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Interview04.09.2024

Wie klare Vorgaben den Erneuerbaren Energien und der Industrie helfen

Und warum Energiepolitik längst auch Sicherheitspolitik ist

Wolfram Axthelm - Geschäftsführer im Bundesverband WindEnergie BWE und im Bundesverband Erneuerbare Energie BEE Quelle: BWE/Silke Reents Wolfram Axthelm Geschäftsführer Bundesverband WindEnergie BWE
INITIATORIN DIESER FACHDEBATTE
Dipl.- Journ. Nikola Marquardt
Founder & Herausgeberin
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Mit Blick auf die staatlich subventionierten chinesischen Akteure wirbt Wolfram Axthelm , engagiert im Bundesverband WindEnergie BWE und im Bundesverband Erneuerbare Energie BEE, dafür, Europa-weit "ein stabiles Level Playing Field zu schaffen". Ein wichtiges Thema ist ihm auch die Cybersicherheit.





Die energieintensiven Unternehmen fordern einen neuen Industrievertrag in Europa und Unterstützung. Welche Rahmenbedingungen brauchen die Unternehmen in Ihrer Branche konkret?
Für die Unternehmen der Erneuerbaren-Energien-Branche ist die wichtigste Voraussetzung Planbarkeit. Sowohl auf europäischer als auch auf bundesdeutscher Ebene sehen die Pläne für die kommenden Jahre einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien vor. Um diesen zu organisieren, müssen Investitionen in Milliardenhöhe getätigt werden – in Produktionskapazitäten, in den Aufbau von Personal, in Planung und Projektumsetzung. Der gesetzlich gewünschte starke Zubau von Kapazitäten in der Windenergie erfordert viel privates Kapital, welches über die Banken bereitgestellt wird. Damit dies weiter gesichert ist, braucht es berechenbare Rahmenbedingungen. Ein vollständiger Systembruch, etwa beim Absicherungssystem des EEG, stünde dem entgegen. Es braucht Anpassungen am gesamten Strommarktdesign, welches auch künftig eine Projektumsetzung mit niedrigen Eigenkapitalquoten und niedrigen Fremdkapitalkosten gewährleistet. Gleichzeitig braucht es auf europäischer Ebene die stringente Ausgestaltung des Net Zero Industry Acts. Hier wird es vor allem darauf ankommen, welche Präqualifikationskriterien für die Teilnahme am europäischen Markt definiert werden. Vor allem mit Blick auf die staatlich subventionierten chinesischen Akteure werben wir dafür, ein stabiles Level Playing Field zu schaffen. Das Beispiel des Niedergangs der deutschen Photovoltaikbranche zeigt deutlich, wie schnell auch eine führende Industrie durch einen verzerrten Wettbewerb vom Markt verdrängt werden kann.

Gefordert wird auch ein schnellerer Ausbau der Windenergie - welche erneuerbaren Energiequellen sind für Ihre Branche besonders bedeutsam?
Wind- und Solarenergie sind die beiden großen Masseträger im erneuerbaren Energiesystem. Bereits heute machen die Erneuerbaren (Stand 1. Halbjahr 2024) 65 Prozent an der Gesamtmenge des in Deutschland erzeugten Stroms aus. Dabei entfällt der größte Anteil (34 Prozent) auf die Windenergie. Die Photovoltaik folgt mit 15 Prozent auf dem zweiten Platz. Windenergie ist damit der größte Einzelenergieträger im aktuellen deutschen Strommix.

Aber für ein Gelingen der Energiewende braucht es das Zusammenspiel aller erneuerbaren Energiequellen. Eine besondere Rolle fällt der Bioenergie zu. Sie kann mit ihrer Flexibilität einen wichtigen Beitrag an Tagen leisten, an denen Wind und Solarenergie wetterbedingt weniger Strom liefern. Dies hat auch das BMWK erkannt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat ein neues Biomassepaket angekündigt, das eine stärkere Förderung insbesondere für flexible Bioenergieanlagen vorsieht. Dieses Paket muss jetzt möglichst schnell nach der Sommerpause vorgelegt werden.

Gefordert wird auch, beim Ausbau der Windenergie möglichst viel Wertschöpfung in Europa zu behalten - was muss dafür geschehen?
Wir beobachten, dass in letzter Zeit chinesische Herstellerunternehmen von Windenergieanlagen verstärkt in den europäischen und den deutschen Markt vorzudringen versuchen. Dabei locken die Hersteller mit günstigen Angeboten sowie einem Zahlungsaufschub von mehreren Jahren. Wir halten dies für eine Gefahr für den Wertschöpfungsstandort Europa. Die Angebote der chinesischen Hersteller stützen sich offensichtlich auf staatlichen Subventionen. Wir erwarten von der europäischen Politik nun klare Vorgaben u.a. zur Cybersicherheit. Windenergieanlagen sind mit einer Vielzahl von Sensoren bestückt, die zahlreiche Daten erfassen. Inwiefern die Hersteller der chinesischen Regierung Zugriff auf diese Daten gewähren würden – oder müssten – ist keine triviale Frage. Zudem können Anlagen herstellerseitig abgeregelt werden. Es besteht damit theoretisch die Gefahr, dass die Drohung mit einer Abregelung der Windenergieanlagen als politisches Druckmittel genutzt werden könnte. Diese Fragen zeigen, dass Energiepolitik längst auch Sicherheitspolitik ist.

Um möglichst viel Wertschöpfung in Europa zu sichern, muss deshalb der Net Zero Industry Act so ausgestaltet werden, dass Fragen der Cybersicherheit eine angemessene Berücksichtigung finden. Generell braucht es einen stabilen und langfristigen Rahmen, damit die Projektierer Planungssicherheit haben und den notwendigen Produktionshochlauf sowie die damit verbundenen notwendigen Investitionen organisieren können.

Energieintesive Unternehmen müssen nach der EU-Energieeffizienz-Richtlinie in Kürze Maßnahmen ergreifen - welche Potenziale und Herausforderungen sehen Sie hier?
Aus unserer Sicht gibt es vor allem im Bereich der Direktbelieferung von Industrie noch ein großes, ungenutztes Potenzial, welches einfach zu heben wäre. Momentan findet sich in den Vorgaben dazu noch das schwammig definierte Kriterium der räumlichen Nähe sowie die Beschränkung der maximalen Leitungslänge zwischen EE-Anlagen und Direktabnehmer auf fünf Kilometer. Hier kann man ansetzen, um die Direktbelieferung zu vereinfachen und es so zahlreichen Unternehmen ermöglichen, sich und ihre Prozesse zu dekarbonisieren. Gleichzeitig würde damit eine Abnahme des produzierten Stroms garantiert, was wiederum die Netze entlasten würde.

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