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Interview21.11.2025

Wer nur mit KI sucht, kriegt keine korrekten Informationen

Welche Gefahren in neuen Such- und Browser-Lösungen lauern

Prof. Dr. Ing. Alke Martens - Institut für Informatik, IEF, Universität Rostock Quelle: ITMZ / Universität Rostock / Julia Tetzke Prof. Dr. Alke Martens Lehrstuhlinhaberin, Praktische Informatik Institut für Informatik, IEF, Universität Rostock
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Dipl.- Journ. Nikola Marquardt
Founder & Herausgeberin
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"Der Einsatz von KI in Suchmaschinen gleicht aktuell einem großen Experiment", sagt Forscherin Prof. Dr. Alke Martens von der Universität Rostock. Sie erläutert, warum das für die Nutzer und für Inhalteanbieter fatal sein kann - und warum es für die Politik gar nicht so einfach wird, da einzugreifen.





Internetbrowser und Suchmaschinen setzten zunehmend KI ein, um Inhalte direkt zusammenzufassen - was bedeutet das für die Anbieter von Inhalten?
Bislang ist das Suchprozedere hauptsächlich noch so: Die Suchmaschine durchsucht das Web auf der Basis von Schlagworten. Angezeigt wird dann in der Regel eine Auswahl von Webseiten, die mit dem Schlagwort mehr oder weniger übereinstimmen. Damit die Suche nach Schlagworten effizienter ist, gibt es bei den Suchmaschinen unterschiedliche Suchalgorithmen oder auch Softwarelösungen wire Crawler, Indexing oder Ranking. Nutzerprofilinformationen könnten beispielsweise gespeichert werden, um die Suchergebnisse besser an die Nutzenden anzupassen. Damit nun eine Website mit einer bestimmten Information gefunden wird, muss diese Website diese Schlagworte beinhalten oder entsprechend aufbereitet worden sein, damit sie angezeigt wird. Und weil Menschen oft schnell Information haben wollen, sollte die gewünschte Seite unter den ersten 10 bis 20 Ergebnissen sein.

Wenn jetzt das Ergebnis einer KI als erstes angezeigt wird, wenn ein Mensch im Internet nach einer Information sucht, dann passiert folgendes:

a) Menschen geben sich mit den KI-Ergebnissen sehr schnell zufrieden. Eine weitere Recherche fällt aus, das Ergebnis der KI wird nicht überprüft. Leider sind KI-Ergebnisse in der Regel nicht „korrekt“, da ist meist viel falsches oder verkürztes Material drin.

b) Menschen besuchen keine anderen Webseiten. Das bedeutet, eine Meinungsbildung findet auch in erster Linie auf der Basis des KI-Ergebnisses statt.

c) Bereits die algorithmisch gesteuerten Ergebnisse der Suchmaschinen halten Menschen in einer so genannten Informationsblase – sie bekommen nur die Information gezeigt, die zu ihrer Weltsicht passt. Diese Informationsblase wird durch Nutzung von KI verstärkt, was zu einem eingeschränkten Weltbild führt.

d) Menschen geben Informationen an die KI erstellenden Unternehmen preis, also welche Seiten werden wann besucht, bzw. welche Information wird wann gesucht, wie oft, wie lange wird interagiert, wie oft wird nachgefragte, welche Webseiten werden in der Folge besucht etc.

Der Einsatz von KI in Suchmaschinen gleicht aktuell einem großen Experiment, das zwei Seiten hat: erstens wird untersucht, ob und wie sich das Suchverhalten und die Suchanfragen im Internet durch Einsatz von KI verändert und zweitens wird geschaut, wie auf der Basis dieser Erkenntnisse neue Marketingstrategien eingeführt werden können und wie Menschen gezielt auf Produkte gelenkt werden können. Oder auch auf Informationen.

Mit Werbeformen wie gesponserten Folgefrage gehen die Angebote auch den Werbemarkt an - was kann das für Auswirkungen haben?
Werbeformen mit gesponserten Folgefragen gehen in diese Richtung. Die Auswirkungen sind typisch für das derzeitige Marketing: wer es sich leisten kann, dies zu finanzieren, wird angesteuert. Der Rest verschwindet schlimmstenfalls in den Tiefen des Internet. Und es gilt auch hier weiterhin: wer nur mit KI sucht, kriegt keine korrekten Informationen.

