Die energieintensiven Unternehmen fordern einen neuen Industrievertrag in Europa und Unterstützung. Welche Rahmenbedingungen brauchen die Unternehmen konkret?
Sie brauchen günstige Energie und ganz besonders günstigen Strom, der für die Dekarbonisierung essenziell ist. Im Gegensatz zu anderen Weltregionen, zum Beispiel den USA, hat Europa jedoch eher ungünstige Standortbedingungen für die erneuerbare Stromproduktion. Deshalb müssen die Potenziale, die der Kontinent hat, bestmöglich genutzt werden. Der Ausbau des europäischen Stromnetzes kann die Stromkosten des Kontinents insgesamt erheblich reduzieren.
Daneben braucht es mehr europäische und weniger nationale Förderprogramme, um innovative und emissionsarme Industrieverfahren hochzufahren. Nur über europäische Programme, in deren Rahmen energieintensive Unternehmen europaweit in einen fairen Wettbewerb treten, lassen sich die Potenziale des Kontinents ausschöpfen. Ein europäischer Carbon Contract for Difference, ein Differenzvertrag für den Ausgleich von Mehrkosten durch klimaneutrale Produktionsverfahren, wäre eine großer Schritt nach vorne. Für die Umsetzung bräuchte es allerdings zusätzliche Gelder auf der europäischen Ebene – eine weitere Lockerung der Beihilferegeln wäre hier eher kontraproduktiv.
Gefordert wird auch ein schnellerer Ausbau der Windenergie - wie sehen Sie diese Forderung?
Insbesondere Offshore-Wind liefert emissionsfreien Strom mit vergleichsweise geringer Fluktuation, was für die Prozesse der energieintensiven Industrien von Vorteil ist. Diese müssen zwar nicht immer durchlaufen, haben aber teils weniger Flexibilitätspotenziale als andere Industrieprozesse. Offshore-Wind kann so gegenüber anderen erneuerbaren Energien Speicherkosten verringern und zu niedrigen Strombezugskosten führen – ihr Ausbau sollte deshalb forciert werden. Über Langfristverträge können sich energieintensive Unternehmen diesen Strom sichern.
Gefordert wird auch, beim Ausbau der Windenergie möglichst viel Wertschöpfung in Europa zu behalten – was muss dafür geschehen?
Die Einführung pauschaler Local-Content-Kriterien in Ausschreibungen sehe aus handelsrechtlicher und -politischer Perspektive eher kritisch. Über die stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien, die für alle Bietenden gelten, kann jedoch erreicht werden, dass Unternehmen aus Weltregionen mit geringeren Standards und deshalb geringeren Kosten nicht bevorteilt werden. Teils wird dies heute schon gemacht, könnte jedoch ausgeweitet werden.
Energieintesive Unternehmen müssen nach der EU-Energieeffizienz-Richtlinie in Kürze Maßnahmen ergreifen - welche Potenziale und Herausforderungen sehen Sie hier?
Auch in den energieintensiven Industrien gibt es bisher nicht gehobene Effizienzpotenziale. Die Ausweitung der Einrichtungsverpflichtung von Energiemanagementsystemen auf kleine und mittelgroße Unternehmen ist deshalb richtig. Gleichzeitig erfordern substanzielle Fortschritte zusätzliche Anreize, denn eine Vielzahl an energiesparenden Maßnahmen lohnt sich erst bei höheren CO2-Preisen, die für Teile der energieintensiven Industrien aufgrund der kostenfreien Zuteilung derzeit ohnehin nicht gelten. Für eine unkomplizierte Umsetzung, zum Beispiel in der Form von Steuervergünstigungen, sind primär die Mitgliedsländer gefragt, denn Steuerinstrumente lassen sich auf der europäischen Ebene nicht umsetzen. Jedoch könnten europäische Gelder die Umsetzung solcher Programme unterstützen.