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Über Leuchttürme und regionale Vielfalt in Thüringen

Wie die Lage der Medienbranche im Freistaat ist

Jochen Fasco, Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) Quelle: TLM Jochen Fasco Direktor Thüringer Landesmedienanstalt 08.06.2022
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Dipl.- Journ. Nikola Marquardt
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"Auch wenn Thüringen sich nicht mit den großen deutschen Medienstandorten messen kann, hat sich im Freistaat in den letzten 30 Jahren eine überaus vielfältige Medienlandschaft entwickelt", sagt Jochen Fasco, Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM). Er sieht die Branche in Thüringen auch künftig auf einem guten Weg, auch wenn es Herausforderungen gibt.







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Vor allem in den Zentren Leipzig, Dresden, Magdeburg, Halle und Erfurt hat sich eine lebendige Medienwirtschaft herausgebildet. Wie steht die Branche in Mitteldeutschland aus Ihrer Sicht im Vergleich zu anderen Regionen da?
Auch wenn Thüringen sich nicht mit den großen deutschen Medienstandorten messen kann, hat sich im Freistaat in den letzten 30 Jahren eine überaus vielfältige Medienlandschaft entwickelt. Dazu gehören ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk, ein funktionierendes Presse- und Verlagswesen, landesweite und lokale private Rundfunkanbieter, aber auch starke Bürgermedien und Angebote der neuen Medien.

Darüber hinaus ist der Freistaat seit Mitte der 90er Jahre Ort der Medienbildung, ein Thema, das in der digitalen Gesellschaft für alle Bevölkerungsschichten und Zielgruppen aller Altersgruppen immer wichtiger wird. Letzteres gerade auch vor dem Hintergrund, dass wir uns immer ausdifferenzierter informieren und sich immer mehr Menschen in den eigenen „Filterbubbles“ ihre Meinung aufgrund des „confirmation bios“ selbst betätigen.

Der Medienstandort Thüringen setzt zur Positionierung bereits seit Ende der neunziger Jahre auf das Thema Kindermedien. Hier wären natürlich als Leuchttürme der KiKA und die Deutsche Kindermedienstiftung Goldener Spatz zu nennen sowie der STUDIOPARK KinderMedienZentrum, um den sich viele Produktions-, Technik- und IT-Firmen angesiedelt haben. Viele der Start-up- und Spin-off-Unternehmen stellen sehr erfolgreich Medienprodukte und Apps für die Zielgruppe Kinder und Jugendliche her (KIDS interactive, Bastei Media, Motion Works, bellmannfilm, XTVLAB, Klötzchenkino). Zu den Zweigen mit den größten Wachstumspotentialen gehören dabei die Branchen Animationsfilm, Internet-Publishing sowie Lern- und Spielesoftware.

Die Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) ist seit Mitte der 90er Jahre wichtiger Akteur der Medienbildung und bietet vielfältige Medienkompetenzangebote entlang der Bildungskette an. Diese reichen von Medienkompetenzangeboten in der Kita für Kinder und Erziehende über Schule, außerschulische Jugendangebote, Eltern-Projekte und Medienbildungsangebote für die ältere Generation. In den beiden Standorten Erfurt und Gera des Thüringer Medienbildungszentrums der TLM werden vor-Ort-Angebote realisiert sowie ein sehr umfangreichen Aus- und Fortbildungsprogramm angeboten.

Die TLM unterstützt die Entwicklung des Medienstandorts mit Forschungs- und Modellprojekten, Wettbewerben, Veranstaltungen und Publikationen. Außerdem fördert sie Einrichtungen, Projekte und Veranstaltungen zur Vernetzung und Beratung von Medienschaffenden. Die Landesmedienanstalt engagiert sich insbesondere für die Entwicklung von qualitativ hochwertigem, kindgerechtem Content und interaktive Anwendungen für Kinder. So ist sie beispielsweise Mitglied der Deutschen Kindermedienstiftung Goldener Spatz und fördert die Akademie für Kindermedien sowie die Fraunhofer-Talent-School.

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Welche Herausforderungen hat die Pandemie für die Medienbranche vor Ort mit sich gebracht?
Gerade in Ausnahmesituationen wie beispielsweise der Pandemie ist eine professionelle Berichterstattung von großer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Der Bedarf an verlässlichen Informationen stieg in der Krise gewaltig, aber die Werbemärkte und Refinanzierungsoptionen schrumpften. Auch in Thüringen war es für die lokalen Medien extrem schwierig, auf dieses strukturelle Dilemma zu reagieren. Für die regional Verantwortlichen und die Bürgerinnen und Bürger waren und sind sie jedoch nicht zu ersetzende Kommunikationskanäle und Informationsquellen. Unsere lokalen TV-Veranstalter waren in den verschiedenen Phasen der Pandemie von den umfangreichen Maßnahmen betroffen, die die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen sollten. Sie berichteten uns, dass Auftragsproduktionen und Werbeschaltungen fast gänzlich ausfallen würden und natürlich von personellen Engpässen bei der Aufrechterhaltung des Sendebetriebes.

