Welche Auswirkungen hat der Konsum von Social-Media-Angeboten auf unser Verhalten, Familienleben und soziale Kompetenz von Heranwachsenden?
Die Auswirkungen sind vielschichtig, sie zeigen sich zum Teil langfristig und sie sind nicht umfassend erforscht. So lassen sich hier nur einzelne Schlaglichter werfen: Soziale Medien üben große Anziehungskraft aus und binden die Aufmerksamkeit – manchmal mehr als den Nutzer:innen lieb ist. Für das Familienleben ist damit ein zusätzlicher Erfahrungsraum entstanden, der beziehungsfördernd sein kann, beispielsweise mit Familienchats oder auch wenn Eltern sich dafür interessieren, wem ihre Kinder in sozialen Medien folgen und warum. Familien, die miteinander im Austausch sind und voneinander lernen, können gemeinsam Strategien finden, im Umgang mit sozialen Medien. Es kann sie stärken, da alle vorhandenen Möglichkeiten der aktuellen Lebenswelt verhandelt und eingebunden werden. Je weniger konstruktiv digitale Medien im Familienalltag verhandelt werden, umso mehr sind sie Bestandteil von konfliktbehafteten Gesprächen.
Es wäre verkürzt, soziale Medien für den Verlust sozialer Kompetenzen verantwortlich zu machen. Denn soziale Beziehungen lassen sich in Generation Z und folgenden nicht mehr in analog und digital trennen. Beziehungen finden in und mit sozialen Medien statt, Freundschaften, die digital begonnen haben, werden analog usw. Vielmehr eröffnet die digitale Dimension eine Vielfalt sozialer Möglichkeiten rund um Status, Rolle, Selbstdarstellung und auch ein Set von Anforderungen, die Heranwachsende (oft allein) navigieren müssen.
Wie kann man Kinder und Jugendliche für manipulative Funktionen bei Social-Media-Plattformen sensibilisieren?
Eltern können Kinder mit kleinen Denkanstößen schon früh an das Thema heranführen, indem sie eine Haltung vermitteln oder bestärken, Zusammenhänge hinterfragen und neugierig bleiben. Mediale Angebote für kindgerechte Informationen wie z.B. (Logo, Checker Tobi) greifen entsprechende Themen regelmäßig auf und erklären die Zusammenhänge altersgerecht. Ein Austausch über die Erfahrungen mit Social Media kann ein Einstieg sein, beispielsweise mit der Frage „Bist du auch schonmal viel länger bei YouTube (TikTok, Insta etc.) hängen geblieben als du eigentlich wolltest? Warum passiert das eigentlich?“ Damit wird die Reflexion darüber angeregt, welche Inhalte spannend sind und welche Funktionen zum längeren Verweilen animieren - z.B. das automatische Abspielen des nächsten Videos. Studien zeigen, dass gerade Jugendliche durchaus in der Lage sind, kritisch auf ihr Mediennutzungsverhalten zu schauen und sich Unterstützung und Strategien wünschen, einen guten Umgang damit zu finden. Mit zunehmendem Alter gilt es, dass eigene Mediennutzungsverhalten zu reflektieren, sowie möglichst nicht nur passiv zu konsumieren, sondern aktiv und produzierend Medien zu nutzen.
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Strategien wie Dark Patterns und Digital Nudging wurden als manipulativ entlarvt. Sollte es gesetzlich geregelte Grenzen für verhaltensbeeinflussende Mediendesigns geben?
Es sollte in jedem Fall einen gesellschaftlichen Diskurs über den Einfluss dieser Social-Media-Kanäle und den Umgang damit geben. Mit der Novellierung des Jugendschutzgesetzes 2021 wurde erstmals möglich, dass solche Mechanismen, die sich negativ auf den Schutz der persönlichen Integrität junger Menschen auswirken können, in die gesetzlichen Alterskennzeichnungen einfließen. Die Manipulation des Verhaltens mithilfe des Designs (z.B. ein roter Benachrichtigungsbutton) oder Belohnungssystemen z.B. in Computerspielen) ist nicht grundlegend neu und wird sich darüber hinaus eher schwer gesetzlich verbieten lassen. Eine Kennzeichnung, wie sie für Werbung gilt, könnte sich hier positiv hierauf auswirken.
Wenn man wie Sascha Lobo „Das Smartphone (…) [als] Kristallisationspunkt des heutigen digitalen Kapitalismus.“ begreift, sind die manipulativen Strategien nicht getrennt von einer kapitalismuskritischen Perspektive auf diese Dimensionen des Netzes zu begreifen. Verantwortung für Weiterentwicklung alternativer Angebote tragen Politik, Anbieter und Gesellschaft gleichermaßen, die Chancen dafür steigen vermutlich mit der Medienkompetenz und dem sozialen Verantwortungsbewusstsein aller Akteure.
Wie kann die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen insgesamt gestärkt werden?
Diese Aufgabe kommt zunächst den Eltern und weiterhin pädagogischen Fachkräften in Kita, Schule, Hort, der Jugendhilfe und anderen außerschulischen Angeboten zu. Digitales sollte dabei nicht als Spezial, sondern vielmehr als Querschnittsthema begriffen werden. Dabei geht es auch um die Vorbildfunktion und den Austausch im Alltag. Es muss nicht kompliziert sein – ein Großvater kann sich von seinem Enkel erklären lassen, wie TikTok funktioniert und Fragen stellen, die aus seiner eigenen Lebenserfahrung erwachsen. „Es gibt selten etwas geschenkt, warum kann man sich die App kostenlos herunterladen? Was hat TikTok davon?“. Eltern und Fachkräfte können für Kinder möglichst sichere, digitale Räume schaffen, in denen sie lernen, ausprobieren und Fehler machen können. Sie sollten sie dabei begleiten und im Gespräch bleiben, auch wenn sie selbst nicht alle Antworten kennen. Offene Fragen z.B. zum Datenschutz bleiben so nicht außen vor. Nicht nur die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen ist also gefragt, auch Erwachsene müssen sich angesichts rasanter Entwicklungen öffnen, dazulernen und Verantwortung für die eigene Mediennutzung übernehmen.