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Werden in Niedersachsen eigentlich noch Autos gebaut?

Was die Entscheidung in Hannover zu DAB+ aus Sicht eines Senders auf dem Bundesmux bedeutet

Markus Knoll, Geschäftsführer Funkhaus Ortenau Quelle: Markus Dietze Markus Knoll Geschäftsführer Schwarzwaldradio 07.08.2019
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"Ich bin ja schon ziemlich erleichtert, dass in Niedersachsen nicht auch mal das Internet zu Testzwecken abgeschaltet wird", sagt Markus Knoll, Geschäftsführer des Funkhauses Ortenaus (HITRADIO OHR und Schwarzwaldradio), mit Blick auf die Entscheidung des Niedersächsischen Landtags gegen DAB+. Beim teuren Simulcast sieht er allerdings Missstände.







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Welche Auswirkungen hat der Beschluss des Niedersächsischen Landtages gegen DAB+ auf die Zukunft des digitalen Übertragungs-Standards in Deutschland?
Ich hefte diesen Beschluss unter der Rubrik „Sandburg-Phänomen“ ab. Gerade jetzt im Urlaub sieht man viele Kinder, die ihre Sandburgen gegen die einsetzende Flut verteidigen. Bis zuletzt glauben sie, ihre Burg vor den steigenden Pegeln schützen zu können, ohne Aussicht auf Erfolg. Auch in Niedersachsen wird die Politik nicht verhindern können, dass sich Menschen ein Digitalradio in Wohnung stellen oder im Auto einbauen lassen. Und dann werden über diese Geräte eben nationale oder einstrahlende Angebote gehört. Werden in Niedersachsen eigentlich noch Autos gebaut?

Laut dem Beschluss ist DAB+ nur eine Übergangslösung und digitales Radio werde künftig über breitbandiges Internet wie den Mobilfunkstandard 5G übertragen. Welche Vor- und Nachteile hat IP-basierte Verbreitung von Radioprogrammen gegenüber Broadcast aus Ihrer Sicht?
Ich bin ja schon ziemlich erleichtert, dass in Niedersachsen nicht auch mal das Internet zu Testzwecken abgeschaltet wird. Natürlich wird in den kommenden Jahren auch die IP-basierte Radionutzung zunehmen. Einen Vorteil für den Nutzer kann ich an dieser Stelle nicht erkennen. Eher einen Nachteil, wenn der Radiohörer versehentlich nicht im W-Lan ist und ratzfatz sein Datenvolumen wegbläst. Auch mögliche Überlastung und Ausfall der Netze wären ein Nachteil. Stichwort 5G: So lange wir in Deutschland noch so viele Ecken haben, an denen noch nicht mal störungsfrei mobil telefoniert werden kann, mache ich mir um das Wachstum von DAB+ keine Sorgen. Außerdem werden die astronomischen Investitionen in der 5G-Welt sicherlich nicht dafür aufgebracht, damit möglichst viele Menschen kostenlos Radio hören können. Wohlfahrtsverbände haben bei der Versteigerung der Lizenzen meines Wissens ja nicht mitgemacht. Interessant ist an dieser Stelle übrigens auch, dass laut Funkanalyse Bayern 2019 die IP-basierte Übertragung erstmals hinter der Verbreitung über DAB+ zurückfällt. Aber Bayern ist ja auch nicht Niedersachsen.

Der Beschluss verweist darauf, dass die Finanzierung der DAB+-Verbreitung der öffentlich-rechtlichen Radiostationen aus dem Rundfunkbeitrag die privaten Stationen benachteilige. Inwieweit sehen Sie hier eine Schieflage und ggf. Möglichkeiten diese zu beseitigen?
Dass die öffentlich-rechtlichen Stationen schon allein deshalb finanziell besser gestellt sind, weil sie am Tropf der Haushaltsabgabe hängen, ist nichts Neues. Dass viele dieser Wellen auch noch massiv Werbespots ausstrahlen und Programme fahren, die sich von den privat finanzierten Sendern kaum mehr unterscheiden, ist ebenfalls keine Einser-Meldung mehr. Die privaten Anbieter und auch deren Verbände weisen schon seit Jahrzehnten auf diesen Missstand hin. Die Politik müsste gerade beim Ausbau auf DAB+ eine finanzielle Gleichstellung erwirken, tut dies aber nicht. Jetzt können die Privaten entweder notgedrungen investieren, um bei DAB+ dabei zu sein oder es eben lassen. Die Öffentlich-rechtlichen werden sich nicht von ihrer Marschroute nicht abbringen lassen, nur weil die Privaten „Schippchen machen“. Fakt ist, dass für viele UKW-Stationen eine zusätzliche Verbreitung über DAB+ schlichtweg nicht finanzierbar ist. Keine guten Aussichten für die Medienvielfalt.

In Österreich sind gerade Ende Mai eine ganze Reihe Privatradios auf DAB+ on Air gegangen, in Norwegen ist UKW abgeschaltet. Wie bewerten Sie den Niedersächsischen Vorstoß im europäischen Kontext?
Wir können uns gerne noch weitere Jahre darüber streiten, ob DAB+ eine „Übergangstechnologie“ ist, welche das gleiche Schicksal erleiden wird, wie einst die „Minidisc“ oder ob sie UKW auch in Deutschland mittel- bis langfristig ablösen wird. Was aber leider oft nicht berücksichtigt wird: Vor allem Sender, die nur oder fast ausschließlich über DAB+ verbreitet werden und neue oder andere Inhalte liefern, gewinnen gerade Hörer, die nun anderen Stationen fehlen. Und diese Hörer werden ihrem neuen Lieblingssender im Zweifelsfall übers Web verfolgen, sollte es DAB+ tatsächlich nicht aufs Treppchen schaffen. Sicher ist, dass sich Deutschland (inklusive Niedersachsen) keine zwei terrestrischen Übertragungswege leisten kann und wird. Die Ausspielung über IP wird in den kommenden Jahren weiter wachsen, auch im schönen Niedersachsen … zusammen mit DAB+.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihren aktuellen Hörerzahlen?
Wie in jeder Metzgerei gilt auch bei der Mediaanalyse: Es darf gerne auch ein bisschen mehr sein. 20.000 Hörer in der Stunde sind für ein nationales Produkt keine euphorisierende Reichweite. Aber es ist ein Anfang, der uns das wirtschaftliche Überleben zumindest in Aussicht stellt und unserem Vertrieb wie unseren Partnern offizielle und belastbare Zahlen an die Hand gibt. Und mit über 450.000 Hörern im WHK haben wir genug Potential um auch in der Durchschnittsstunde weiter zu wachsen. Wir hören uns in einem Jahr wieder.

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