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Interview04.11.2025

Forscher rückt Förderung von Innovationen gegen Tech-Riesen in den Blick

Wie Medienanbieter in Zeiten der KI-Revolution unterstützt werden sollten

Dr. Michael Graßl - Vertretungsprofessur Journalismus und digitale Innovation,  Hochschule Magdeburg-Stendal Quelle: Hochschule Magdeburg-Stendal Dr. Michael Graßl Vertretungsprofessur Journalismus und digitale Innovation Hochschule Magdeburg-Stendal
INITIATORIN DIESER FACHDEBATTE
Dipl.- Journ. Nikola Marquardt
Founder & Herausgeberin
Meinungsbarometer.info
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"Aus meiner Sicht werden wir uns immer mehr einem „Zero-Click“-Szenario annähern, indem die Suche nach Informationen komplett ohne weiterführende Klicks und Verlinkungen funktionieren wird", prognostiziert Prof. Dr. Michael Graßl von der Hochschule Magdeburg-Stendal mit Blick KI-Browser und -Suchen. Er wünscht sich von der Politik nicht nur Regulierung, sondern auch gezielte Förderung.





Internetbrowser und Suchmaschinen setzten zunehmend KI ein, um Inhalte direkt zusammenzufassen - was bedeutet das für die Anbieter von Inhalten?
Keine guten Nachrichten. Und massive Probleme für das digitale Geschäftsmodelle vieler Medienanbieter. Ganz überraschend ist die Entwicklung allerdings nicht, schon vor ein paar Jahren haben erste Expertinnen und Experten genau davor gewarnt. Dennoch trifft es viele scheinbar komplett unerwartet und wir haben dafür noch keine Lösungen oder Alternativen gefunden.

Aus meiner Sicht werden wir uns immer mehr einem „Zero-Click“-Szenario annähern, indem die Suche nach Informationen komplett ohne weiterführende Klicks und Verlinkungen funktionieren wird. Ich gehe davon aus, dass die großen Tech-Firmen wie Google oder OpenAI schon lange darauf hinarbeiten, dass wir ihren Kosmos nicht mehr verlassen müssen und in einer Anwendung, z.B. in einem Chatbot, bleiben werden. Weil uns dort alles angeboten wird, was wir brauchen.

Studien aus der Mediennutzungsforschung zeigen uns, dass vor allem bei jungen Menschen der Trend dahin geht, auch Nachrichten immer häufiger über KI-Chatbots zu suchen und zu konsumieren. Wir sollten uns also schon heute ganz massiv Gedanken darüber machen, wie wir unser Geschäftsmodell disruptiv so ändern, dass wir in dieser Medienwelt noch eine Chance haben, mit unseren Inhalten ausreichend Geld zu verdienen. Insbesondere im Journalismus, den wir für eine starke Demokratie brauchen.

Mittels KI können auch Inhalte hinter Paywalls rekonstruiert werden - wie sehen Sie diesen Trend?
Es ist aus meiner Sicht nicht ganz neu, dass es Möglichkeiten gibt, eine Paywall zu umgehen. Die Dimension ist nun dank KI eine andere, dazu ist einfach viel mehr Aufmerksamkeit auf dieser Thematik. Und das ist auch gut so. Man sieht, dass immer mehr Medienanbieter deshalb auch auf die Kooperation mit Tech-Firmen setzen, um so Teil des Information-Ökosystems zu bleiben oder Verluste auszugleichen. Erste Studien dazu legen uns nahe, dass Content-Kooperationen häufig aber eben nicht dazu führen, dass z.B. auffällig mehr Traffic für die Medienanbieter generiert wird. Prinzipiell ist diese Entwicklung also durchaus als ein massives Problem für Medienanbieter und Journalismus zu werten. Eine technische Lösung, die am naheliegendsten wäre, haben wir dafür leider noch nicht gefunden oder entwickeln können.

Mit Werbeformen wie gesponsorten Folgefrage gehen die Angebote auch den Werbemarkt an - was kann das für Auswirkungen haben?
Ich sehe es wie Martin Andree, der in seinem Beitrag die Verschiebung der Wertschöpfung weg von den Inhalten hin zur, wie er sagt, Zugangsgewährung angesprochen hat. Dies bedeutet für den Journalismus, dass weiteres Einnahmepotential abfließen wird. Und dies hat aus demokratischer Perspektive einen doppelt negativen Einfluss: Einerseits ist der digitale Journalismus immer noch häufig stark abhängig rein von Werbeeinahmen. Wenn hier weitere Einnahmen zu Ungunsten der Medienhäuser umverteilt werden, wird der für die Demokratie so wichtige Journalismus weiter geschwächt.

Andererseits geraten wir dann immer mehr in die Situation, dass das Informations- und Meinungsspektrum nur noch von denjenigen Akteuren bestimmt werden, die am meisten Geld bezahlen. Und dies wird mit Sicherheit nicht der Journalismus sein. Dann bestimmt am Ende nur noch die Ökonomie, und das kann nicht im Sinne einer Demokratie sein, die auf Informationsfreiheit fußt. Ganz im Gegenteil, das widerspricht sogar ganz klar der Vorstellung einer liberalen Öffentlichkeit.

Welche Regulierung sollte die Politik auf diesem Gebiet aus Ihrer Sicht vornehmen?
Ich glaube, auch wenn ich die weiteren Beiträge rund um diese Debatte lese, dass wir uns alle endlich eine passende Antwort dafür wünschen würden. Und ein mutigeres, tatkräftigeres, schnelleres Handeln der Politik. Ich bin kein Jurist und kann deshalb den bisherigen Erfolg der europäischen Regulatorik wie dem AI-Act, Digital Markets Act oder dem Digital Services Act, die ja bereits erste Meilensteine darstellen, nicht abschließend bewerten. Aber diese Versuche für die Schaffung eines regulatorischen Rahmens und somit Sanktionsmöglichkeiten führen vor Augen, dass wir diese Frage nicht mehr auf einem nationalen, vielleicht sogar nicht mal mehr auf einem rein europäischen Weg, lösen können. Und das macht die Frage nach der Regulierung aus meiner Sicht auch so komplex. Hier eine Einigung zu finden, die alle Aspekte und Akteure miteinbezieht, ist eine Mammutaufgabe.

Deshalb möchte ich noch ein zweites Aktionsfeld neben der Regulierung stärker in den Fokus rücken: Förderung. Förderung von Innovationen, Förderung von europäischen Ideen, Angeboten, Infrastruktur und Förderung von Journalismus und somit von Demokratie. Dies kostet Geld, aber dieses Geld muss es uns wert sein. All das wäre aus meiner Sicht auch schnell(er) umzusetzen, auch auf einem nationalen Level. Hier sollten wir die Politik stärker in die Pflicht nehmen. Und so könnten wir uns zumindest mal auf den Weg machen, Abhängigkeiten zu reduzieren abseits der schwierigen Frage nach Regulation.

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

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