KI können auch Inhalte hinter Paywalls rekonstruieren - wie sehen Sie diesen Trend?
Paywalls sind nicht unumstritten, helfen aber beispielsweise journalistischen Formaten beim Überleben in der digitalen Welt (Stichwort ist hier: Zeitungssterben). Die Paywall ist  vergleichbar mit einer Mautstelle. Nur wer bezahlt hat, kommt weiter. Um die hinter der Bezahlschranke liegenden Angebote nutzen zu können, muss man direkt für den Inhalt zahlen (Paid Content) oder ein Abo abschließen. Paywalls haben nun den Vorteil, dass die Inhaltsersteller Geld für die Inhaltsangebote bekommen, und damit Leben und Arbeit wenigstens anteilig finanziert bekommt. Dies ist beispielsweise die Grundlage von seriösem und professionellem Journalismus, betrifft aber auch viele kleine Anbietende von digitalen Inhalten. Der Nachteil ist, dass bezahlende Kunden im System mit ihren Daten registriert sind und diese Daten sowie das Nutzungsverhalten von den Paywallbetreibenden dokumentiert werden kann. Dies geht deutlich über die Dokumentierbarkeit eines Printwerks (z.B. einer Tageszeitung) hinaus. Die Existenz von Paywalls ist nun Anlass für verschiedene Umgehungsversuche – das hat seit mehr als 10 Jahren fast schon Tradition im Internet (sogar mit eigenem Namen: Paywall-Bypass-Dienste, die aber nicht wirklich legal sind). Ein Einfalltor, das sich die KIs zunutze machen, ist der Umstand, dass Bezahlinformationen im Internet nur gefunden werden können, wenn sie über einen Index oder Schlagworte verfügbar sind. Wenn nun KIs Informationen hinter der Paywall abgreifen und diese dann öffentlich zur Verfügung stellen, beschädigen sie den öffentlichen Journalismus und digitale Geschäftstreibende, die von diesen Inhalten leben. Hinzu kommen sicherlich noch Datenschutzbedenken. Was noch schwieriger wird: in der Regel garantieren die Anbieter von Information hinter einer Paywall auch, dass nach ihrem Ermessen die Information „korrekt“ ist. Wenn die KI diese Information nimmt und intern verarbeitet, dann ist das Ergebnis eine KI-Berechnung und keinesfalls mehr die originale Information – und keinesfalls „korrekt“.

Zudem ändert sich KI-Information immer wieder – während Zeitungsartikel in der Regel so bleiben, wie sie erworben wurden und somit auch zitierbar sind.  KI-Informationen sind das nicht.

Welche Regulierung sollte die Politik auf diesem Gebiet aus Ihrer Sicht vornehmen?
Regulierungen sind im Feld der KI unheimlich schwierig, weil Nutzende in der Regel durch ihre Verwendung der Verarbeitung ihrer Daten zugestimmt haben. Wer die Software also nutzt, egal ob es ein Social Media System, eine Suchmaschine oder eine KI ist, stimmt der Verwendung von Daten, die eigentlich nach der Deutschen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geschützt sind, zu. Und das oft noch im internationalen Raum, in dem dann die deutsche Politik nicht viel Möglichkeiten hat. In Deutschland gilt das „Bildnisrecht“ als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Hier steht, dass Menschen grundsätzlich selbst entscheiden, wie wann und von wem ihr Bild verwendet wird. Wenn Menschen jetzt den Datenschutzeinstellungen, die per Voreinstellung angegeben sind, bedenkenlos zustimmen, um die Software in vollem Umfang nutzen zu können, stimmen sie der Nutzung ihrer Bilder zu. Dänemark hat die Absicht, dies im Sinne eines Copyrights für Körper, Bild, und Stimme zu verschärfen. Ich finde dies ist ein interessanter Vorstoß. Zudem bin ich der Meinung, dass die Voreinstellung in jeder Software der Schutz aller Daten sein müsste und Menschen sich dann bewusst entscheiden müssen, bestimmte Daten freizugeben. Dies würde meiner Einschätzung nach viele überhaupt erst zum Nachdenken bringen, denn oft ist Nutzenden von Social Media, Internetdiensten und KI absolut nicht klar, was alles gespeichert und verfolgt wird und was damit alles gemacht werden kann.

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

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