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Wo bleiben die ersten Live-Rollenspiele mit AR-Brillen?

Über das Spielen und seine magische Qualität

Lena Falkenhagen - Schriftstellerin, Computerspiele-Autorin, Schreibdozentin - Bundesvorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) Quelle: Antje S. Lena Falkenhagen Bundesvorsitzende Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) 31.07.2019
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"In der Verzahnung technischer Systeme und dem glaubwürdigen Erschaffen einer Illusion liegt meines Erachtens die wahre Kraft moderner Events", sagt Lena Falkenhagen. Die preisgekrönte Erfolgsschriftstellerin und VS-Bundesvorsitzende arbeitet auch als Autorin im Spielebereich und erhielt für Erweiterung Rise of Balor (für Drakensang Online) den Deutschen Entwicklerpreis.







Ein anonymer Millionär will auf einer Insel das Computer-Game eine Fortnite-Meisterschaft ausspielen. Welches Potenzial haben Computer Games als Vorlage für Freizeit-Events?
Das Potential zur Umsetzung von Videospielen in Real-life-Events oder Liverollenspielen ist meines Erachtens sehr groß.

Früher befruchteten sich Sportspiele und Computerspiele gegenseitig (und das geschieht ja immer noch). Manche Systeme bieten sich dafür mehr an, andere wiederum weniger. Die Vertrautheit von Capture-the-Flag, das von vielen MMOs verwendet wird, oder die Faszination eines Fußballsimulators machen es den Spielerinnen und Spielern einfach, sich in ein Spiel einzufinden.

Der Vorteil von Computerspielen ist aber, wie bei so vielen Dingen, die bekannte IP, unter der sich dann viele Menschen etwas Ähnliches vorstellen können. Das erspart Organisatoren ein längliches Designdokument und erzeugt einen Hype, den solche Spiele bzw. Meisterschaften dann zur Rekrutierung von Teilnehmern nutzen. Zum Beispiel gibt es bei den Begriffen „Zauberschule“ oder „Android“ eine von vielen geteilte Vorstellung über die literarischen Welten, aus denen diese Konzepte kommen (Harry Potter bzw. Blade Runner). Man kann sie mit Spaß und Freude nachlesen und muss nicht erst Pdfs wälzen.

Es zeigt sich, dass Computerspiele auf Buchvorlage eine besondere Tiefe und Faszination auszuüben scheinen (z.B. The Witcher). Als Erzählerin erfreut es mich natürlich, dass die von Schriftstellerinnen und Schriftstellern erschaffenen Welten so dicht und lebendig sind, dass Menschen weiter darin spielen wollen. Solange das Urheberrecht beachtet wird, ist daran ja auch nichts auszusetzen.

Hierzulande gibt es hunderte Live-Rollenspiel-Events jedes Jahr, vor allem im Adventure-Bereich. Woher kommt die Faszination fürs spielerische Kämpfen?
Bei den Liverollenspielen geht es auch (aber bei weitem nicht nur) ums Kämpfen. Die Schlachtenreihen eines Conquest of Mythodea oder Drachenfest mit Hunderten gepanzerten Kämpferinnen und Kämpfern sind natürlich beeindruckend und je nach Gewandungslevel ein Fest für die Augen. Kampf ist dabei einerseits der real gewordene Konflikt zwischen Parteien und andererseits eine Art aufgeführtes Bühnenstück. Selten wird sinnlos aufeinander eingedroschen; besonders kleinere Kämpfe oder Duelle sind oft vorher geübt oder abgesprochen.

Wer einmal wissen möchte, wie sich eine Schlachtenreihe im Kettenhemd oder einer vollen Metallpanzerung anfühlt, der hat auf solchen Spielen die Gelegenheit dazu. Das Gefühl, aus uns herauszutreten und etwas nicht nur in einer fiktiven Welt im Buch oder im Spiel über Umwege zu erfahren, sondern wirklich dazustehen und handeln zu dürfen, ist eine besondere Erfahrung.

