Die LKW-Maut steigt bereits zum 1. Dezember 2023 mit einer CO2-Differenzierung stark an, emmissionsfreie LKW sind vorerst befreit. Welche Steuerungswirkung erwarten Sie davon?
Die CO2-Bepreisung ist grundsätzlich ein richtiges Lenkungsinstrument, um den Klimaschutz voranzutreiben. Es müssen aber Zeitpunkt und Höhe richtig gewählt werden. Die Verdoppelung der Lkw-Maut durch einen zusätzlichen CO2-Preis wird absehbar keinen Lenkungseffekt haben. Es wird noch Jahre dauern, bis ein europaweit dichtes Auflade- und Tanknetz für E-Lkw und wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeuge aufgebaut ist – eine Grundvoraussetzung für den flächendeckenden Einsatz alternativer Antriebe. Und überall fehlen die grundlastfähigen Energienetze für den zukünftig gigantischen Strombedarf des Logistiksektors. Entscheidend für dessen wirtschaftlichen Einsatz alternativer Antriebe sind neben dem tatsächlichen Umwelteffekt natürlich auch die Total Costs of Ownership (TCO). Zwischen E-Lkw und Diesel-Lkw besteht längst noch keine Kostenparität. Sämtliche Modellvergleichsrechnungen gehen von einem niedrigen Strompreis und einer konstant hohen staatlichen Anschaffungsförderung aus. Und genau diese Fördergelder sollen für den Bundeshaushalt 2024 jetzt geopfert werden. Leider werden auch die Bahnen das prognostizierte Güterverkehrswachstum nicht wie erhofft auffangen können. Die Infrastruktur ist so sehr heruntergewirtschaftet, dass das Qualitäts- und Leistungsvermögen der Schiene über einen längeren Zeitraum begrenzt bleibt. Fazit: Mit der CO2-Maut wird gar nichts gesteuert, außer die Einnahmeseite des Bundeshaushalts.
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Im kommenden Jahr wird die Maut auf Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht ausgeweitet. Welche Auswirkungen für die Verkehrsströme und etwa das Staugeschehen erwarten Sie davon?
Keine. Um die Lkw-Maut zu sparen wird eine 20 Tonnen-Ladung nicht auf zehn kleine Fahrzeuge aufgeteilt. Das wäre betriebswirtschaftlicher Unsinn. Im regionalen Verteilerverkehr werden heute bereits achtzig Prozent aller Touren auf mautpflichtigen Strecken durchgeführt. Ausweichszenarien sind deshalb reine Theorie.
Mit der Mauterhöhung soll der sogenannte geschlossene Finanzierungskreislauf Straße aufgebrochen werden. Wie bewerten Sie das?
Angesichts des hohen Finanzbedarfs für die Ertüchtigung des Straßennetzes, für Brückensanierungen und für den dringenden erforderlichen Lkw-Stellplatzausbau entlang der Bundesfernstraßen sollten die Einnahmen aus der Lkw-Maut tatsächlich mehrheitlich in das System Straße reinvestiert werden. Zumal es sich bei der Maut streng genommen um eine verursacherbezogene Gebühr und um keine Steuer handelt. Auf der Straße wurden die staatlichen Einnahmen ja schließlich auch verdient. Zudem sind mit dem Aufbau der Energienetze und der Ladeinfrastruktur milliardenschwere Investitionen im Straßengüterverkehrssektor nötig.
Ein guter Teil der Maut-Einnahmen soll in die Schiene fließen. Was halten Sie davon?
Werden die Investitionsdefizite zur Sanierung der Schiene nicht bald behoben, könnten wir diesen Verkehrsträger endgültig dicht machen. Eine Katastrophe für den Logistiksektor, der mit erheblichen Gütermengen die Schiene befrachtet. Deshalb ist es richtig, dass wesentliche Haushaltsmittel in die Schiene fließen. Die Frage ist nur, aus welchen Quellen dieses Geld gespeist wird, zumal die Straße – wie dargestellt – ebenfalls erhebliche Finanzmittel benötigt. Bei dem Zustand unserer Straßen, Schienen- und Wasserwege wäre haushaltspolitisch eigentlich ein Sondervermögen Verkehrsinfrastruktur zu rechtfertigen.