Neue Programme, fortschreitender Sendernetzausbau und aktuell gute Verkaufszahlen: ARD, Deutschlandradio und Media Broadcast stellen DAB+ aktuell gute Karten aus. Wie bewertet der VLR Stand und Perspektiven von DAB+ aus NRW-Sicht?
Den Enthusiasmus von ARD, Deutschlandradio und Media Broadcast teilen wir nicht. Im aktuellen Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten ist nachzulesen, dass es mehr DAB+ Geräte als im vergangenen Jahr gibt, dennoch bleibt die meistgenutzte Empfangsart UKW. Selbst in den Haushalten, die ein DAB+ Gerät besitzen, ist UKW die dominante Empfangsart für Hörfunk. Der Mehrwert von DAB+ erschließt sich den Hörerinnen und Hörern offenbar nicht. Ebenso skeptisch sind Rundfunkveranstalter, deren Geschäftsmodelle sich nicht von UKW nach DAB+ übertragen lassen. Ohne eine politische Entscheidung in Sachen DAB+ wird sich diese Situation nicht verändern. Der Markt hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass DAB+ nicht von alleine erfolgreich sein wird.
Malu Dreyer, die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, hat angeregt, alle Audiosysteme künftig mit Multinorm-Empfangschips auszurüsten. Ist ein solcher Herstellerzwang aus Sicht des VLR richtig?
Wichtiger wäre es unserer Einschätzung nach, eine Freischaltung der in Smartphones verbauten Empfangschips zu regulieren, so dass die UKW- und teilweise DAB+ Funktionalität generell freigeschaltet wird. Dennoch sind Multinorm-Empfangschips zunächst ein Schritt in die richtige Richtung. Damit wird endlich die Position „Radio ist Multichannel“ privater Radioanbieter unterstützt. Ob eine gesetzliche Geräteverordnung jedoch einen Erfolg von DAB+ herbeiführen könnte, das ist ungewiss. Primär interessieren Hörerinnen und Hörer die Inhalte im Radio, nicht der Übertragungsweg.
Könnten sich technische Vorgaben der Politik tatsächlich als zielführender erweisen, als einfach einen Termin für eine UKW-Abschaltung festzulegen? Oder sollte alles so bleiben, wie es ist?
Weder technische Vorgaben noch ein definiertes UKW-Abschaltdatum werden für einen Erfolg von DAB+ sorgen. So lange private Anbieter alleine das Risiko für einen Umstieg auf DAB+ tragen und zudem ihre lokalen und regionalen Programme nicht über DAB+ Multiplexe abbilden können, wird sich ihre ablehnende Haltung nicht ändern. Wirksam wäre eine umfassende Förderung der DAB+ Umstiegskosten privater Anbieter durch die öffentliche Hand, so wie es im DAB+ Paradebeispiel Schweiz praktiziert wird.
Lässt sich aus Sicht der VLR die Privatradioszene in NRW überhaupt noch von DAB+ überzeugen oder ist der Zug in Richtung Internetradio längst abgefahren?
Es ist nicht auszuschließen, dass sich DAB+ doch noch in den kommenden Jahren zu einem relevanten Verbreitungsweg entwickelt – wir halten dies jedoch für unwahrscheinlich. Wahrscheinlich ist, dass die Rezeption von Audio-Inhalten über IP-Radios und Streaming stark zunehmen wird. Die Bandbreiten für mobiles Internet steigen stetig, die WLAN Verfügbarkeit nimmt weiter zu. Der Lokalfunk wird daher auch zukünftig dort vertreten sein, wo seine Hörer zu finden sind. DAB+ spielt in dieser Betrachtung derzeit jedoch keine Rolle.
Glauben Sie persönlich an ein Radio ohne Terrestrik? Was sollte mit UKW passieren, das ja unstrittig und unabhängig von DAB+ aus technologischen und netzpolitischen Gründen irgendwann abgeschaltet werden muss?
Radio funktioniert nicht aufgrund seines Verbreitungsweges, sondern es ist täglicher Begleiter, informiert und unterhält. Diese Merkmale werden auch zukünftig nachgefragt werden. Die Schwierigkeit besteht für jeden Sender darin, für Hörerinnen und Hörer auffindbar und wiedererkennbar zu sein. Dies wird nur gelingen, wenn die terrestrischen Sender von heute starke Marken und Persönlichkeiten aufbauen, die unabhängig vom Verbreitungsweg vom Publikum nachgefragt werden.