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Interview27.01.2023

Über das weltweit erste Gesetz zur Reform der Strukturen digitaler Märkte

Wie DMA und DSA in der EU wirken

Andreas Schwab - Mitglied des Europäischen Parlaments, Sprecher der EVP-Fraktion im Binnenmarktausschuss (IMCO) Quelle: EVP Andreas Schwab Europa-Abgeordneter EVP (Christdemokraten)
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Dipl.- Journ. Nikola Marquardt
Founder & Herausgeberin
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Der Europa-Abgeordnete Andreas Schwab betont die Fairness der neuen EU-Digital-Regeln, denn "wer im Binnenmarkt aktiv sein will, muss sich an sie halten, es wird aber nicht nach der Herkunft der Unternehmen unterschieden". Der EVP-Politiker verweist aber auch darauf, dass weitere Rahmenregelungen angepasst werden sollten.





EU-weit sind mit dem Digital Markets Act sowie Digital  Services Act weitreichende Regulierungen für große Plattformen in  Kraft getreten und sollen in Kürze gelten. Inwieweit begrenzt das  die Macht der großen Plattformen von außerhalb der EU künftig effizient?
Die neue Digitalgesetzgebung wird den europäischen Binnenmarkt im Digitalen nachträglich prägen. Dabei sind die Regeln fair: wer im Binnenmarkt aktiv sein will, muss sich an sie halten, es wird aber nicht nach der Herkunft der Unternehmen unterschieden. Fakt ist, dass die größten Digitalkonzerne der Welt wie Google, Amazon, Meta, Microsoft und Apple die Digitalisierung weltweit vorangetrieben haben und dadurch heute über weitreichende Produkt-Ökosysteme verfügen. Weder Unternehmen noch Verbraucher kommen umhin, diese zu nutzen. Innerhalb ihrer Ökosysteme kontrollieren die Digitalriesen zentrale Kontaktpunkte zwischen Unternehmen und Verbrauchern, z.B. App-Stores, Suchmaschinen, Messaging-Dienste oder Social Media. Durch diese „Gatekeeper“-Stellung (Torwächter auf Deutsch) konnten sie die Funktionsweise der Digitalmärkte zu ihrem Vorteil ausgestalten. Unfaire Selbstbevorzugung, Interessenskonflikte und ungebremst wachsender Datenzugang zum Nachteil konkurrierender Unternehmen und Verbrauchern waren die Folge. Der DMA ist weltweit das erste Gesetz, dass solche Marktstrukturen digitaler Märkte grundlegend reformiert, um diese Probleme anzugehen. Denn die europäische Idee der sozialen Marktwirtschaft ist ja, den freien Wettbewerb mit Marktregeln zu sichern, sodass sich die besten und nicht die größten Unternehmen durchsetzen. Dieser Grundsatz gilt zukünftig wieder in der Digitalwirtschaft. Das kann auch eine Signalwirkung über Europa hinaus entfalten, in den USA, UK, Korea und anderswo werden ähnliche Gesetze diskutiert.

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Welche Chancen und Herausforderungen bieten die Regeln für  uropäische Plattformen?
Der DMA schafft über zwanzig neue Regeln für die größten Gatekeeper, Bürokratie für alle Anderen wird vermieden. Denn die neuen Regeln gelten nur für Gatekeeper mit mindestens 7,5 Milliarden Euro Jahresumsatz sowie 45 Mio. monatlichen Nutzerinnen und 10.000 jährlichen Geschäftskunden in der EU. Insofern werden nur die größten Unternehmen betroffen sein - wenn europäische Plattformen dabei sind, umso besser, denn wir wollen ja große Digitalunternehmen in Europa. Gatekeeper müssen die Regeleinhaltung gegenüber der Kommission nachweisen, wodurch lange Verfahrensdauern wie im klassischen Wettbewerbsrecht vermieden werden. Außerdem können Unternehmen und Verbraucherinnen ihre Rechte direkt vor Gericht durchsetzen.

Der DMA verbietet u.A. die Ausnutzung bestimmter dominanter Positionen gegenüber Geschäftskunden. Gatekeeper dürfen nicht länger nicht-öffentliche Daten ihrer Geschäftskunden nutzen, um in den Wettbewerb mit diesen Geschäftskunden zu treten. Dadurch wird z.B. Amazon verboten, nicht-öffentliche Daten über die Performance von Produkten zu nutzen, um seine Eigenmarken-Linien zu optimieren. Unternehmen erhalten Zugang zu den Daten, die bei der Nutzung der Plattformdienste entstehen. Unternehmen, die bspw. einen Online-Shop bei einem Gatekeeper unterhalten, werden so mehr über dessen Nutzerinnen erfahren können, auch wenn keine Transaktion stattfindet. Suchmaschinen, Soziale Medien und App-Stores müssen Geschäftskunden zukünftig faire, angemessene und diskriminierungsfreie Zugangsbedingungen gewähren. Eine Ungleichbehandlung bei Zugang, Gebühren oder Sichtbarkeit in den drei Plattformdiensten muss also besser gerechtfertigt werden. Auch müssen App-Store Betreiber wie Apple und Google zulassen, dass App-Entwickler andere Zahlungs- oder Identifikationsdienste als die hauseigenen Produkte verwenden. Diese Maßnahmen werden neue Innovationsmöglichkeiten für Unternehmen und so mehr Auswahl für Verbraucher schaffen. Auch wenn europäische Unternehmen von den Regeln des DMA betroffen sein können, ist es wichtig, sie anzuwenden, denn wir wollen eine faire Marktstruktur für alle schaffen.

Welche Rahmenbedingungen brauchen europäische Alternativen  zu den US-amerikanischen und chinesischen Plattformen abgesehen von  den nun in Kraft getretenen Regeln?
Wir müssen den Regeln einerseits Zeit geben, um ihre Wirkung zu entfalten. Die Verpflichtungen des DMA werden erst ab Mitte 2024 bindend für Unternehmen umzusetzen sein. Gleichzeitig müssen wir Anreize in der Digitalwirtschaft breiter denken. Es braucht bessere Anreizsysteme für Innovation, z.B. bessere Regeln zu Risikokapital und Mitarbeiterbeteiligung und - Vergütung für Start-Ups. Unternehmerisches Risiko einzugehen muss sich finanziell mehr lohnen. Es muss außerdem, wie z.B. in den USA möglich sein, dass digitale Unternehmen ihre Mitarbeiter von dort in der EU arbeiten lassen, wo es ihnen am besten passt. In Europa müssen „work from anywhere“-Verträge einfacher umsetzbar werden, damit die klügsten Köpfe sich die besten Unternehmen aussuchen können, ohne dafür umziehen oder sich mit Bürokratie rumschlagen zu müssen. Dafür brauchen wir einen stärkeren Binnenmarkt für digitale Dienstleistungen und entsprechende Anpassungen bei Sozialversicherungssystemen und Telearbeitsregeln. 

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