Der VPRT fordert bei der Digitalisierung besonderes Augenmerk auf die vielfältige private Radiolandschaft zu legen und verweist dabei auf das Grundgesetz. Muss und kann die Politik das Privatradio tatsächlich schützen?
Selbstverständlich ist der Hörfunk genauso ein Bestandteil der in Artikel 5 des Grundgesetzes niedergelegten Grundrechte wie etwa das Fernsehen oder die Zeitung. Daraus leitet sich auch die Pflicht für die Politik ab, Rahmenbedingungen für das Radio zu schaffen, die Vielfalt sichern und fördern. Das gilt für das Privatradio genauso wie für öffentlich-rechtliche Angebote.
Wie lässt es sich gesellschaftspolitisch erklären, dass Radio für den Eintritt in die digitale Welt einen Rettungsschirm verlangt, während andere Branchen den Folgen der Digitalisierung schutzlos ausgeliefert sind?
Alle Branchen müssen sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen. Ob Autohersteller, Maschinenbauer, Buchverlag oder eben das Radio: Wer sich der Digitalisierung nicht stellt, wird von ihr überrollt. Dafür bietet sie auch große Chancen. Die Eintrittsbarrieren werden kleiner, die Vielfalt steigt. Gleichzeitig zeigen andere Branchen, dass von starken Marken noch immer große Anziehungskräfte ausgehen, wenn auch die Inhalte stimmen. Das ist auch eine große Chance für etablierte Hörfunkanbieter. Dass zunehmender Wettbewerb durch digitales Radio zunächst nicht immer im Sinne der bisherigen Markteilnehmer ist, liegt dabei in der Natur der Sache. Wettbewerb belebt allerdings bekanntlich auch das Geschäft. Und ich bin mir sicher, dass die privaten Hörfunksender in diesem Wettbewerb bestehen können, wenn sie die zunehmende Digitalisierung sowie ihre enormen Erfahrungen und Kompetenzen für sich nutzen. Dafür müssen aber natürlich auch faire Wettbewerbsbedingungen herrschen. Neue Angebote dürfen nicht besser behandelt werden als bewährte, und auch die gebührenfinanzierte Konkurrenz durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk darf nicht aus dem Ruder laufen.
Die privaten Radioveranstalter sehen sich finanziell gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sendern benachteiligt und wollen „Positivanreize“ für den digitalen Umstieg. Welche Förderung könnten Sie sich vorstellen?
Selbstverständlich ist die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein enormes Privileg, welches privaten Angeboten das Leben nicht einfacher macht. Für meinen Geschmack ist die Zahl der öffentlich-rechtlichen Hörfunksender auch bereits jetzt zu hoch, mit dem eigentlichen Grundversorgungsauftrag hat das wenig zu tun. Die Lösung kann aber nicht sein, den privaten Bereich jetzt auch noch zu subventionieren. Vielmehr würde ich mir wünschen, dass das öffentlich-rechtliche Angebot auf ein Maß zurückgefahren wird, das der ursprünglichen Intention öffentlich-rechtlicher Rundfunkangebote wieder etwas näher kommt.
Während Handel und Industrie einen klaren Abschalttermin für UKW fordern, wollen die Privatradios solange es geht an ihrem analogen Geschäftsmodell festhalten und auch die ARD will sich nicht festlegen, hat unter diesen Vorzeichen terrestrisches digitales Radio in Deutschland überhaupt eine Chance?
Die Digitalisierung auch des Radios ist mittelfristig unumgänglich. Auf der anderen Seite sind frühere feste Abschalttermine bereits gescheitert. Man kann einen solchen Umstieg auch nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger gestalten, sondern nur mit ihnen. Da das analoge Radio noch immer von vielen Hörerinnen und Hörern nachgefragt wird und auch nach wie vor einige qualitative Vorteile bietet, wäre ein schneller erzwungener Ausstieg aus UKW und Co. falsch. Unabhängig von technischen Fragen gehe ich von einer sehr langen Zukunft des Radios aus. Es ist ein idealer medialer Begleiter im Alltag. Und ich bin zuversichtlich, dass beispielsweise für private lokale Radiosender über lokale digitale Multiplexe Wege gefunden werden können, die einen preiswerten Einstieg ermöglichen.
Während die Einführung von Digitalradio läuft, werden in Deutschland immer noch UKW-Frequenzen vergeben oder verlängert. Halten Sie das für zielführend, wenn es um die Zukunft des Radios geht?
Ein Großteil der in der Vergangenheit frei gewordenen Frequenzen wurde bereits für die digitale Nutzung - auch für mobile Datenübertragung - freigemacht. Deshalb ist es auch fair, Frequenzen weiterhin für die analoge Datenübertragung zu nutzen. Ein vollständiger Umstieg darf ohnehin nicht von heute auf morgen - und von "oben" - erzwungen werden. Die Bürgerinnen und Bürger, die täglich sehr gerne analoge Radioangebote nutzen, dürfen nicht einfach übergangen werden. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt ja, dass dennoch Frequenzen für die digitale Datenübertragung freigemacht werden und dass neue Angebote entstehen. Das wird weiter zunehmen.

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