bei der Medienanstalt Sachsen-Anhalt ist die, dass die Medienkompetenzförderung zentraler Bestandteil schulischer Bildung sein sollte. Sie hält die Kenntnisse in den Bereichen Medienwissen, Medienkritik und Medienhandeln für unabdingbar, um einen kritisch-reflexiven Umgang mit Medien zu entwickeln.
Dr. Niels Brüggen ist Leiter der Abteilung Forschung am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung & Praxis und vertritt die Meinung, dass problematisches Nutzungsverhalten durch Strukturmerkmale der Social Media-Plattformen verstärkt werden könne, wozu auch Nudging, Dark Patterns und algorithmische Empfehlungssysteme (AES) zählen.
Sophie Reimers vom Jugendschutz Brandenburg sieht Erwachsene in der Pflicht, sich angesichts rasanter Entwicklungen im Social Media-Bereich diesem mehr zu öffnen, dazu zu lernen und Verantwortung für die eigene Mediennutzung zu übernehmen.
"Ein zentrales medienpädagogisches Anliegen der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) ist es, junge Menschen fit zu machen für ein selbstbestimmtes und verantwortungsvolles Medienhandeln", so Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien.
Referentin Sarah Herrmann von der Bundeszentrale für Kinder und Jugendmedienschutz sieht in den Social-Media-Plattformen für Kinder und Jugebndliche diverse Risiken, wichtige Informationsquellen, Freizeit- und Unterhaltungserlebnisse sowie soziale und kreative Erfahrungs- und Entfaltungsräume.