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Das bringt die neue LKW-Maut

Wie die Verkehrsströme gesteuert werden können - und was mit den Einnahmen passieren soll

Uwe Schimunek - Freier Journalist, Meinungsbarometer.info Quelle: Meinungsbarometer.info Uwe Schimunek Freier Journalist Meinungsbarometer.info 20.03.2024

Die LKW-Maut für herkömmliche LKW ist deutlich angestiegen. Damit will die Bundesregierung den Umstieg auf emissionsfreie Laster attraktiver machen und Geld für die Verkehrswende generieren. In unserer Fachdebatte nennt, Frank Huster, Hauptgeschäftsführer beim DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, die CO2-Bepreisung ein grundsätzlich richtiges Lenkungsinstrument, um den Klimaschutz voranzutreiben. Es müssen aus seiner Sicht aber Zeitpunkt und Höhe richtig gewählt werden. „Die Verdoppelung der Lkw-Maut durch einen zusätzlichen CO2-Preis wird absehbar keinen Lenkungseffekt haben. Es wird noch Jahre dauern, bis ein europaweit dichtes Auflade- und Tanknetz für E-Lkw und wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeuge aufgebaut ist – eine Grundvoraussetzung für den flächendeckenden Einsatz alternativer Antriebe.“ Matthias Hukebrinck von der Gewerkschaft Transport und Logistik sieht in der Erhöhung eine zusätzliche Gefährdung der Arbeitsplätze im Speditionsbereich. Und er betont: „Des Weiteren wird der Kraftstoff also Diesel bereits mit der CO2-Steuer belegt, und so haben wir eine weitere Doppelbesteuerung für das Gewerbe und uns als Verbraucher.“

In den Ländern stößt die Maßnahme auf unterschiedliches Echo. So führen die neuen Maut-Regeln für den Bayerischen Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) zu nicht hinnehmbaren und sprunghaften Mehrbelastungen im Transportgewerbe, ohne dass damit aktuell eine Lenkungswirkung für einen klimafreundlicheren Gütertransport auf der Straße erreicht werde. Ein Umstieg auf alternative Lkw-Antriebe sei derzeit schwierig. „Viele Modelle haben nicht die erforderlichen Reichweiten, sind deutlich teurer als konventionelle Fahrzeuge oder nicht in ausreichender Stückzahl auf dem Markt verfügbar. Es fehlt auch an ausreichender Ladeinfrastruktur, um E-Lkws aufzuladen.“ Der Freistaat Bayern habe sich daher im Gesetzgebungsverfahren unter anderem dafür eingesetzt, dass der Mautteilsatz für die Kosten der verkehrsbedingten CO2-Emissionen schrittweise eingeführt wird, auch um eine finanzielle Überlastung des Transportgewerbes zu vermeiden – ohne Erfolg.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hält dagegen, dass sich der Markt in den letzten Jahren in einer enormen Geschwindigkeit entwickelt habe, und in vielen Gewichtsklassen schon heute oder absehbar batterieelektrisch- oder wasserstoffbetriebene Fahrzeuge verfügbar seien. „Eine Befreiung von der Lkw-Maut ist eine relevante Kosteneinsparung, die die Nutzung emissionsfreier Lkw sehr attraktiv macht. Nicht umsonst hat die EU mit der Überarbeitung der EU-Wegekostenrichtlinie die Möglichkeit der Befreiung geschaffen.“ Er rechnt daher mit einem kontinuierlichen Hochlauf dieser Fahrzeuge auf Bundesfernstraßen nicht nur in Baden-Württemberg.

Sein niedersächsischer Amtskollege Olaf Lies Minister (SPD) hätte sich, was die Entlastung schadstoffarmer Fahrzeuge betrifft, mehr erhofft. „Weder erdgasbetriebene Fahrzeuge, noch solche, die mit synthetischen oder strombasierten Kraftstoffen wie Bio-LNG oder eLNG fahren, werden beim Berechnen der CO2-Emissionsklassen mautreduzierend berücksichtigt. Die Antriebswende darf auf keinen Fall ausgebremst werden, indem das Anschaffen emissionsarmer LKW durch zusätzliche Kosten unattraktiv gemacht wird.“ Das könne das begonnene Umstellen auf klimafreundliche Flotten akut ausbremsen oder sogar stoppen.

