Die verschiedenen Technologien der Digitalisierung und Vernetzung finden im Industrieservice ein breites Anwendungsfeld. „Dabei erscheinen die Potenziale dieser Technologien noch lange nicht ausgeschöpft“, sagt Prof. Dr. Lennart Brumby von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim, Studiengangsleiter Service Engineering. Allerdings seien solche Technologien noch lange nicht bei allen Industriedienstleistern im Einsatz. „Zum einen sind dabei die Schnittstellen zwischen den Systemen der Industriedienstleister und der Produzenten noch nicht standardisiert. Zum anderen verhindert die Sorge um unkontrollierten Datenzugang und den Missbrauch der Daten den Einsatz von digitalen Lösungen im Industrieservice.“
Einen anderen Aspekt spricht Prof. Dr.-Ing. Johannes Lindner, TH Rosenheim, Campus Burghausen, an: „In diesem Bereich haben wir aktuell einen akuten Fachkräftemangel.“ Das Problem: Die Digitalisierung in der Prozessindustrie erfordere einerseits Kenntnis der Produktion, also der verfahrenstechnischen Elemente, andererseits Kenntnis der neuen Methoden der Digitalisierung. Interdisziplinäre Studiengänge in diesem Bereich seien noch selten. Allerdings: „Die Inhalte der Digitalisierung in der Prozessindustrie bilden wir im Studiengang Chemtronik am Campus Burghausen der Technischen Hochschule Rosenheim ab“, so Professor Lindner.
Im Spannungsfeld Fachkräfte und Expertise agiert das Digital Zentrum Chemnitz.
„Zum einen benötigen Unternehmen hoch qualifizierte Fachkräfte, um Maßnahmen der Digitalisierung umzusetzen und zu pflegen. Hier unterstützen wir als www.digitalzentrum-chemnitz.de die KMUs“, sagt Dipl.-Wirtsch.-Ing. Marco Franke, stellvertretender Geschäftsleiter des Mittelstand-Digital Zentrums Chemnitz. Man führe beispielsweise Thementage durch, die einen Überblick zu speziellen Themen wie Auftragssteuerung mit KI, Zusammenarbeit von Mensch und Roboter oder IT-Sicherheit von Produktionsanlagen geben. „Außerdem bieten wir Basis- und Fachworkshops an, in denen die Teilnehmer digitale Kompetenzen aufbauen.“
Dieter Westerkamp, Bereichsleiter Technik und Gesellschaft im VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. sieht große Problemlagen in der operativen Praxis: „Die meisten Mitarbeitenden, insbesondere diejenigen mit Potenzial, sind so in Projekten gebunden, dass diese häufig nicht für Weiterbildungen freigestellt werden.“ Diejenigen Absolventen, die die Hochschulen heute verlassen, benötigten aber Rückhalt in ihren Unternehmen, um neue Technologien, neues Wissen sowie neue Ideen einsetzen und ausprobieren zu können. Auf der anderen Seite gibt es etliche eingefahrene Unternehmen, „die weiterhin auf konservative Technologien setzen und zögerlich gegenüber neuen agieren – hier haben Absolventen keine Chance, die etwas ausprobieren wollen“.
„Großunternehmen haben in der Regel eine sehr konkrete Digitalisierungs-Roadmap für sich erstellt“, der Mittelstand hadere allerdings noch mit dem Thema, so Franz Braun, CDO der Bilfinger Digital Next GmbH und zugleich Mitglied des Vorstands des Verbands für Anlagentechnik und IndustrieService e.V. (VAIS) und dort Vorsitzender des Fachbereichs für Digitalisierung & Künstliche Intelligenz. Konstruktive und zukunftsorientierte Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Dienstleister habe bei der Entwicklung von Digitalisierungslösungen eine sehr große Bedeutung, betont Braun. Deshalb etabliere man ein Verbandsnetzwerk, dass beide Parteien zusammenbringe, den fachlichen Austausch und gemeinsame Lösungsansätze fördere.
Ziel von Industrie 4.0 sei es schließlich, „durch Vernetzung von Mensch, Anlage und Robotik die Wertschöpfungskette zu optimieren“, berichtet Stefan Reuss, Geschäftsführer IT und Digital Solutions Würth Industrie Service GmbH & Co.KG. Insofern fänden Innovationen und Innovationsprozesse in Unternehmen in einem Umfeld steigender Kundenanforderungen, hoher Innovationsgeschwindigkeiten sowie eines sich kontinuierlich verändernden Wettbewerbs- und Marktumfeldes statt. „Als Schlüssel zum Erfolg sehen wir die Schließung von Innovationskooperationen und -netzwerken. Trotz der fortschreitenden Digitalisierung wird der Mensch weiterhin wertvollstes Gut, Kopf und Impulsgeber der Firma sein.“
Strategie statt Einzellösungen! So beschreibt Dr. Klaus-Peter Gushurst, Leiter des Bereichs Industries & Innovation bei PwC Deutschland, in seinem Gastbeitrag das Erfolgsrezept für die Digitalisierung in der Industrie und bei ihren Dienstleistern. „Erfolgsentscheidend ist aber nicht allein die Technologie, sondern sie richtig einzusetzen. Und das heißt: Unternehmen brauchen einen integrierten, strategischen Ansatz, der die gesamte Organisation und ihren digitalen Reifegrad in den Blick nimmt, statt Einzellösungen umzusetzen. Ziel ist es insbesondere, die Mitarbeiter auch mental mitzunehmen.“