Liverollenspiele üben meines Erachtens aber eine so große Faszination auf Menschen aus, weil sie gestatten, an den Geschichten, die man sonst bei Büchern, Filmen und Serien und selbst bei Computerspielen mehr oder weniger passiv in vorgefertigten Bahnen erlebt, nun als Protagonist (oder Antagonist) zu partizipieren und selbst frei zu entscheiden, in welche Richtung sich das Blatt wendet. Man tritt mit dem eigenen Körper in die erschaffenen Welten ein und lebt, atmet, schläft, lacht, weint, trinkt und streitet in ihnen. Gefällt einem die Richtung der Geschichte nicht, kann man sie (in Absprache mit den Organisatoren) mit steuern.

Das ist ein Genuss und ein Geschenk von beinahe magischer Qualität.

Welche anderen Game-Genres eignen sich aus Ihrer Sicht besonders für eine Adaption in Real-live-Events?
Urban Fantasy und Near-Future- oder Cyberpunk-Geschichten haben natürlich eine geringe Einstiegshürde einerseits für Organisatorinnen und Organisatoren, andererseits auch für die Spielenden. Da Liverollenspiele oder Real-live-Events oft Hobbyproduktionen sind, ist Geld ein Faktor, den man nicht außer Acht lassen darf.

Insgesamt kommt es aber auf die Zahlungsbereitschaft der Organisatoren bzw. Kunden an: wenn man sich ein aufwändiges Cyberpunk-Gewand mit entsprechender Technik anfertigen lassen kann, dann sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt.

Deutschland ist mit vielen Burgen und Schlössern gesegnet, um Fantasy- oder historische Spiele abzuhalten; aber wenn Sie unsere nördlichen Nachbarn anschauen, finden Sie vielleicht eher Veranstaltungszentren oder, wie jüngst auf dem sehr aufwändig inszenierten SF-Liverollenspiel Odysseus in Helsinki geschehen, futuristisch anmutende Schulen, die man mit mehr oder weniger großem Aufwand anpassen kann, um einem SF-Setting zu entsprechen.

Bei Augmented-Reality-Games wie Pokémon Go verschmilzt die Grenze zwischen Spiel und Realität. Welches Potenzial für Events sehen Sie in AR-Games?
Ich warte nur darauf, dass die ersten Liverollenspiele mit AR-Brillen arbeiten. Da der Markt wie erwähnt im Augenblick eher in einem Hobbysektor stattfindet, sind Kosten immer ein Faktor. In den letzten Jahren wird aber immer mehr mit technischen Computersystemen (Brückensimulatoren, Maschinenraum-Simulatoren, Chatkanäle und Sozialsysteme, Flugsimulatoren etc.) gearbeitet.

Auf dem Odysseus in Helsinki, einem sogenannten Clockwork-Liverollenspiel, griffen die verschiedenen Simulatoren sogar ineinander und hingen voneinander ab, so dass mit einem zerstörten Jump-Drive im Maschinenraum der nächste Sprung auf der Brücke nicht ausgelöst werden konnte.

Soll das Ereignis dann in einer AR-Welt stattfinden, müssen sich Computerspiel und Liverollenspiel-Ereignis noch weiter annähern oder gar verschmelzen, um wirklich gute Erfahrungswelten zu liefern. Wizards Unite von Niantic geht hier einen ersten Schritt; wenn die 3D-Kreaturen nicht auf dem Mobiltelefon, sondern per Brille in der Umgebung wahrgenommen würden, dann kämen wir dieser Verbindung schon sehr nahe.

In der Verzahnung technischer Systeme und dem glaubwürdigen Erschaffen einer Illusion liegt meines Erachtens die wahre Kraft moderner Events – allerdings ist der Aufwand, sie herzustellen und zu kalibrieren immens. Dieses Problem steigert sich natürlich mit AR noch einmal.

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