Thüringens Verkehrsministerin Susanna Karawanskij (Linke) verweist dagegen auf verschiedene Fördermöglichkeiten vom Bund zur Unterstützung bei den enormen Investitionen. „Wir hoffen, dass diese Fördermöglichkeiten auch angesichts der aktuellen Haushaltssituation des Bundes bestehen bleiben, zumal die Verfügbarkeit von entsprechenden Fahrzeugen am Markt beschränkt ist.“

Martin Dulig, Verkehrsminister in Sachsen betont, dass die Anlastung der externen Klimafolgekosten zu einem Abbau der Benachteiligungen des Schienengüterverkehrs gegenüber dem Straßengüterverkehr führe und das entspreche den mobilitätspolitischen Erfordernissen, Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern und so einen Beitrag zur CO2-Reduktion zu leisten. „Vor diesem Hintergrund ist auch die geänderte Zweckbindung der Maut positiv zu bewerten, da durch den Ausbau des Schienennetzes umwelt- und klimaschonende Transportalternativen gestärkt werden.“

Teil der neuen Regeln ist nämlich, dass der sogenannte geschlossene Finanzierungskreislauf Straße aufgebrochen wird. Stefan Gerwens, Leiter Verkehr beim ADAC nennt Zahlen: Vor den neuen Regeln deckten nach seinen Angaben die Einnahmen mautpflichtiger Lkw (nach Abzug der Kosten für das Mautsystem) rund 2/3 der gesamten Betriebsausgaben und Investitionen in die Bundesfernstraßen und damit sämtliche Kosten, die diese Fahrzeuge verursachen. Mit dem CO2-Zuschlag und der ab Juli 2024 geplanten Mautausweitung auf Lkw zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen werden sich die Nettoeinnahmen aus der Lkw-Maut nach seinen Auzsführungen ungefähr verdoppeln. Gleichzeitig solle die Hälfte der gesamten Mauteinnahmen für andere Mobilitätsbereiche verwendet werden, insbesondere für Investitionen in die Schieneninfrastruktur. Er bemängelt, dass von den zusätzlichen Mautmehreinnahmen in Höhe von rund 7,1 Mrd.€ etwa die Hälfte nicht im Verkehrshauhalt ankomme - und befürchtet, dass angesichts des absehbaren Übergangs auf alternativ angetriebene Lkw, für die kein CO2-Zuschlag erhoben wird, die Mauteinnahmen mittelfristig so weit absinken könnten, dass die dann verbleibenden Einnahmen zu einer Finanzierungslücke bei den Bundesfernstraßen führen. „Der ADAC fordert daher, dass zumindest sämtliche Maut-Einnahmen, die zur Deckung der Wegekosten vorgesehen (Teilmautsatz Infrastruktur) sind, auch weiterhin vollständig zweckgebunden in die Bundesfernstraßen fließen.“

Auch Kerstin Hurek, Leiterin Verkehrspolitik ACE Auto Club Europa, fürchtet, dass ein Aufbrechen des Finanzierungskreislaufs Straße die dauerhafte Finanzierung des Straßennetzes gefährdet. Die Einnahmen aus der Lkw-Maut müssen nach Ansicht des ACE zweckgebunden und weiterhin konsequent in die Straße reinvestiert werden. „Wird der Finanzierungskreislauf aufgebrochen, bedeutet das einen zusätzlichen Substanzverzehr bei einer ohnehin sehr hohen Belastung der Straßenverkehrswege und einem an vielen Stelle maroden Verkehrsnetz – Stichwort: Brückensanierungen.“ Im schlimmsten Falle brauche es bei sinkenden Mauteinnahmen sogar Steuererhöhungen.

Aus Sicht von Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub VCD, braucht es dagegen insgesamt mehr Steuerung, um Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. „Zudem gilt die Maut nur auf Bundesstraßen und Autobahnen, nicht auf Landes- und kommunalen Straßen. Der VCD fordert, dass Güterverkehr auf allen Straßen bemautet wird, damit hier ein wirklich fairer Wettbewerb entstehen kann.“

Für Herbert Engelmohr vom Automobilclub von Deutschland (AvD) ist klar, „dass eine leistungsfähige Straße in den nächsten Jahren ebenso gebraucht wird wie eine ertüchtigte Schiene.“ Dabei müsse Bund und Länder beständig große Beträge für den Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bereitstellen. Deutschland sei Transitland und gut ausgebaute Straßen seien ein Wirtschaftsfaktor. „Der Zustand vieler Brücken, nicht nur auf Autobahnen, sollte Grund genug sein, der Straßeninfrastruktur genauso viel Aufmerksamkeit zu schenken wie der Schiene. Das Fahren auf Verschleiß muss für die gesamte Infrastruktur aufhören.“

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