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In einem historischen Kontext ist alles irgendwann Übergangstechnologie

Wo DAB+ in Deutschland und Europa steht

Stefan Raue, Intendant Deutschlandradio  Quelle: Deutschlandradio / B. Fürst-Fastré Stefan Raue Intendant Deutschlandradio 12.08.2019
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In Sachen DAB+ geht es aus Sicht des Deutschlandradio-Intendanten Stefan Raue "nicht mehr um die Frage des „ob“, sondern nur noch um die Frage, wie sich die nationale Umsetzung in den Ländern gestaltet". In Deutschland sieht er zudem noch starke regionale Unterschiede. 







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Welche Auswirkungen hat der Beschluss des Niedersächsischen Landtages gegen DAB+ auf die Zukunft des digitalen Übertragungs-Standards in Deutschland?
Auch wenn wir denken, dass die faktische Wirkung gering ist: Mit einstimmigen Landtagsbeschlüssen sollte man es genauso halten wie mit Verfassungsgerichtsurteilen, sie sind zu respektieren, ob man ihre Aussage nun teilt oder auch nicht. Deutschlandradio, dessen DAB+-Experten den Landtagsfraktionen gerne bis zum Schluss zur Sachklärung zur Verfügung gestanden hätten, nimmt das zur Kenntnis.

„DAB+ hat aus politischen Gründen den Point of no return überschritten“, hat ein hartnäckiger Bekämpfer von DAB+, Klaus Schunk vom Privatsenderverband Vaunet, kürzlich verlauten lassen. Vermutlich wäre die Diskussion in den Landtagsfraktionen in Hannover etwas anders gelaufen, wenn Schunk dieses wahre Wort früher oder deutlicher verkündet hätte.

DAB+ wird von immer mehr Menschen genutzt. Während der Verkauf von UKW- Radiogeräten deutlich abnimmt, legen die Verkaufszahlen für DAB+-Geräte vor allem im Autoradiobereich stark zu. In der mobilen Nutzung längs der fast vollständig durch DAB+ abgedeckten Autobahnen und Bundesstraßen werden die Qualitäten der neuen Technologie in Klang, Übertragungsstärke und Bedienungskomfort besonders deutlich.

Die Unterhaltungselektronikbranche ist inzwischen voll auf DAB+ eingestiegen, auch die Premiummarken. Wer das nicht glaubt, sollte mal durch die Fachmärkte, Autohäuser oder die Internationale Funkausstellung gehen und sich umschauen.

Die Bundesländer und die Landesmedienanstalten fördern in zunehmendem Maße die DAB+- Angebote: In Bayern, in Mitteldeutschland und in NRW wird es mehr regionale DAB+- Angebote geben. Im Saarland, Thüringen sowie in Hamburg und Schleswig-Holstein stoßen derzeit laufende Ausschreibungen auf großes Interesse bei den Privaten. In Berlin und Brandenburg hat es in den letzten Monaten einen spürbaren Schub an neuen DAB+-Programmen gegeben.

Laut dem Beschluss ist DAB+ nur eine Übergangslösung und digitales Radio werde künftig über breitbandiges Internet wie den Mobilfunkstandard 5G übertragen. Welche Vor- und Nachteile hat IP-basierte Verbreitung von Radioprogrammen gegenüber Broadcast aus Ihrer Sicht?
DAB+ und IP folgen auf UKW, mit DAB+ als breit angelegten, terrestrischen Rundfunkstandard. Unser hybrider Ansatz deckt die Bedürfnisse der Hörerinnen ab und ist gleichzeitig krisenfest. Wir glauben nicht, dass 5G für das Radio kommt und sehen uns von Fachleuten bestärkt: 5G kennt keine Radio-Spezifikationen, keine Standards, keine Geschäftsmodelle. Noch nicht einmal 4G/LTE ist ausreichend ausgebaut. Bis zum flächendeckenden Ausbau des 5G Netzes wird es Jahrzehnte, wenn nicht gar eine Generation brauchen. Die 5G-Initiative, das sind die Veranstalter, warnt sogar vor 5G für den Rundfunk, weil es noch keine verlässlichen Grundlagen dafür gibt!

In einem historischen Kontext ist alles irgendwann Übergangstechnologie: vom Lagerfeuer zum Induktionsherd, von der Dampflok zur Magnetschwebebahn und vom Fernschreiber zum Fax. UKW und 5G übrigens auch.

Der Beschluss verweist darauf, dass die Finanzierung der DAB+-Verbreitung der öffentlich-rechtlichen Radiostationen aus dem Rundfunkbeitrag die privaten Stationen benachteilige. Inwieweit sehen Sie hier eine Schieflage und ggf. Möglichkeiten diese zu beseitigen?
Wir sind uns mit den Privaten einig, dass vorhandene Fördermöglichkeiten den Markt stimulieren. Am Beispiel Bayern wird das deutlich. Da ziehen Landtag, die BLM und die Privaten an einem Strang. Es gibt Zuschüsse zur technischen Programmverbreitung über DAB+. Bayern wird ab 2020 das erste Bundesland sein, in dem alle lokalen UKW-Programme auch über DAB+ ausgestrahlt werden. Fast jeder Dritte ab 14 Jahren in Bayern (31,1 Prozent) hat mittlerweile Zugang zu mindestens einem DAB+-Empfangsgerät, fast jeder Fünfte (18,4 Prozent) schaltet es an einem durchschnittlichen Tag unter der Woche auch ein.

In einer sehr detailliert aufgeschlüsselten Untersuchung hat die BLM ermittelt: Die Mehrkosten für die parallele, digitale Übertragung über DAB+ von allen privaten Hörfunkprogrammen in Deutschland beträgt nur rund 2,1 Prozent ihres Umsatzes.

In Österreich sind gerade Ende Mai eine ganze Reihe Privatradios auf DAB+ on Air gegangen, in Norwegen ist UKW abgeschaltet. Wie bewerten Sie den Niedersächsischen Vorstoß im europäischen Kontext?
Knapp 60 Prozent aller Europäer haben schon Zugang zu DAB+, besonders stark entwickeln sich derzeit unsere Nachbarländer Frankreich, Österreich, die Niederlande und Osteuropa. Die Schweiz hält am kompletten Umstieg auf DAB+ in 2024 fest. In rund 57 Prozent der britischen Haushalte steht ein DAB+ Radio. Mehr als 53 Prozent der Briten hören Radio über digitale Verbreitungswege: Anlass für die Regierung, demnächst über den Zeitpunkt eines UKW-Ausstiegs zu beraten.

Auch die von der EU beschlossene Digitalradiopflicht für Neuwagen ab 2021 zeigt den signifikanten Stellenwert von DAB+: Es ist der europaweit akzeptierte und etablierte Verbreitungsweg für terrestrischen Rundfunk. Die nationale Umsetzung des EECC ist in Arbeit. In Italien tritt die Digitalradiopflicht für Neuwagen bereits nächstes Jahr in Kraft, zeitgleich mit einer französischen Regulierung für stationäre Geräte.

DAB+ ist also nicht nur die Sache eines Bundeslandes, vielmehr aller Bundesländer und von ganz Europa. Die Geräteverkäufe steigen von Jahr zu Jahr. Insofern geht es nach unserer Einschätzung nicht mehr um die Frage des „ob“, sondern nur noch um die Frage, wie sich die nationale Umsetzung in den Ländern gestaltet.

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