Die EU will ein "Recht auf Reparatur" einführen. Dadurch soll das Reparieren von Geräten einfacher und kostengünstiger werden. Die Vorschläge von EU-Kommission für entsprechende Regeln liegen auf dem Tisch.
In der Fachdebatte auf Meinungsbarometer begrüßen die Experten das Vorhaben im Grundsatz. So betont Dr. Manfred Müllner, Stv. Geschäftsführer FEEI – Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie, dass durch die Förderung von Reparaturen die Nutzungsdauer von Produkten verlängert werden könne. Dies stehe im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen des European Green Deals. Er verweist darauf, dass die im FEEI vertretene Hausgeräteindustrie maßgeblich zu einer gelebten Reparaturkultur beiträgt. Sie gewährleiste eine Ersatzteilvorhaltung von 7 bis 10 Jahren, vereinzelt sogar bis zu 15 Jahren. Sie führe fast vollzählig auch in Europa Reparaturen durch und verfügt dort ebenso über externe Reparaturpartner. Aber: „Einen wichtigen Aspekt beim Thema Reparatur spielt die Wirtschaftlichkeit. Zwar wird im Kommissionsvorschlag erwähnt, dass die Reparatur nicht prioritär sein muss, wenn ein Austausch billiger ist, es werden aber keine genaueren Kriterien oder Grenzwerte angegeben, die dies genauer beschreiben.“ Hier sieht er noch Klärungsbedarf.
Franz J. Grömping, Geschäftsführer Arbeitgebervereinigung für Unternehmen aus dem Bereich EDV und Kommunikationstechnologie (AGEV) bekräftigt: „Der Anspruch auf Reparatur über den Garantiezeitraum hinaus ist ein Basisrecht des Verbrauchers.“ Eine Entsorgung möglicherweise noch funktionierender Bauteile sei ökonomisch, ökologisch und psychologisch unbefriedigend. Er hat die klare Forderung an die Politik, mit der Richtlinie den Mitgliedsländern zu ermöglichen, eine Spreizung der Mehrwertsteuer vorzunehmen. „Wir halten den Mehrwertsteuersatz „0“ für Reparaturen für zwingend geboten. Dieser Anreiz ließe neue Geschäftsmodelle entstehen bzw. macht die bestehenden tragfähig.“
Der sozialdemokratische Europaabgeordnete René Repasi hält gerade der Ansatz der Europäischen Kommission, für bestimmte große oder teure Konsumgüter, die Reparatur anstatt Neukauf über den Gewährleistungszeitraum hinaus zu etablieren, für wirtschaftlich wie ökologisch sinnvoll. Bei solchen Produkten könnten am ehesten Ressourcen gespart und breite neue Anreize für die wirtschaftliche Entwicklung, auch für den Mittelstand, im Rahmen der Kreislaufwirtschaft gesetzt werden. „Die Sorge, dass dies zu überbordenden Kosten und Nachteilen für die heimischen Unternehmen führen würde, teile ich nicht. Im Gegenteil, ich sehe einen Wettbewerbsvorteil für europäische und andere hochwertige Hersteller.“ Deren Reparaturkompetenzen würden gestärkt und die Produkte im Wettbewerb mit billiger Produktion gestärkt.
Andrea Kostrowski, Projektmanagerin Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe, nennt Zahlen. Nach ihren Erkenntissen werden derzeit wenige Produkte repariert und oft vorzeitig entsorgt, obwohl sie noch reparierbar wären. Bei Elektrogeräten seien es derzeit nur 24 % der Geräte repariert. Etwa ein Drittel der Verbraucher (34 %) gebe an, dass die Reparaturkosten zu hoch seien und sie sich deswegen gegen eine Reparatur entscheiden. Gründe für schlechte Reparaturbedingungen seien oft hohe Kosten für Reparaturen und Ersatzteile, ein reparaturunfreundliches Design, fehlende Softwareupdates oder nicht mehr vorhandene Ersatzteile. Ihre Anregung: „Eine Reparaturquote pro Mitgliedstaat könnte ... dazu beitragen, Reparaturinfrastrukturen zu stärken. Auch Reparaturanreize wie Förderprogramme, Reparaturboni oder –gutscheine sind zielführend, sollten aber durch die Hersteller finanziert werden und nicht durch öffentliche Mittel.“
„Die EU-Kommission plane Wahlrecht im Gewährleistungsfall einzuschränken“ kritisiert Elke Salzmann, Referentin Ressourcenschutz im Team Mobilität und Reisen Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). „Das führt aus unserer Sicht nicht dazu, die Produktion haltbarer und leichter zu reparierender Waren anzuregen und die Reparatur zu fördern.“ Denn künftig solle die Entscheidung zu Reparatur oder Austausch weitestgehend beim Unternehmen liegen. „Alle relevanten Informationen darüber, wie teuer eine Reparatur wird, liegen beim Unternehmen und das kann damit vorgeben, ob das Produkt repariert wird oder ob Ersatz beschafft wird.“ Dadurch würde sich aus ihrer Sicher an der aktuellen Lage kaum etwas ändern, denn schon jetzt können Unternehmen reparieren, wenn ein Ersatz ökonomisch nicht vertretbar ist.
Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Obfrau Verbraucherschutzverein (VSV) aus Österreich fordert als ersten Schritt eine EU-weite Reparaturförderung wie in Österreich. „Zur Finanzierung der EU und Staatshaushalten brauchen wir als zweiten Schritt eine sozial ausgewogene, echte ökologische Steuerreform, die über CO2e-Bepreisung hinausgeht: Kritische, nichtregenerative Rohstoffe gehören besteuert, Arbeit entlastet!“
Gunde Bauhofer, Geschäftsführerin Verbraucherzentrale Südtirol, plädiert daneben abhängig von der Art der Geräte auch für eine Ausweitung und Verlängerung des Gewährleistungszeitraums. „Wenn wir an eine Waschmaschine, einen Kühlschrank oder ein Auto denken scheint ein garantiertes Funktionieren für 24 Monate doch sehr kurz.“ Wichtig ist ihr auch die garantierte Verfügbarkeit von Ersatzteilen über einen längeren Zeitraum hinweg: ein „reparierbares“ Produkt nützt nichts, wenn die Ersatzteile nicht mehr zur Verfügung stehen. Zudem sollte es nach ihrem Dafürhalten zumindest EU-weit untersagt sein, Produkte an herstellereigene Verbrauchsmaterialien zu binden.
Prof. Dr. Susanne Augenhofer Professorin Institut für Unternehmens- und Steuerrecht der Universität Innsbruck resümiert: „Der vorliegende Richtlinienentwurf geht von der richtigen und wichtigen Überlegung aus, dass das Privatrecht zu mehr Nachhaltigkeit beitragen kann.“ Allerdings greife der Entwurf nur punktuell in ein komplexes Rechtsgebiet ein und lasse eine Abstimmung mit etwas dem Kartellrecht oder Urheberrecht vermissen. Zudem seien die gemachten Vorschläge im Moment bedauerlicherweise so ausgestaltet, dass sie ihrer Meinung nach wenig positive Auswirkungen in der Praxis haben werden, weil das Recht auf Reparatur außerhalb der Gewährleistungsfrist nur wenige Produktgruppen betreffe. Dies sollte aus ihrer Sicht unbedingt geändert werden und weitere Produktgruppen, wie etwa Kleidung oder Möbel, aufgenommen werden. „Hier ist in der Praxis zu beobachten, dass eine Reparatur sehr wohl möglich ist und von manchen Marken auch als Teil der Marketingstrategie schon jetzt angeboten wird.