Das klassische lineare radiohören ist noch immer eine Erfolgsformel. Passt das angesichts von Streaming und Co. noch in unsere digitale und individualisierte Medienwelt?
Lineares Radiohören wird ohne Frage auch in den kommenden Jahren noch eine große Rolle spielen. Durch Streaming und intelligente Lautsprecher gibt es jedoch immer mehr digitale Konkurrenz, die auch in klassischen Radiozeiten um das Ohr der Hörer wirbt. Google Home oder Alexa beispielsweise werden ersten Untersuchungen zufolge besonders gern morgens und nachmittags genutzt. Das sind klassische Radiohörzeiten. Wird ein Besitzer eines Sprachassistenten künftig in der Küche noch das UKW-Radio anmachen? Oder steht es da überhaupt noch? Die Antworten auf diese Fragen werden für Radiomacher künftig noch wichtiger werden. Ich denke, der Kampf um die Aufmerksamkeit und Zeit der Nutzer wird weiter zunehmen. Digitale und individuelle Angebote werden dabei eher an Marktanteil gewinnen, während klassische lineare Angebote vermutlich an Relevanz verlieren werden. Die Geschwindigkeit wie beispielsweise zeitunabhängige Formate wie Podcasts auch bei uns an Bedeutung gewonnen haben, zeigt mir, dass Veränderungen manchmal auch extrem schnell gehen können.
Schon bald sollen Köpersensoren nicht mehr nur unsere körperliche Belastung auswerten, sondern auch unsere Stimmungslage analysieren und daraufhin die passende Musik abspielen? Wie bewerten Sie solche Trends?
Ich persönlich bin da auch eher zurückhaltend und frage mich, ob es dafür tatsächlich eine relevante Nachfrage geben wird. Aber gleichzeitig haben die vergangenen Jahre auch gezeigt, dass stimmungs- und situationsbasierte Angebote immer populärer werden. Der Erfolg der Playlisten bei den Musikstreamingdiensten kann dafür sicher ein Indikator sein. Dort gibt es ja mittlerweile für fast jede Lebenslage eine passende Playlist. Warum sollen Menschen dann nicht auch ihre Stimmungslage von Sensoren analysieren lassen und nicht mehr selbst die passende Dusch-Playlist auswählen. Ich würde aber mal die These wagen, dass das weder morgen noch übermorgen der neueste Schrei sein wird. Vielleicht gibt es aber in fünf oder zehn Jahren tatsächlich eine Zielgruppe, die sich so unterhalten lassen möchte.
Welche Möglichkeiten haben die Radiomacher individueller auf Hörerbedürfnisse einzugehen, bsw. während der Autofahrt?
Die einzige Option ist das Anbieten von granularen Programminhalten. Heute wird das gern unter Podcasts zusammengefasst, aber am Ende sind es digitale Audioinhalte, die zeitunabhängig und passend zur jeweiligen Situation abgespielt werden. Warum soll mein Auto nicht wissen, dass ich dort gerne den Food-Podcast "Feinkost" oder das "Gartenradio" höre? Wenn ich einsteige, könnten die Episoden doch schon vorgeladen sein und hintereinander abgespielt werden. Gleichzeitig will ich vielleicht in der Küche oder im Bad andere Sachen hören, beispielsweise Nachrichten oder eine bestimmte Playlist oder Musikrichtung. Ich denke, auf lange Sicht werden sich hier die qualitativ hochwertigen Inhalte durchsetzen, weil danach gezielt gesucht wird. In einer individualisierten Medienwelt wird das eine zentrale Notwendigkeit für erfolgreiche Anbieter werden.
Revolutionäre Software, wie Googles Duplex im Zusammenhang mit KI könnten bald sogar den Job eines Radiomoderators übernehmen. Machen Ihnen solche Trends Angst oder stimulieren sie das Produkt Audio und Radio?
Grundsätzlich ist es für uns Audiomacher doch fantastisch, dass die großen Tech-Konzerne, egal ob Amazon, Apple, Google oder Samsung momentan alle über Audio nachdenken. Dank der Sprachsteuerung als nächster Evolutionsstufe des Internets bekommen Radio, Audio und Podcasts endlich eine höhere Wertschätzung. Jahrelang hat sich doch die Branche darüber beklagt, dass alle immer nur über Video geredet haben. Im Zuge dessen gibt es natürlich aber auch Angebote und Impulse, die für die bestehenden Marktteilnehmer herausfordernd sind. Uns bei detektor.fm machen diese Entwicklungen keine Angst, aber das mag auch daran liegen, dass wir unsere Angebote seit unserem Start vor fast neun Jahren konsequent digital denken. Unsere Inhalte sind nach unserer Einschätzung so schnell nicht von einer künstlichen Intelligenz ersetzbar. Aber natürlich ist es heute schon denbkar, dass eine künstliche Intelligenz mit den 250 Titeln eines Senders, Wetter, Verkehr, Witzen und der Uhrzeit gefüttert wird und die klassischen Drei-Stop-Moderationen abliefert.