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Öffi-Zwang schadet dem Handel

Warum wir auch künftig noch mit dem Auto in die Stadt dürfen müssen

Florian Seikel, Hauptgeschäftsführer Händlerbund e.V. Quelle: Händlerbund Florian Seikel Hauptgeschäftsführer Händlerbund 19.07.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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"Ob wir es hören wollen oder nicht: Deutschland ist ein Autofahrerland, der Kunde will am Liebsten so nah wie möglich mit dem Auto an sein Ziel kommen. Also muss man sich um das Thema Parken und Erreichbarkeit Gedanken machen, man kommt nicht um eine effektive Verkehrsführung des Autoverkehrs herum." Das sagt Florian Seikel, Hauptgeschäftsführer Händlerbund e.V. "Alle anderen Maßnahmen der Verkehrsberuhigung oder gar Versuche, den Kunden in öffentliche Verkehrsmittel zu zwingen, schaden dem Handel mehr als sie der Innenstadtqualität nutzen." Das Interview entstand in Zusammenarbeit mit Frank Rehme, Vorstandsmitglied Innovation Bundesverband Medien und Marketing.







Wie attraktiv sind eigentlich die deutschen Innenstädte, was ist gut, was könnte noch besser sein?
Die regelmäßige Studie „Vitale Innenstädte“ des Instituts für Handelsforschung IFH in Köln zeigt auf, wie es um unsere Innenstädte bestellt ist. Dabei kristallisiert sich heraus, dass es hauptsächlich um mehr Ambiente und Flair geht. Allerdings wird dieser Faktor am schlechtesten bewertet, obwohl ein Drittel der Shopper genau deswegen in die Innenstadt kommt. Ebenso ist der Sortimentmix der Läden ein wichtiger Faktor: Ein breites Angebot an Grundversorgung in kleineren Städten, mehr gehobenere Angebote in größeren Städten. Unsere Innenstädte haben eine große Zukunft, wenn sie sich denn an die neuen Herausforderungen anpassen.

Beim Thema Einkaufen geraten die Innenstädte durch das wachsende Onlinegeschäft unter Druck. Verschwinden schon bald Buchläden, Banken, Schuhgeschäfte aus den Innenstädten und drohen uns wahre Geistercities? Was kann der stationäre und mittelständisch geprägte Handel gegen die scheinbar übermächtige Webkonkurrenz überhaupt ausrichten und wie können sich die Städte gegenüber dem Internethandel behaupten?
Der stationäre Handel steht vor einer großen Veränderung: Er ist nicht länger der Versorger der Republik, sondern vielmehr ein Freizeitangebot. Versorgung geschieht zukünftig auf anderen Kanälen, zudem wandert viel Kaufkraft vom Konsumgüterbereich in den Erlebnisbereich. Deshalb muss sich das Thema Flair, Inspiration und Erlebnis auch auf die Läden erstrecken. Mehr Erlebnis pro Quadratmeter ist das Zauberwort und die Herausforderung, der sich alle Händler stellen müssen. Zudem muss man seine Lücke im Sortiment finden, der Weg zur Spezialisierung und vor allem neue Wege der Shopper Aktivierung müssen eingeschlagen werden. Die Stadt der Zukunft ist dann keine Geisterstadt, sondern ein Erlebnisraum für Generationen, der Konsum als ein Ad-On betrachtet. Viele Handelsformate haben das bereits umgesetzt und sind damit sehr erfolgreich. Der E-Commerce ist nach unserer Auffassung für gesunde Innenstädte keine Konkurrenz. Stationärer- und Internethandel stehen in keinem Wettbewerbsverhältnis, sondern ergänzen sich vielmehr. Die Digitale Agenda fordert einen ganzheitlichen Ansatz jedes Handelsunternehmens. Dabei sind infrastrukturelle Neuerungen und gesetzliche Anpassungen der Rahmenbedingungen erforderlich, die den Handel in seiner gesamten Ausprägung auf eine zeitgemäße, digitale Grundlage stellen. Analoger und digitaler Handel sind interdisziplinäre Felder eines erfolgreichen Wirtschaftsstandortes Deutschland.

Welche Konzepte brauchen die Citys und die mittelständische Wirtschaft, um auch im Digitalzeitalter attraktiv zu bleiben?
Städte müssen sich in Zukunft vielen Fragen stellen, wie z.B.:

·        Wie erhöhe ich den Erlebniswert meiner Innenstadt, wie kann ich Erkenntnisse aus dem Freizeitsektor in meine Innenstadtplanung einfügen?

·        Wie gestalte ich den real-digitalen Erlebnis- und Kommunikationsraum meiner Stadt, auch in Hinblick auf Smart City Entwicklungen?

·        Wie sieht ein gesunder Sortimentmix des Handels aus?

·        Welche Rollen haben stadteigene Betriebe in der zukünftigen Stadt?

·        Wie schaffe ich für den Handel eine Sichtbarkeit im digitalen Raum?

Derzeit gibt es viele Initiativen und Pilotprojekte, die sich mit der Beantwortung der Fragen beschäftigen. Eine ist zum Beispiel die Future City Langenfeld, in der eine Modellstadt für die Zukunft des Handels und des Erlebnisraumes Innenstadt entwickelt wird. Was sich dort als wichtigste Hauptaufgaben herauskristallisiert hat, sind folgende Elemente:

·        Abbau von Zutrittshürden zu einer Stadt und des stationären Handels, wie z.B. Parken, digitale Auffindbarkeit des Handels, Öffnungszeiten

·        Innenstadtattraktivität: Möblierung, Schaffung eines attraktiven Mittelpunktes (“Selfie-Point“), digitale Angebote, Gamification, Attraktive Wegeleitung und Orientierung, Events

·        Sicherheit für Bürger schaffen

Ein wichtiger Aspekt beim Einkaufen in den Städten ist das Thema Mobilität und Verkehr. Müssen hier neue Konzepte her,  damit auch künftig die Menschen in den Citys einkaufen gehen?
Ob wir es hören wollen oder nicht: Deutschland ist ein Autofahrerland, der Kunde will am Liebsten so nah wie möglich mit dem Auto an sein Ziel kommen. Also muss man sich um das Thema Parken und Erreichbarkeit Gedanken machen, man kommt nicht um eine effektive Verkehrsführung des Autoverkehrs herum. Alle anderen Maßnahmen der Verkehrsberuhigung oder gar Versuche, den Kunden in öffentliche Verkehrsmittel zu zwingen, schaden dem Handel mehr als sie der Innenstadtqualität nutzen. Daher ist es wichtig, dieses Thema ideologiefrei zu betrachten und mit effizienten Ideen zu verbessern. Wenn das autonome Fahren in die Breite kommt, sind die Spielregeln aber vollkommen andere.

Mit welchen Ideen und Programmen sorgen Verbände, wie der Händlerbund oder der BVMW dafür, dass es dem Mittelstand und damit der städtischen Wirtschaft gut geht?
Die Mittelstandsallianz des BVMW arbeitet unter der Federführung des Händlerbundes derzeit ein strategisches Positionspapier mit weiteren Verbänden und Partnern zur "Entwicklung von Innenstädten" aus. Dieses wird zur gegebenen Zeit gemeinsam präsentiert.

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