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Verbraucher-Stromtarife nach dem energiewirtschaftlichen Steinzeit-Prinzip

Was die Digitalisierung zur Energiewende beitragen kann

Lars Petereit, Senior Referent Digitalisierung, Wärme und Mobilität beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) Quelle: BNE Lars Petereit Senior Referent Digitalisierung, Wärme und Mobilität Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) e.V. 25.07.2022
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Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Die Digitalisierung ist das A und O, damit die Energiewende gelingt", sagt Lars Petereit, Senior Referent Digitalisierung, Wärme und Mobilität beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE). Er erklärt, warum das so ist, wobei die Branche Unterstützung benötigt und was Transparenz mit dem Ganzen zu tun hat.







In welchen Bereichen liegen die größten Herausforderungen bei der Digitalisierung der Stromherstellung und -verteilung?
Die Digitalisierung ist das A und O, damit die Energiewende gelingt. Stromerzeugung, -speicherung, -handel und -verbrauch müssen in Zukunft sekundengenau und automatisiert nach Bedarf steuerbar sein. Dafür brauchen wir intelligente Messsysteme, die detaillierte Verbrauchs- und Erzeugungsdaten in Echtzeit liefern. Die Technologien dafür sind längst vorhanden, aufgrund der verschleppten Digitalisierung durch staatliches Micromanagement werden die Potenziale aber derzeit nicht genutzt. Eine der großen Herausforderungen wird daher, die dezentrale Erzeugung besser steuern zu können. Und zwar so, dass der Kunde davon profitiert. Momentan stehen die Kosten, die für den Betrieb von Smart Metern anfallen, einem zudem begrenzten Nutzen entgegen.

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Als Problem gilt die zeitliche Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Quellen: Wie muss ein System gestaltet sein, das deutschlandweit (europaweit) für stabile Netze sorgt?
Neben dem dringend notwendigen Netzausbau müssen wir schnell die Flexibilitätspotenziale auf der Verbrauchsseite nutzbar machen. Dadurch wird der Bedarf an konventionellen Kraftwerken zur Absicherung des Angebots deutlich reduziert und der wetterabhängige Strom aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen besser genutzt. Bei den Haushalten wird das Flexibilitätspotenzial in den nächsten Jahren schnell zunehmen. Die Bundesregierung will bis 2030 die Zahl von 6 Mio. Wärmepumpen und 15 Mio. Elektrofahrzeugen erreichen. Durch das bidirektionale Laden werden E-Autos zu einem wichtigen Energiespeicher, die das Netz stabilisieren. Nach Erhebungen von Agora Energiewende könnten im Jahr 2035 rund 28 Mio. Elektrofahrzeuge ein Flexibilitätspotential von rund 28 GW bereitstellen. Das ist ein beachtlicher Wert und entspricht der vierfachen Menge der verfügbaren Pumpspeicher.

Ein anderes Beispiel: Fast alle Verbraucher-Stromtarife in Deutschland folgen heute noch dem energiewirtschaftlichen Steinzeit-Prinzip „standardisierte 50 Jahre alte Lastprofile, fixer jährlicher Preis, monatliche geschätzte Abschlagszahlung und jährliche Nachzahlung”. Dabei könnte Strom durch variable Tarife längst dann besonders günstig sein, wenn viel erneuerbare Energie vorhanden ist. Solche Preissignale kommen dann direkt bei den Kundinnen und Kunden an und helfen dabei, Angebot und Nachfrage auszugleichen.

Sind diesbezügliche Modernisierungsinvestitionen – unter Beachtung der Sicherheit der Netze vor unbefugten Eingriffen Dritter –, kurz- bzw. mittelfristig machbar?
Ja, der erste Schritt ist mehr Transparenz. Die tatsächliche Auslastung liegt für die allermeisten Netzbetreiber derzeit noch völlig im Dunklen. Erst wenn eine solide Echtzeit-Erfassung der Auslastung vorliegt, lässt sich seriös beurteilen, ob und in welchem Ausmaß Eingriffe notwendig sind. Netzbetreiber verfügen derzeit zudem gar nicht über die notwendige Infrastruktur, um im Niederspannungsnetz Schalthandlungen an steuerbaren Verbrauchsanlagen wie Wärmepumpen oder Wallboxen sinnvoll durchzuführen. Ein System der Netzzustandsüberwachung für das Niederspannungsnetz und weite Teile des Mittelspannungsnetzes ist daher prioritäre und zentrale Aufgabe der Netzbetreiber, die diese auch vollständig zu verantworten haben. Erst dann macht auch der breite Rollout von Smart Metern bei Endkundinnen und Endkunden richtig Sinn. Hier müssen wir schnell Fortschritte machen, damit das Netz mit der zunehmenden Elektrifizierung im Heizungskeller und auf der Straße mithalten kann.

Wie können Staat und Verwaltung die Branche unterstützen?
Die Digitalisierung bietet nicht nur technologische Vorteile, sie wird auch Prozesse vereinfachen und beschleunigen. Die größte Unterstützung wären daher der Abbau von Bürokratie und die Vereinfachung von Verfahren, wie etwa Netzanschlussbegehren. Analoge Formulare kosten unnötig Zeit, binden Kapazitäten von Fachkräften und rauben Nerven. Die beschlossene Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes geht in die richtige Richtung. Die verpflichtende Einführung einer gemeinsamen Internetplattform der Netzbetreiber für Anschlussbegehren ist ein echter Fortschritt. Das alleine reicht aber noch nicht und bleibt weit hinter den Erwartungen des Marktes zurück. Wir benötigen vollständig digitalisierte Verfahren mit einheitlichen Dokumenten und das am besten bundesweit. Hier braucht es dringend eine zeitgemäße Standardisierung.

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