Der VPRT fordert bei der Digitalisierung besonderes Augenmerk auf die vielfältige private Radiolandschaft zu legen und verweist dabei auf das Grundgesetz. Muss und kann die Politik das Privatradio tatsächlich schützen?
Das Privatradio muss sich wie die Verleger auch im Markt behaupten und durch attraktive Programme wettbewerbsfähig bleiben. Die Politik hat die Aufgabe, für faire Wettbewerbsbedingungen sowohl im dualen System als auch im Vergleich zu neuen, durch die Digitalisierung hinzugekommenen Marktteilnehmern aus dem Ausland zu sorgen, die überwiegend unreguliert sind, obwohl sie ebenfalls rundfunkähnliche Inhalte anbieten.
Wie lässt es sich gesellschaftspolitisch erklären, dass Radio für den Eintritt in die digitale Welt einen Rettungsschirm verlangt, während andere Branchen den Folgen der Digitalisierung schutzlos ausgeliefert sind?
Forderungen nach einem „Rettungsschirm“ kann ich nicht erkennen. Auch die Politik hat aber wie die Gesellschaft ein Interesse am Erhalt unserer vielfältigen Radiolandschaft. Dass die Radios auf angemessene Rahmenbedingungen (z. B. keine weiteren Werbeverbote) pochen, ist legitim. Auch dürfen die Öffentlich-Rechtlichen den Privatradios nicht die Luft zum Atmen abschnüren. Im Übrigen hat der Staat anderen Branchen schon in ganz anderem Maße beim Eintritt in die Digitalisierung geholfen: Ich verweise nur auf das Förderprogramm von Bund und Ländern für die Kinodigitalisierung, also die Umstellung auf digitales Filmabspiel.
Die privaten Radioveranstalter sehen sich finanziell gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sendern benachteiligt und wollen „Positivanreize“ für den digitalen Umstieg. Welche Förderung könnten Sie sich vorstellen?
Wir müssen berücksichtigen, dass aus dem Rundfunkbeitrag bereits Mittel in erheblicher Höhe in DAB und DAB+ geflossen sind. ARD und Deutschlandradio haben zudem erst kürzlich bei der KEF 122,7 Mio. bzw. 73,7 Mio. Euro für die kommende Beitragsperiode angemeldet.
Sehr begrüßenswert finde ich, dass der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur das Digitalradio-Board ins Leben gerufen hat. Endlich alle Betroffenen an einen Tisch zu holen, kann nur hilfreich sein. Denn u. a. mit der Bundesnetzagentur gibt es weitere Kräfte, die ein vitales Interesse an der Umstellung auf den digitalen Radiostandard haben.
Ich unterstütze die Forderung, Multichips in die Radios einzubauen, die alle Übertragungssignale empfangen können. Damit haben wir mit einem UKW-Abschaltdatum keine Eile.
Während Handel und Industrie einen klaren Abschalttermin für UKW fordern, wollen die Privatradios solange es geht an ihrem analogen Geschäftsmodell festhalten und auch die ARD will sich nicht festlegen, hat unter diesen Vorzeichen terrestrisches digitales Radio in Deutschland überhaupt eine Chance?
Der Umstieg von analog auf digital ist kein Selbstzweck. Noch immer hören rund 93 Prozent der Deutschen via UKW-Frequenzen Radio. Angesichts der großen Anzahl an UKW-Radios in deutschen Haushalten ist mit einem überstürzten Umstieg niemandem gedient. Dennoch besteht kein Anlass zu Schwarzmalerei. Digitaler Radiokonsum findet bereits auf vielfältigen Wegen statt. DAB+ ist einer davon, und es hat wegen seiner spezifischen Stärken, z. B. für die Verkehrssicherheit, die Verkehrstelematik sowie seine Unabhängigkeit vom Internet seine absolute Existenzberechtigung.
Während die Einführung von Digitalradio läuft, werden in Deutschland immer noch UKW-Frequenzen vergeben oder verlängert. Halten Sie das für zielführend, wenn es um die Zukunft des Radios geht?
Viele Wege führen nach Rom. Wir werden zukünftig auf den verschiedensten Wegen Radio hören. Bis zur vollständigen Abschaltung von UKW wird es noch lange dauern.