Medizinische Eingriffe werden immer häufiger mit Roboter-Systemen unterstützt. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie darin?
In Anbetracht des stetigen Bemühens um höhere Präzision, geringeres Trauma und steigende Sicherheit chirurgischer Interventionen ist der ansteigende Einsatz Roboter-unterstützter Systeme unausweichlich. Die Robotik soll dem Chirurgen zusätzliche Möglichkeiten eröffnen, die dem Patienten zugute kommen. Eine dreidimensionale Sicht mit bis zu zehnfacher Vergrößerung, die weiter gesteigerte Bildauflösung mit Integration der Bildgebung und eine immer bessere Beweglichkeit der Instrumente bieten Vorteile, ganz besonders in anatomisch schwer zugänglichen Körperregionen. Etabliert ist diese Form der Chirurgie bei der Prostataentfernung. In Deutschland wurde im Jahr 2015 jeder zweite Patient, dem krebsbedingt die Prostata entfernt wurde, mit dem da Vinci Robotik-System operiert. In den USA liegt die Quote seit 2014 bei über 90 Prozent. Die Herausforderung liegt darin, die für die roboter-assistierte Chirurgie besten Indikationen zu erkennen, Behandlungsergebnisse wissenschaftlich zu analysieren und das Behandlungskonzept ökonomisch realisierbar zu machen.
Inzwischen gab es Versuche mit Fernoperationen, bei denen lediglich der OP-Roboter nicht aber der Arzt im OP-Saal war. Wie bewerten Sie das?
Eines der frühesten und einprägsamsten telechirurgischen Operationen war die Gallenblasenentfernung einer 68-jährigen Frau in Straßburg. Sie wurde über den Atlantik hinweg vom Chirurgen Jacques Marescaux in New York vorgenommen. Die Verbindung zwischen Patientin und Operateur verlief dabei über ein Glasfaserkabel, das mit einer rasanten Geschwindigkeit die Bildübertragung sicherstellte. Seitdem wächst der Wunsch, Patienten auch aus der Ferne helfen zu können. Gerade für Einsatzbereiche wie der Raumfahrt, im Militär oder einfach in schwach besiedelten Gebieten, wird nach Lösungen gesucht. Auch wenn die Entwicklungen in der Telechirurgie weiter voranschreiten und sich Patient und Chirurg räumlich nicht an gleicher Stelle befinden, muss ein Anästhesist vor Ort sein, um überhaupt das chirurgische Verfahren durchführen zu können. Des Weiteren steht in solchen Situationen in der Regel ein „backup“ Chirurg zur Verfügung, der im Notfall unterstützen und übernehmen kann.
Welche rechtlichen Regeln müssten ggf. geändert werden, damit Fern-OPs z.B. auch über Ländergrenzen hinweg möglich werden?
Bei Fern-OPs handelt es sich zunächst einmal um den intersektoralen Austausch von Patientendaten und dies dann eben auch über Ländergrenzen hinweg. Haftungsrechtlich, berufsrechtlich und datenschutzrechtlich müssen die speziellen Aspekte telemedizinischer Verfahren geklärt und transparent sein. Wenngleich das E-Health-Gesetz Regelungen für konkrete telemedizinische Leistungen, wie die telekonsiliarische Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen und die Online-Videosprechstunde vorhält, so bleiben die mit Fern-Operationen aufkommenden Fragen in verschiedener Hinsicht noch unbeantwortet. Erschwerend kommen länderspezifische Rechtsauffassungen und –differenzen hinzu.
Welche Rechte sollte der Patient bezüglich der Roboter-Chirurgie haben?
Freie Arzt-Wahl ist Patientenrecht und natürlich sollte der Patient auch entscheiden, ob ein Roboter bei der Therapie eingesetzt wird. Der Patient ist über die besonderen Risiken auch telemedizinischer Anwendungen aufzuklären. Ebenso muss die Datenübermittlung durch die Einwilligung des Patienten legitimiert sein. Datenübermittlungen in Länder außerhalb der EU sind an eine gesonderte Zustimmung des Patienten gebunden. Wir müssen uns damit befassen, was genau wir von den Maschinen erwarten. Kognitive Computersysteme und Intelligente Roboter erfordern höchste Aufmerksamkeit nicht nur aus rechtlicher, auch aus ethischer Sicht. Hier müssen Ziele und Regeln für Maschinen definiert werden, die auf unseren Werten basieren. Die angewandte Software soll sich beim medizinischen Einsatz am Hippokratischen Eid orientieren, so wie beim autonomen Fahren an der Straßenverkehrsordnung.
Welche Gefahren gehen von Cyber-Angriffen für computer-assistierte Chirurgie aus – und wie sollte der Patient ggf. davor geschützt werden?
Technische Ausfälle erzeugen die größten Ängste, die diese Entwicklungen hervorrufen, zunächst einmal unabhängig davon, ob sie auf Systemfehler oder auf Cyber-Angriffe zurückzuführen sind. Erst vor wenigen Wochen erregte der Wannacry-Angriff höchste Aufmerksamkeit und Sorge. Krankenhäuser oder einzelne Medizinische Geräte als Angriffsziele zu erleben, die Furcht, die Elektronik könnte inmitten einer notwendigen medizinischen Versorgung ausfallen, das lässt niemanden unberührt. So sind Sicherheitssysteme unverzichtbar, die zudem ständig zu aktualisieren sind. Immer wieder muss über Simulationen hinterfragt werden, wie mit den unterschiedlichsten Gefahrenlagen umzugehen ist. Hierbei werden ganz bewusst Systemausfälle geübt. Entweder werden die Systeme vollständig abgeschaltet oder, was viel schwieriger und aufwendiger ist, sie werden falsch programmiert. Dies bedeutet, dass die falsch simulierte Situation vom Chirurgen erfasst und entsprechend beherrscht werden muss. Das Risiko liegt in der ausbleibenden Erkennung von Fehlfunktionen, in der fehlenden Möglichkeit, die Operation oder Behandlung sofort adäquat konventionell fortsetzen zu können. So gehört stets ein Plan B überdacht und umsetzbar. Die IT-Sicherheit zählt zu den größten Aufgaben und Herausforderungen unserer Zeit.