Das Land Thüringen hat die Rundfunkveranstalter einerseits mit einem Pandemiehilfe-Sofortfonds unterstützt und andererseits den „Aktionsplan Lokale Vielfalt – Demokratie in Thüringen stärken“ aufgelegt. Die Mittel aus dem Aktionsplan standen den Bürgermedien und den Lokal-TV-Stationen in Thüringen zur Verfügung. Die TLM als eine staatsferne Organisation konnte für eine vergleichsweise schnelle und unkomplizierte Auskehrung der vorhandenen Mittel sorgen. Auf diese Weise konnte sichergestellt werden, dass keiner unserer Veranstalter den Sendebetrieb pandemiebedingt einstellen musste. Ganz im Gegenteil, der lokale Rundfunk konnte seine Reichweiten steigern. Eine von der TLM 2021 in Auftrag gegebene Funkanalyse Thüringen ergab eine Steigerung der Bekanntheit der lokalen Fernsehveranstalter seit 2018 um fast 30 Prozent und eine Steigerung der Nutzung der Programme sogar um fast 40 Prozent.

Die Studie belegt ein großes Interesse an lokalen und regionalen Nachrichten und neuen Verbreitungswegen. Mehr als die Hälfte der Zuschauenden nutzen die lokalen TV-Sender inzwischen über Apps, Mediatheken bzw. das Streaming am TV über HbbTV (Hybrid Broadcast Broadband TV) sowie über Internetseiten, soziale Medien und YouTube.

Mitteldeutschland gilt insbesondere beim Digitalradio als Vorreiter. Im Raum Leipzig sind etwa über die bundesweiten, landesweiten und lokalen Plattformen über 50 Radiosender zu empfangen. Ist das noch Vielfalt oder schon Überfluss?
Natürlich bereichert das Digitalradio die Vielfalt. Die Anzahl der Programme ist aber nicht allein eine Garantie für Vielfalt. Wichtig sind doch die Inhalte, die auch einen regionalen Bezug haben sollten. Es gibt jetzt eine Entwicklung, möglichst alles überall zu haben. Programme werden regional produziert und bundesweit verbreitet. Private Radios haben es hier schwerer, eine Refinanzierung zu schaffen. Im Ergebnis wollen wir finanzierbare Vielfalt. Insofern müssen wir auch auf die Senderketten achten, um keinen Verdrängungswettbewerb zu bekommen. Die Vielfalt ist da, nunmehr gilt es sie zu erhalten.

Die Mitteldeutsche Medienförderung hat im vergangenen Jahr eine Fachkräfte-Initiative gestartet. Wie bewerten Sie die hiesige Fachkräfte-Situation?
Wie überall in Deutschland hat die Medienbranche in Thüringen Nachwuchssorgen, wenn auch nicht in jedem Bereich gleichermaßen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat weniger Probleme als die lokalen Medien. Thüringen verfügt nicht über eine klassische Filmhochschule. Jedoch gibt es unterschiedlich ausgerichtete Medienstudiengänge an fast allen Thüringer Universitäten und Fachhochschulen. Leider verlassen viele junge Leute nach dem Studium Thüringen.

Deshalb gibt es zahlreiche Initiativen. Gemeinsam mit der Mitteldeutschen Medienförderung bietet die Thüringer Staatskanzlei beispielsweise das Weiterbildungsangebot „Talentpool 2“ (TP2), eine Talentschmiede für junge Regisseure und Produzentinnen aus Mitteldeutschland an. Mit der Spring School ist es zudem gelungen, ein universitätsübergreifendes Seminarangebot für Medien-Studierende in Thüringen zu etablieren. Auch in dem bereits erwähnten Aktionsprogramm gibt es ein Modul, innerhalb dessen Volontariate bei lokalen Fernsehveranstaltern und in den Bürgermedien gefördert werden können.

Wie kann und sollte die Politik den Medienstandort Mitteldeutschland fördern?
Zu nennen wären da alle Aktivitäten, die die Medienvielfalt in Thüringen erhalten und befördern und vor allem lokaljournalistische Angebote unterstützen. Für die regionalen und lokalen privaten Rundfunkanbieter ist es außerdem wichtig, am Digitalisierungsprozess teilzuhaben. Natürlich geht es auch darum, Medienmachende nach Thüringen zu holen und die Absolventinnen und Absolventen der Medienstudiengänge hier zu halten, aber auch um die Frage, wie die Attraktivität des Freistaats für private und für öffentlich-rechtliche Eigen-, Auftrags- und Koproduktionen (von MDR, ARD, ZDF und KiKA) sowie für unabhängige Produzenten weiter erhöht werden kann.

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